Besitz-Kreislauf durch Schenkung statt Vererbung der Produktionsmittel

Quelle: GA 329, S. 131-133, 1. Ausgabe 1985, 02.04.1919, Basel

Da muß vor allen Dingen genommen werden dem politischen Staate die ganze Regelung der Währung. Währung, Geld kann nicht mehr etwas sein, was dem politischen Staat untersteht, sondern etwas, was in den Wirtschaftskörper hineingehört. Was wird dann dasjenige sein, was der Repräsentant des Geldes ist? Nicht mehr irgendeine andere Ware, die eigentlich nur eine Luxusware ist und deren Wert auf menschlicher Einbildung beruht, das Gold, sondern dem Gelde wird entsprechen - ich kann das nur andeuten, Sie werden es nächstens in meinem Buche über die soziale Frage, das in ein paar Tagen erscheinen wird, ausgeführt finden -, dem Gelde wird entsprechen alles dasjenige, was vorhanden ist an brauchbaren Produktionsmitteln. Und diese brauchbaren Produktionsmittel, sie werden so behandelt werden können, wie sie eigentlich behandelt werden sollen im Sinne des modernen sozialen Denkens, sie werden so behandelt werden können, wie man heute nur dasjenige, was man in unserer Zeit als das schofelste Eigentum ansieht, behandelt.

Was gilt in unserer Zeit als das schofelste Eigentum? Na, selbstverständlich das Geistige, das geistige Eigentum. Von dem weiß man in unserer Zeit, daß man es hat von der sozialen Ordnung. Ja, wenn man ein noch so gescheiter Mensch ist, wenn man noch so viel leisten kann, noch so schöne Sachen hervorbringt, gewiß, den Anlagen entspricht es, manchem anderen auch noch, aber insofern man es verwertet im sozialen Organismus, insofern hat man es vom sozialen Organismus. Deshalb ist es gerecht, daß dieses Geistesgut nicht bei den Erben verbleibt, sondern wenigstens nach einer Anzahl von Jahren in den sozialen Organismus übergeht, Gemeineigentum wird, verwendet werden kann von dem, der dazu durch seine individuellen Fähigkeiten geeignet ist. Dieses schofelste Eigentum, das geistige Eigentum, wird heute so behandelt. So wird in der Zukunft behandelt werden jedes sogenannte Eigentum. Nur wird es viel früher übergehen müssen in das Gemeineigentum, so daß derjenige, der dazu die Fähigkeiten hat, diese Fähigkeiten an diesem Eigentum wiederum im Sinne des Nutzens und Zweckes des sozialen Organismus einbringen kann. Deshalb habe ich in dem Buch, das in ein paar Tagen erscheinen wird, gezeigt, wie es notwendig ist, daß die Produktionsmittel nur so lange bei der Leitung eines Menschen bleiben, als die individuellen Fähigkeiten dieses Menschen die Leitung dieser Produktionsmittel rechtfertigen, daß alles dasjenige, was profitiert wird auf Grundlage der Produktionsmittel, wenn es nicht wiederum hineingesteckt wird in die Produktion selbst, übergeleitet werden muß an die Allgemeinheit. Durch den geistigen Organismus kann derjenige aufgesucht werden, der im Sinne seiner individuellen Fähigkeiten das für die soziale Gemeinschaft weiterleiten kann.

Es ist, wenn man wirklich aus dem Leben heraus diesen sozialen Organismus kennengelernt hat, nicht so einfach, diese moderne Forderung zu erfüllen, die Produktionsmittel nicht mehr in das Privateigentum zu übergeben, damit sie in diesem Privateigentum bleiben. Es müssen aber die Mittel gefunden werden, wodurch dieses Privateigentum allen Sinn verliert, so daß dann der sogenannte Privateigentümer nur der zeitweilige Leiter ist, weil er die Fähigkeiten hat, die Produktionsmittel durch seine Fähigkeiten zum Wohle der Gemeinschaft am besten zu verwalten.

Wenn auf der einen Seite das Arbeiterrecht in dem politischen Staate geregelt wird, wenn auf der anderen Seite der Besitz so in wahrem Sinne des Wortes ein Besitz-Kreislauf wird, dann wird ein freies Vertragsverhältnis über die gemeinschaftliche Produktion zwischen Arbeiter und Arbeitsleiter erst möglich sein. Arbeiter und Arbeitsleiter wird es geben, Unternehmer und Arbeitnehmer nicht mehr.