Biowein im Kommen - Teil 1

12.09.2006

Auch im Weinbau breitet sich die biologisch-dynamische Bewirtschaftung aus, nicht nur als Mittel sich vom Massenmarkt abzusetzen, sondern auch also Methode der echten Qualitätssteigerung, die die Authentizität der Lage, die einzigartige Qualität und Substanz eines jeden Anbaugebiets durch den Wesensgemäßen Anbau fördern will. In dieser 2-teiligen Serie beleuchtet NNA die „Renaissance des Appellations“. Im 1. Teil berichten Tom Raines und Rosemary Usselman aus London über die internationale Perspektive. Im 2. Teil bespricht Michael Olbrich-Majer, Redakteur der Zeitschrift „Lebendige Erde“, das Fallbeispiel Deutschland und untersucht die tieferen Hintergründe des biologisch-dynamischen Weinbaus.

Biodynamisch angebauter Wein erobert die Welt Gruppe „Renaissance“ will Authentizität der Lagen erhalten – Immer mehr Chemie in den Weinbergen im Einsatz – Erstmals Biowinzer aus neuen Ländern in London

Von Tom Raines und Rosemary Usselman

LONDON (NNA). „Die wichtigste Aufgabe der Gruppe „Renaissance des Appellations“ (Rückkehr zu den Lagen) besteht darin, die Ergebnisse des biodynamischen Anbaus in die Welt hinaus zu tragen.“ Nicolas Joly ist ein französischer Winzer aus der Loire Region und leidenschaftlicher Verfechter des biologisch-dynamischen Weinbaus. Als Gründer von „Renaissance “ ist er inzwischen weltweit unterwegs, um an so vielen Orten wie möglich Präsentationen und Verkostungen des Bioweins zu organisieren – nicht nur in Europa, sondern auch in Nordamerika und Asien. Wenn er in diesem Herbst von Japan zurückkommt, will er sogar einen Zwischenstopp in China einlegen.

Dies erläuterte Joly bei der Internationalen Wein- und Spirituosenmesse in London, wo biodynamische Winzer aus neun Ländern ihre Produkte zwischen dem riesigen Angebot der konventionellen Weinproduzenten aus der ganzen Welt vorstellen konnten. Zum ersten Mal war so in Großbritannien das ganze Angebot des biologisch-dynamischen Weinbaus unter einem Dach präsent.

75 Biowinzer boten ihre Weine in den Messeräumen hoch über der Themse in einem früheren Lagerhaus den Besuchern an, vertreten waren Österreich, Australien, Chile, Korsika, Frankreich, Italien, Deutschland, Spanien, Slowenien, die Schweiz und die USA. Allen gemeinsam war die Mitgliedschaft in „Rennaisance des appellations“.

Nicolas Joly hatte 2001 die Organisation – in Englisch „Return to the Terroir“ gegründet – sie hat das Ziel, die Authentizität der einzelnen Weinbaulagen wieder zu entdecken. Gemeint ist damit die einzigartige Qualität und Substanz eines jeden Anbaugebiets, die an alles weitergegeben werden, was darauf wächst. Alle Mitglieder der Gruppe anerkennen und schützen das jeweilige Mikroklima ihrer Weinberge, bei dem aus der Verbindung von Erde und Umgebung die unverwechselbare Charakteristik des Weins entsteht, der aus den dort wachsenden Trauben hergestellt wird.

Wenn sie sich der Gruppe anschließen, unterschreiben die Mitglieder eine Qualitätsurkunde, in der genau beschrieben wird, mit welchen Weinbaumethoden der „echte und unverwechselbare Ausdruck der Lage“ erreicht wird und mit welchen Kellereipraktiken dem „hohen Niveau der Originalität und einzigartigen Charakteristik jeder Lage“ Rechnung getragen wird. Die Mitglieder der Gruppe müssen ihre Weine auf dem gesamten Gelände mindestens drei Jahre lang in biologisch-dynamischer Wirtschaftsweise angebaut haben, bevor sie die Zertifizierung bekommen. In der Praxis heißt das, alle Anstrengungen zu unternehmen, um das organische Leben im Boden wiederzubeleben und die Anwendung von synthetischen Chemikalien zu vermeiden. Außerdem werden Methoden des Anbaus und der Herstellung abgelehnt, die im Gegensatz zum echten Ausdruck der jeweiligen Lage stehen.

Die konventionelle Weinindustrie hat sich in den letzten Jahrzehnten in zunehmendem Maße von chemischen Sprühmitteln abhängig gemacht, die als Fungizide, Pestizide, Herbizide, Entlaubungsmittel usw. eingesetzt werden. Sie tränken Reben und Boden mit Giften, die die Lebenskräfte der Pflanzen und der Erde schwächen.

Im Gegensatz dazu arbeitet der biologisch-dynamische Weinbau Hand in Hand mit den Leben spendenden Kräften und erhöht Gesundheit und Kraft der Reben, denn nur wenn sie frei von chemischen Einflüssen sind, können die Weinpflanzen die Substanz ihrer Umgebung aufnehmen. Die Weinindustrie muss die Tatsache akzeptieren, dass Bioweine immer beliebter werden, weil die Weintrinken ihren besseren Geschmack und ihre Alterungsqualitäten zu schätzen wissen.

Die Biowinzer nähern sich so schnell dem Punkt, an dem die Nachfrage das Angebot übersteigt. Doch es gibt auch Widerstand gegen diesen Trend hin zum Biowein – was unvermeidlich scheint – nicht zuletzt von denen, die ein Interesse daran haben, den Weinbau in Abhängigkeit von Chemikalien zu halten. Mit Auftritten wie dem auf der Weinmesse in London hat die Gruppe „Renaissance des Appellations“ eine gute Gelegenheit, ihre Ziele und ihr Ethos an die Öffentlichkeit zu bringen und – die Weine für sich selbst sprechen zu lassen.

In den USA ist zur Zeit die höchste Umstellungsrate hin zum biologisch-dynamischen Weinbau zu verzeichnen. Zwei der dortigen Winzer, Chris Benziger und Robert Blue, berichteten in London von ihren Erfahrungen mit der Umstellung auf die biologisch-dynamische Anbauweise, welche Verbindlichkeiten notwendig seien, dass sie gelinge, nicht nur für einen selbst, sondern auch hinsichtlich der Mitarbeiter. Sie betonten, wie wertvoll für sie die Mitgliedschaft bei „Renaissance des Appellations“ sei. Die Gruppe biete vor allem Unterstützung, Kollegialität, Austausch von Informationen und die Möglichkeit gemeinschaftlichen Marketings.

„Wein ist vermutlich die am meisten gekostete Substanz in der Welt, „meinte Nicolas Joly. Als natürliche Konsequenz seiner Wein-Promotion-Touren hat er jetzt begonnen, „blinde“ Testessen auch mit Milch und Käse in seinem Land durchzuführen, die biolologisch erzeugte Lebensmittel einschließen. Chefköche, die immer auf der Suche nach den besten Zutaten sind, werden zu diesen Testessen eingeladen.

Nicolas Joly allerdings sieht die Welt am Rande einer größeren ökologischen Katastrophe: Vielleicht werde bald niemand mehr Wein trinken, weil er sich Sorgen machen müsse, wo er das tägliche Trinkwasser herbekommt. Der einzige Weg, dieses Desaster zu vermeiden, sei eine weitere Ausbreitung der biologisch-dynamischen Anbaumethoden, betont er.

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