Jenseits von Davos und Porto Alegre

30.01.2001

Zum Abschluß des ersten Weltsozialforums in der südbrasilianischen Stadt Porto Alegre haben die dort versammelten Gegner der Globalisierung eine "Allianz gegen Neoliberalismus" gegründet. Die Allianz will regelmäßig Protestaktionen und Zusammenkünfte planen. Die fünftägige Veranstaltung in Brasilien ist bewußt als Gegenpol zum Weltwirtschaftsforum im Schweizer Davos organisiert worden.

Rund 15 000 Vertreter von Kirchengruppen, Gewerkschaften, linken Parteien, Minderheiten und regierungsunabhängigen Organisationen aus aller Welt beteiligten sich in Porte Alegre an den Konferenzen und Workshops. Besonderen Anklang fand der Vorschlag des amerikanischen Nobelpreisträgers James Tobin, Kapitalbewegungen zu versteuern, um einerseits negative Auswirkungen der kurzfristigen Spekulation auf arme Länder zu beschränken. Andererseits sollen die Einnahmen, die auf 400 Milliarden Mark jährlich geschätzt werden, für die Bekämpfung des weltweiten Elends verwendet werden. Einstimmig gefordert wurde auch eine Reduzierung der Macht internationaler Finanzorganisationen wie Weltbank, Internationaler Währungsfonds oder Welthandelsorganisation.

Am Davoser Forum durften neben den Spitzen der internationalen Wirtschaft nur einige ausgewählten Kritiker teilnehmen, wie der Direktor von Greenpeace International, Thilo Bode, und der Generalsekretär von Amnesty International, Pierre Sane. In einer Podiumsdiskussion unter dem Titel "Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen: von der Polemik zum Dialog" wurde deutlich, daß zu einem solchen Dialog noch ein langer Weg ist. Bode sagte, Dialog sei gut, könne aber den Druck von Demonstrationen und Kampagnen auf der Straße nicht ersetzen. Amnesty-Chef Sane beschwor die Unternehmer, den Dialog ernst zu nehmen und warnte: "Wenn die Gespräche zu nichts führen, kann das in Gewalt ausarten". Jack Greenberg, der Konzernchef von McDonalds, einer bevorzugten Zielscheibe der Globalisierungsgegner, meinte daß der Dialog manchmal nicht funktioniert, wenn die Ziele von Anfang an in entgegengesetzten Richtungen liegen.

Der französische Bauernführer José Bové, der 1999 bekannt wurde, als er die Baustelle eines McDonalds abbaute, hatte sich aber diesmal einen anderen Opfer ausgesucht. Am 26.01.2001 führte er zusammen mit dem Chef der Landlosen-Bewegung, Joao Pedro Stedile, die Erstürmung einer Gen-Soja-Anlage der Firma Monsanto durch etwa 2000 brasilianischen Bauern an. Sie rissen die Mais- und Sojapflanzen mit bloßen Händen aus der Erde.

Eigentlich ist es schwierig, nicht selber polemisch zu werden. Und dies nicht nur den Konzernen, sondern auch manchen Globalisierungsgegnern gegenüber. Mit ihrem Weltsozialforum wollen sie nicht nur die heutige Weltwirtschaft angreifen, sondern Alternativen aufzeigen. Dies klingt zunächst vielversprechend. Der Ansatz von Attac, Kapitalbewegungen zu versteuern, die sogenannte Taxe Tobin, ist aber keine Alternative zum Neoliberalismus. Sie will nur den Unsinn fiskalisieren, statt ihn zu verhindern. Wer sich dafür einsetzt, merkt nicht, wie neoliberal er selber denkt.

Das Problem ist nicht die Beweglichkeit des Kapitals, sondern seine Verkäuflichkeit. Wollen die Staaten oder die Zivilgesellschaft mitverdienen, so werden sie selbst käuflich. Sorgen sie stattdessen für eine Fähigkeitenbindung des Kapitals, dafür daß das Kapital von Fähigen zu Fähigen wandert, so machen sie sich auf einem Schlag zu gleichberechtigten Dialogpartnern der internationalen Wirtschaft. Versteht sich die Zivilgesellschaft als drittes Element neben dem Staat und die Wirtschaft, dann gehört eine solche Zirkulation des Kapitals zu ihren eigenen Aufgaben. Sonst verkennt sie sich als Kulturkraft.

Dasselbe gilt für solche Forschungsanlagen, wie diejenige von Monsanto. Forschung gehört aus den Konzernen heraus, sowie aus den mehr oder weniger staatlichen Einrichtungen heraus. Eine solche ins freie Geistesleben ausgelagerte Forschung ist nicht nur allgemein zugänglich - das ist die staatlich-universitäre Forschung auch - sondern dazu auch noch effektiv. Solange es sie noch nicht gibt, werden noch viele Globalisierungsgegner auf Nobelpreisträger wie Tobin hereinfallen.