Lex Bos

* 1925  2005

In der Rubrik Themen wird der Stand der Diskussion über den Beitrag von Lex Bos zur sozialen Dreigliederung wiedergegeben. Hier finden Sie hingegen eine Liste seiner Texte zur sozialen Dreigliederung.

Lex Bos (auch A. H. Bos, bzw. mit Vollnamen Alexander Hector Bos)

Fachlich

Lex Bos war Sozialwissenschaftler und Organisationsentwickler. Einem kurzen Versuch, Ökonomie zu studieren, folgte ein Studium der „Sozialen Geographie“ in Amsterdam. Danach arbeitete er acht Jahre lang in einem „konventionellen“ Beratungsbüro für Betriebseffizienz/-rationalisierung und wechselte dann in das von Bernard Lievegoed begründete NPI (Niederländisches pädagogisches Institut). Dort arbeitete er 33 Jahre als Unternehmensberater. Auch nach der Pensionierung blieb er im und für das Institut tätig. Bos war Mitbegründer der Triodos-Bank in Zeist. – Ein Schwerpunkt seiner Arbeit lag im Aufbau anthroposophischer Initiativen in Brasilien. Seine Kurse und Seminaren bildeten den Impuls für verschiedene Schulgründungen, und er baute zusammen mit Ute Craemer (der Begründerin der Sozialarbeit in der Favela Monte Azul im Sao Paolo) ein landwirtschaftliches Zentrum auf.

Bos' kreative Leistung und sein Herzensanliegen war die Entdeckung der dynamischen Urteilsbildung.

Menschlich

Seine ersten zwei Lebensjahre wuchs Lex Bos in Indonesien auf, dann zog die Familie nach Holland um. Dort besuchte er eine Montessori-Schule. Während der deutschen Besatzung der Niederlande macht er sein Abitur. Er gab eine illegale Zeitung heraus und musste deshalb 1945 für einige Monate untertauchen. Schon im Alter von 16 Jahren erwachte, vermittelt durch seine Eltern, sein Interesse an der Anthroposophie. In einer kleinen Arbeitsgruppe wurden anthroposophische Werke studiert, u.a. „Die Kernpunkte der sozialen Frage“ und der „Nationalökonomische Kurs“. Nach einigen Jahren gemeinsamen Studiums – 1954 – begann die Gruppe sich zu fragen, wo sie mit ihrem Wissen in der Welt tätig werden könnte. Genau zu diesem Zeitpunkt suchte Bernard Lievegoed Menschen, mit denen er ein Institut, das NPI (Niederländisches Institut für Organisationsentwicklung; Instituut voor Organisatieontwikkeling) gründen könnte. Einige Mitarbeiter der Gruppe bildeten ihr Leben lang den Grundstamm des Instituts, u.a. auch Lex Bos. Lange Jahre (1963-1975; 1986-1992) arbeitete er im Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft mit. Als Folge dieser Arbeit kam es auch zu intensiven Auseinandersetzungen mit Arbeitsformen am Goetheanum/Dornach, die er versuchte, aufgrund seiner Erfahrungen mit Gruppen, zu erneuern.

Lex Bos liebte die Musik und spielte sein Leben lang Cello in verschiedenen Formatinen. Er empfand sich in seiner Arbeit als „Sozialmusiker“.

Zitate

Lex Bos [1992] Was ist Dreigliederung des sozialen Organismus?

Viergliederung

S. 19: Im Leitbild der sozialen Dreigliederung gibt es keine zentrale Koordinierung, kein viertes Glied, das die anderen drei steuert. Dasjenige, was Zusammenhang schafft, ist der Mensch selbst. Er ist in allen drei Gliedern anwesend. Und indem er den Zusammenhang zwischen den Gliedern schafft, wächst sein soziales Bewußtsein.

Lex Bos [2005] Sternstunden im Geistigen, Interview

Dynamische Urteilsbildung

S. 164: „Die Dynamische Urteilsbildung ist meine persönlichste Leistung.

S. 156: Ich habe mich vor allem auf den inhaltlichen Prozeß gestützt und alles Zwischenmenschliche und Gruppendynamische zunächst ausgeklammert.

S. 130-131: Ich erklärte gleich zu Beginn meines Buches zu diesem Thema, daß ich die menschlichen Beziehungen ausklammern werde. Die Arbeit handelte also von Urteilsbildung in Gruppen, aber die interaktive Dimension ließ ich völlig außen vor. [...]

Der Bereich, in dem es seelisch unüberschaubar und turbulent wird, behagte mir nicht [...].

S. 154: Inhaltlich bewegte mich immer wieder die Frage: Was gibt einem Unternehmen Kohäsion, was gibt ihm inneren Zusammenhalt? Die Menschen streben doch auseinander, jeder will etwas anderes. Also muß es eine Kraft geben, die inneren Zusammenhang schafft. [...] Und ich entdeckte, daß solche gemeinsamen Werte immer dann zur Sprache kommen, wenn die Menschen um Entscheidungen ringen.

