Ethik als außerparlamentarische Opposition

20.05.2001

Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Michael Rogowski, befürchtet, dass der Nationale Ethikrat die Entwicklung der Gentechnologie behindern und unternehmerische Freiheiten einschränken könnte. Rogowski plädierte deshalb am 20.05.2001 für eine Selbstverpflichtung der Industrie, statt weitgehender Einschränkungen durch den Ethikrat. "Es gibt bereits die Selbstverpflichtung der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie, keine Keimbahn-Therapien zuzulassen", sagte Rogowski zur Begründung.

Es ist wohl jedem Bundesbürger die Unzumutbarkeit dieses Vorschlags offenkundig. Wenn man das Wirtschaftleben, das letzlich nichts als den Profitwertstab als Wetterhahn hat, als eigener Moralhüter konstituiert, ist es als würden Wölfe Schafe hüten.

Soweit so gut. Traurig aber wahr ist es jedoch, dass so recht niemand die Politiker im Bundestag, orientierungslos und unfähig, die ethische Frage lösen sieht.

"Ich bin weit davon entfernt, Rat geben zu können", bekannte SPD- Fraktionschef Peter Struck nach der Bundestagsdebatte am 31.05.2001 "Ich suche Rat, um entscheiden zu können." Viel zu wenige Politiker gestehen sich dies ein und keiner, nicht einmal Struck, zieht daraus die Konsequenzen: Dass man eines Ethos als Grundlage für Ethik bedarf, und dass Ethos rein geistig ist und nicht durch Ermessung und argumentativ nach 5 Stunden Parlamentsdebatte zustandekommt, sondern nur hervorgebracht werden kann durch emanzipiertes, selbsverwaltetes Geistesleben oder Zivilgesellschaft.

Viele Politiker blicken nun zu den Großkirchen und entdecken das "c" für "christlich" als Anfangsbuchstabe in ihren Parteinamen und beten: Gott gebe uns Ethik, denn wir wissen nicht was wir tun. Mögen sie noch so lange auf eine Eingebung oder eine Doktrin warten, es wird nichts am Irrtum ändern, der behauptet, dass der Bundestag der einzig richtige Austragungsort von Grundsatzdebatten ist.