Versager wollen von einander lernen

10.07.2002

Jetzt ist die Pisa-E-Studie, der innerdeutsche Schulleistungsvergleich, heraus und das öffentliche Debakel war vorherzusehen: Es wird verglichen und Schlüssen gezogen, unter dem Motto "was können wir von den "leistungsstarken" Bundesländern lernen?". Ganz besonders tut sich hier die Lehrmeisterseite auf, mit dem einfachen Rezept: Wählt schwarz und es wird werden. Diesen Weg zu beschreiten ist irrsinnig, denn jetzt ist klar: alle Bundesländer sind Versager, und dass ein Land wie Bayern, mit seiner Notenrute, Pauken und dem Degradierungssystem das Beste aus seinen Schülern herausprügeln könnte, wußten wir doch alle schon vorher. Fest steht, dass die Schwarze Schule eben nicht mal Mittelmaß zu Tage gefördert hat. In internationalem Rahmen ist Bayern das Bremen Kanadas oder Finnlands.

Selbst die bayerische Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), die sich im derzeitigen Klima auf die Schultern klopfen könnte, zieht den Schluß, dass "der Unterschied zwischen den Leistungen der Bundesländer geringer ist als der Abstand, der Deutschland insgesamt von den Pisa-Spitzenstaaten trennt. Für Leistungsunterschiede zwischen den deutschen Ländern sind primär ökonomische, soziale und kulturelle Bedingungen verantwortlich, weniger bildungspolitische und pädagogische Merkmale".

Bei der Pisa-E-Studie ist die Frage deshalb weniger, was man von einander lernen kann, sondern was man nicht von einander lernen kann. Für die erste Frage sollte man seinen Blick ins Ausland richten und lernen, wie Nationen mit der Formel Freiheit der Lehreinrichtung und sozialer Gleichheit ohne Selektion Erfolg haben konnten. Für die zweite Frage ist die Pfuscherei der Politiker aufzudecken, die jetzt als Quacksalbermedizin ans Volk verkauft werden soll.

Die Pisa-E-Studie läßt keinen Schluß zu, ob beispielsweise Zentralklausur gut ist, oder ob das dreigeteilte Schulsystem, mit Gymnasium, Haupt- und Realschule, Schüler fördert. Lehrpläne können keine Gütesiegel erhalten, weil lediglich drei, freilich zentrale, schülerische Leistungen getestet wurden. Sachsen hat in den letzten Jahren beispielsweise im Lehrplan gezielt diese Leistungen prioritiert, zu Lasten von anderen Disziplinen. Auch hilft die Problematisierung von Einwandererkindern nicht weiter, sollte deren fremde Muttersprache doch vielmehr als Chance für den sprachlichen und kognitiven Erfolg gesehen und genutzt werden.

Der größte Trugschluß, zu dem die Pisa-E-Studie verleiten könnte, wäre zu meinen, dass die Bildungsmisere politisch ausgearbeitet und ausgestaltet werden soll. Spätestens jetzt sollte klar sein, dass hier die Schüler von Wölfen gehütet werden, die eine totalitäre Herrschaft über unmündige Kinder ausüben - mit Folgewirkungen, die die Pisa-E-Studie nur oberflächlich aufdeckt.

Das Prinzip der verwalterischen und pädagogischen Freiheit muß dem Kindesmissbrauch der Territorialfürsten ein Ende setzen, die unter dem Deckmantel der föderalen Bildungsautonomie selbstsüchtig und machthungrig deren Kompetenzbereiche durchreglementieren. Wenn für alle Freiheitsliebenden der Zentralismus als Schreckensgespenst gilt, muß der Fall Bildungsföderalismus eines anderen belehren: Blutrünstig stürzen sich Regionalfürsten auf ihre Kompetenzbereiche und ersticken die Freiheit, angespornt vom politischen Wettkampf.

Hier ist der Wissenschaftsministerin in Thüringen, Dagmar Schipanski, entschieden zu widersprechen, die in ihrer Eigenschaft als amtierende Kultusministerkonferenz-Präsidentin die Länder zum "föderalen Wettbewerb" auffordert und in das diffenzierte Bild der Schulsysteme einen Vorteil sehen will. Das Loblied auf die bunte Vielfalt der Schulsysteme ist pervers, wenn dies auf Kosten der bunten Vielfalt der einzelnen Schulen, Lehrkräfte und Pädagogen geht.