Fatwas in Bengladesh für illegal erklärt

02.01.2001

Das oberste Zivilgericht von Bangladesch hat alle Rechtsurteile islamischer Kleriker, den sog. Fatwas, für illegal erklärt. Ein Menschenrechtsanwalt sprach am Dienstag von einem "historischen Urteil", das einen großen Fortschritt für den Schutz der Grundrechte in Bangladesch markiere. Wie das Gericht mitteilte, ordneten die Richter am Montagabend zugleich die Inhaftierung eines Moslemklerikers an, der ein Ehepaar gegen dessen Willen zur Scheidung gezwungen hatte. Angeblich hatten Zeugen in einem abgelegenen Dorf im Nordwesten des Landes gehört, wie der Ehemann nach einem Streit drei Mal das Wort "Talaq", den islamischen Ausdruck für Ehescheidung, aussprach. Daraufhin zwang der Geistliche das Paar zur Trennung. Die Frau durfte erst zu ihrem Ehemann zurückkehren, nachdem sie eingewilligt hatte, einen anderen Mann zu heiraten. Der Menschenrechtsanwalt Kamal Hussain, ein früherer Justizminister, übernahm die Verteidigung des Paares. Die obersten Richter stellten schließlich fest, dass Moslemkleriker keine rechtliche Befugnis zum Erlass von "Fatwas" haben.

Bekannt wurde insbesondere die Fatwa gegen Salman Rushdie, aber auch die Fatwa fanatischer Moslems in Bangladesch gegen die feministische Autorin Taslima Nasrin. In ihrem Buch "Lajja" (Scham) hatte sie die Verfolgung religiöser Minderheiten im islamischen Bangladesch angeprangert. Nasrin flüchtete ins Exil nach Schweden.

Der Begriff Fatwa kommt aus dem Arabischen und bezeichnet in der islamischen Welt ein von einem Gelehrten (Mufti) erstelltes Rechtsgutachten. Solche Expertisen sind notwendig, weil die wichtigsten Rechtsquellen der Muslime - der Koran und die Prophetentraditionen - nicht in allen Fragen des zivilen und religiösen Lebens eine Antwort geben. Zudem müssen Rechtssysteme anderer Länder mit dem Islam harmonisiert werden. Die Gutachten können von Privatpersonen wie von staatlichen Institutionen angefordert werden.

Der Oberste Richter hat mit dem Urteil das Monopol des Staates nicht nur auf Gesetzgebung, sondern auch auf Richterwahl festgesetzt. Das größte Problem in dem beschriebenen Fall ist nicht die religiöse Grundlage des Richterspruchs gewesen, sondern dass der Kleriker sich selbst zum Jurist ernannte. Dies soll der Staat verhindern, ohne aber den selben Fehler zu begehen.

Wenn sich Bangladesch als eine Volksrepublik auf Basis des Islams bezeichnet, und wenn gar das Scheidungsgesetz eine islamische Grundlage hat, sollte man Geistliche nicht als Juristen ausschließen, sondern zulassen, dass auf einer theokratischen Grundlage geurteilt wird, vorausgesetzt der Angeklagte wünscht es so.