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Richter als Vertreter des Einheitsstaates
Quelle: GA 194, S. 225-231, 3. Ausgabe 1983, 15.12.1919, Dornach
Eine zweite Strömung in dem Knäuelwickel ist die Staats- oder Rechtsströmung. Da ist der Knüppel in unserer Kultur, die zweite Strömung. Wenn sie der Mensch heute äußerlich anschaut, wenn er sich äußerlich mit ihr bekannt macht, da sieht er sie, wenn unsere ehrwürdigen Richter auf ihren Richterstühlen mit den Geschworenen sitzen und über die Verbrechen oder Vergehen richten, oder wenn die Verwaltungsbeamten in ihrer Bürokratie walten über unsere zivilisierte Welt hin, zum Verzweifeln derjenigen, die so verwaltet werden. Alles dasjenige, was wir Jurisprudenz, was wir Staat nennen, und alles, was in Verbindung von Jurisprudenz und Staat als Politik entsteht, das ist diese Strömung.
Woher kommt dies? Allerdings geht das auch auf Mysterienkultur zurück. Es geht zurück auf ägyptische Mysterienkultur, die durch die südlichen europäischen Gegenden gegangen ist, und die dann durchgegangen ist durch das nüchterne, phantasielose Wesen der Römer, sich verbunden hat im phantasielosen Wesen der Römer mit einem Seitenast des orientalischen Wesens und da das katholische Christentum beziehungsweise das katholische Kirchentum geworden ist . Dieses katholische Kirchentum, das ist im Grunde genommen, wenn auch etwas radikal gesprochen, auch eine Jurisprudenz. Denn von einzelnen Dogmen bis zu jenem gewaltigen, großen Gerichte, das immer als «Jüngstes Gericht» dargestellt wurde durch das ganze Mittelalter, wurde das ganz andersartige Geistesleben des Orients, da es den ägyptischen Einschlag hatte aus den Mysterien des Raumes, im Grunde genommen verwandelt in eine Gesellschaft von Weltenrichtern mit Weltenurteilen und Weltenbestrafungen und Sündern und Guten und Bösen: Es ist eine Jurisprudenz.
Und wir haben das Suchen nach einem freien Geistesleben schon in Goethe, der nichts mehr wissen will von dem letzten Nachklang der römisch-katholischen Jurisprudenz in dem, was man Naturgesetz nennt. Fühlen Sie ebenso, wie in dem schäbig gewordenen Talar und in den sonderbaren Mützen, die noch die Richter aus der alten Zeit haben - heute machen sie Petitionen, daß sie das ablegen können -, fühlen Sie ebenso in der Naturwissenschaft, in dem Naturgesetze, «Gesetz», das juristische noch drinnen! Denn der ganze Ausdruck «Naturgesetz» hat zum Beispiel der Goetheschen Naturwissenschaft gegenüber, die nur mit dem Urphänomen, die nur mit der Urtatsache arbeitet, keinen Sinn. Da ist zum ersten Mal radikal angekämpft - aber natürlich ist das alles in dem Beginn geblieben -, das war der erste Vorstoß nach dem freien Geistesleben: die Goethesche Naturwissenschaft.