S. 161-162: Erst später ist mir in der Einleitung zu Rudolf Steiners ‚Die Philosophie der Freiheit‘ aufgefallen, daß er dort aussagt, daß alle Aussagen seines Buches aus einer zweifachen Frage resultieren. [...] Die ersten sieben Kapitel unter der Überschrift ‚Wissenschaft der Freiheit‘ beschreiben den Erkenntnisweg, die zweiten sieben Kapitel unter der Überschrift ‚Die Wirklichkeit der Freiheit‘ den Entscheidungsweg. Beide Abschnitte stützen sich jeweils auf zwei Säulen: Auf der Erkenntnisseite geht es um Wahrnehmen und Denken, auf dem Entscheidungsweg um Motiv und Triebfeder; in der Dynamischen Urteilsbildung habe ich letzteres Ziele und Wege genannt, was im Wesen das gleiche ist.

S. 160: Martin van den Broek war [...] derjenige, der den Namen ‚Dynamische Urteilsbildung‘ gebildet hat.“

Wirtschatliche Assoziationen

S. 133-134: „Bei der Beschäftigung mit Fragen der sozialen Dreigliederung faszinierte mich von Anfang an die Idee der Wirtschaftsassoziation. [...] Freie Schulen und Freie Kunststätten gab es schon, aber ich träumte von einer Freien Handelsakademie, in deren Zentrum der Assoziationsbegriff steht. [...] Leider kam diese Akademie aber nie zustande [...] Ich bin weder Händler noch Kaufmann noch Geschäftsmann, stehe also nicht im Wirtschaftsleben. So ein Projekt muß aber von Menschen getragen werden, die mitten im Wirtschaftsleben stehen.“

Viergliederung

S. 155: „Bildgestaltung, Urteilsbildung, Beschlußfassung. Das gliedert sich wie Denken, Fühlen und Wollen. Vor diese drei Schritte haben wir noch [im NPI] einen weiteren eingeführt, nämlich die Gruppenbildung. Gruppenbildung hat mit Wärme, Bildgestaltung mit Licht, Urteilsbildung mit Bewegung und die Beschlußfassung mit Form zu tun. Damit hatten wir die gesamte Evolution beschrieben, wie Rudolf Steiner sie für die Entwicklung der Erde – von der Wärme bis zur Materie – darstellt.“

Kausalitätsgesetz

S. 166: „Für uns [im NPI] war es immer grundlegend, in den Unternehmen sowohl an den Fähigkeiten als auch an den Formen zu arbeiten. Es gibt Seminarbetriebe, in denen nur Ausbildung betrieben wird. Aus diesen strömen die Menschen dann voller neuer Ideen in die Unternehmen zurück und stoßen dort wieder auf die alten Formen — und nach einiger Zeit zeigt sich dann, daß sich nichts verändert hat. Und wenn man bei der Umstrukturierung in einem Unternehmen nur die Formen ändert, diese aber nicht mit Leben erfüllt, dann wird man erleben, daß die geschaffenen Formen nach einiger Zeit verwässern. Die alten Formen werden dann wieder hochkommen. Deshalb besteht unser Leitmotiv darin, immer mit den Menschen an ihren Formen zu arbeiten, damit durch diese Arbeit neue Fähigkeiten entwickelt werden können.“

Lex Bos [2005] Sozialmusiker, Interview

Sozialsektion für Sozialwissenschaften

S. 30-32: „Nach [Witzenmann] übernahm Schmidt-Brabant die Fahne und versammelte um sich einen Menschenkreis, mit dem er die Sektion weiterführen wollte und zu dem auch ich gehörte. Über mehr als 20 Jahre hinweg fand zweimal jährlich ein Treffen statt. Schmidt-Brabant holte sich eine ganze Reihe NPI-Kollegen in das Sektionsgremium [...].

Die Arbeit hatte manchmal etwas von einem Leidensweg, denn es gelang uns nicht, NPI-Qualitäten in die Sektion einfließen zu lassen. Wir plädierten für eine Erneuerung der sozialen Formen: mehr Gruppenarbeit, echte Gesprächskultur, Üben und Auswerten; aber all das war Schmidt-Brabant eher fremd. Er war kein guter Zuhörer und schien nicht an Gesprächen interessiert. [...]

Bisher hatte man freies Geistesleben mehr oder weniger gleichgesetzt mit formlosem Geistesleben. Das alte Prinzip lautete: erst der Vortrag, dann die freie Aussprache. Die sogenannte freie Aussprache bedeutete aber meist nichts anderes, als daß keiner dem anderen zuhörte und jeder sagte, was ihm eben in den Sinn kam. [...]

Die Angst vor der Gruppenarbeit bestand vor allem in der Furcht, ein Teil des Tagungsprozesses könne sich dem Blick der Leitung entziehen. Im großen Plenum konnte man jederzeit eingreifen und alles unter Kontrolle behalten. Im Grunde war es die Furcht vor Erneuerung; denn wenn Menschen in kleinen Gruppen wirklich miteinander ins Gespräch kommen, entsteht daraus immer etwas völlig Neues.“

Menschenkunde

S. 38: „Der Begriff Menschenerkenntnis umfaßt sehr viel: Das Bild des dreigliedrigen Menschen durchdringt alle Bereiche, aber auch der viergliedrige Mensch, die sieben Lebensprozesse, die zwölf Weltanschauungen und vieles mehr sind grundlegend wichtig; all das muß menschenkundlich aufgedeckt werden und kann Quelle werden, um sozialgestalterisch zu wirken.“