Nationalstolz als geistiges Armutszeugnis

20.03.2001

Nach der Kritik Laurenz Meyers am Beschluß des Grünen-Parteitags vom Wochenende, das Asylrecht wieder auszuweiten, sagte Jürgen Trittin daraufhin in einem Interview: "Laurenz Meyer hat die Mentalität eines Skinheads und nicht nur das Aussehen." Später relativierte der Minister seine Äußerungen, hielt in der Sache aber an seiner Kritik fest. Der CDU-Generalsekretär habe sich wörtlich zu dem Satz "Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein" bekannt. Diese sei die populärste Parole auf den T-Shirts von Skinheads. Außerdem habe Laurenz Meyer im Landtags-Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen mit der Parole "Kinder statt Inder" die Green Card-Initiative der Regierung angegriffen. Nach dem Eingreifen Schröders erklärte Jürgen Trittin: "Ich nehme meine Äußerung mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück und entschuldige mich", aber fügte hinzu: "Es sind die deutschtümelnden Töne von Ihnen und Ihrer Partei, die bei mir immer wieder Unverständnis und Empörung auslösen". Die CDU fordert aber trotz dieser Entschuldigung weiterhin den Rücktritt Trittins als Umweltminister.

Die Kontroverse hat eine Diskussion darüber ausgelöst, ob man stolz sein kann ein Deutscher zu sein. Gerhard Schröder sah sich zu einem Bekenntnis gezwungen: Er sei "ein deutscher Patriot, der stolz ist auf sein Land", und definierte dies mit den Worten: "Ich bin auf die Leistungen der Menschen und auf die demokratische Kultur stolz." Der Bundespräsident sagte zunächst, er mache sich den Satz "Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein" nicht zu eigen. Stolz könne man nur auf etwas sein, das man geleistet habe. Nach einer scharfen Replik der Union versicherte er, er sei gerne Deutscher. Johannes Rau hatte schon nach seiner Wahl zum Staatsoberhaupt im Mai 1999 zwischen Nationalisten und Patrioten unterschieden: "Ich will nie ein Nationalist sein, aber ein Patriot wohl. Ein Patriot ist jemand, der sein Vaterland liebt, ein Nationalist ist jemand, der die Vaterländer der anderen verachtet."

Laurenz Meyer erklärte am 20.03.2001, er verstehe nicht, "dass die SPD sowohl in der Fraktion als auch in der Regierung so herumeiert" - Franzosen, Italiener oder Schweizer würden sich eine solche "verklemmte Diskussion", wie sie von SPD und Grünen geführt werde, niemals vorstellen können. Auch Laurenz Meyer wiederholte seine Kritik an Jürgen Trittin. Dieser versuche, die CDU in eine rechte Ecke zu stellen, und alle zu stigmatisieren, die stolz auf Deutschland seien. Es werde aber Zeit, dass die Deutschen "in aller Offenheit ein unverkrampftes und liebevolles Verhältnis zu unserem Land zeigen dürfen". Roland Koch rief im Südwestrundfunk zu einer sachlich differenzierten Debatte um die nationale Identität auf. Er selbst sei gern Deutscher. Er liebe die Sprache, aus der er seine geistigen Impulse beziehe, bejahe aber auch die politische Ordnung in Deutschland. Im aktuellen Streit sehe er aber eine Instrumentalisierung des Themas zu Wahlkampfzwecken. Er beobachte "merkwürdige Pingpong-Spiele", bei denen etwa Worte von Bundespräsident Johannes Rau verdreht würden und das Staatsoberhaupt zu einem vaterlandslosen Gesellen stilisiert werde.

Roland Koch hat man nur die Ansicht Johannes Raus entgegenhalten: Stolz kann man nur auf das sein, was man aus eigener Kraft geworden ist. Es ist völlig klar, dass Roland Koch in seiner geistigen Begrenztheit lediglich aus der deutschen Sprache seine geistigen Impulse schöpfen kann.

Dem deutschen Geist wollen wir aber nicht das Armutszeugnis der Selbstbeschränkung auferlegen. In Wirklichkeit ist die Patriotismusdebatte eine traurige und überflüssige Debatte, die, wann immer die Deutschen sie führen, in Nationalismus entgleist. Franzosen, Italiener, Schweizer und viele andere Nationen können sich ihren patriotischen Gefühlen stellen und diese definieren, nur die Deutschen nicht. Nicht wegen der Entgleisung der deutschen Geschichte, sondern wegen des wahren deutschen Geistes müssen die Deutschen sich immer ihres freien individualistischen Geisteslebens klar werden, der die Negation von geistiger Zwangsgemeinschaft bedeutet.

Die Deutschen sollen stolz sein auf das, was sie individuell leisten, nicht auf das, was die Gesellschaft für sie leistet, und lediglich anerkennen, dass die geistige Freiheit die Entwicklung weiterträgt.