Freie Hochschule sollte Doktordiplome ausstellen können

Quelle: GA 259, S. 354-355, 1. Ausgabe 1991, 24.02.1923

Es wird vom Hochschulbund und der akademischen Jugend gesprochen.

Dr. Steiner: « Der Hochschulbund war der Drehpunkt der Sache, wo die Dinge angefangen und liegengelassen worden sind. Von dem Hochschulbunde hatte ich von vornherein gesagt, so etwas nähme man sich nur vor, wenn man es auch weiterführen wolle, damit es gelingt. Man hat es liegenlassen. Der Hochschulbund gehört zu den Dingen, die am wesentlichsten das illustrieren, was nicht zu geschehen hat. Dieses Phänomen des Hochschulbundes, von dem man wußte, daß uns dadurch noch die Privatdozenten auf den Hals gehetzt würden: mit aller Kaltblütigkeit hat man einen Schlag ins Wasser ausgeführt. Sie haben doch hier Möglichkeiten gehabt, mit einer ganzen Reihe von jungen Leuten zu verkehren und sich also zu überzeugen, was diese Leute sagen, um aus dem, was nun als die traurigen Trümmer geblieben ist, die Grundlagen für etwas Positives zu gewinnen.

Als ich hier, nachdem neulich die erlauchte Versammlung zu Ende war, mit den jungen Leuten zusammensaß [am 14. Februar], da haben die ihre wissenschaftlichen Schmerzen vorgebracht, wollten wissen, was sie als Anthroposophen gegenüber der Wissenschaft zu tun haben. Die jungen Leute sind völlig wild. Sie müssen ihnen das klarmachen: Die Möglichkeit muß geschaffen werden, daß eine solche freie Hochschule befähigt wird, Doktordiplome auszustellen. Das ergibt sich als eine der Aufgaben für die Anthroposophische Gesellschaft, daß etwas gemacht wird mit diesem « Bund für freies Geistesleben », daß er nicht Fiasko macht. Dazu braucht man die jungen Leute. Das können Sie nicht mit den alten Tanten machen, das können Sie nur mit den jungen Leuten machen. Dann müssen Sie auch die jungen Leute für die Anthroposophische Gesellschaft haben. Gegenwärtig ist kein Herz da für die Anthroposophische Gesellschaft. Ich habe das Gefühl, den jungen wäre es am liebsten, wenn es gar keine Gesellschaft mehr gäbe.

Nicht wahr, es kann sich das nur dann ergeben, wenn Sie imstande sind, mit Bezug auf diese jungen Leute wirkliche Begeisterung zu erwecken. Das große Fiasko war dies, daß keine Begeisterung erweckt worden ist. Sie müssen bei den jungen Leuten Begeisterung erwecken. Die Jugend geht mit, wenn Begeisterung erweckt wird. Die nationalistische Universitäts-Torheit hat die Jugend hinter sich, weil sie eben Begeisterung erweckt hat. Wenn aber die Genialität dazu verwendet wird, trockene Theorien vorzutragen, dann wird die Jugend nicht mitgehen. Schwung muß in der Anthroposophie sein ! Warum ist das so in Stuttgart, daß die Genialität nicht benützt wird ? Daß man sich sträubt, den Willen zu aktivieren, um den Kopf zu benützen ? Warum ist das Sitzorgan das Wirksamste, und warum will die Seele nicht herauf in den Kopf ?