KirchMedia und die Verflachung des Fernsehens

17.04.2002

Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin (SPD) sieht vor dem Hintergrund des Insolvenzantrags der KirchMedia AG den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Gefahr. ARD und ZDF müssten angesichts einer möglichen Übernahme von Kirch durch Silvio Berlusconi oder Rupert Murdoch sowie der zunehmenden Verflachung des Privatfernsehens gestärkt werden, sagte der für die Medienpolitik des Bundes zuständige Nida-Rümelin am Mittwoch in einer aktuellen Stunde des Bundestages.

Deutschland habe das beste frei empfangbare Fernsehen der Welt, sagte Nida-Rümelin. Dies habe Kirch bei seinen Pay-TV-Plänen offenbar falsch eingeschätzt. Durch die zunehmende Überalterung der Zuschauer sowie die "Werbevermüllung" drohe der öffentlich-rechtliche Rundfunk jedoch an den Rand gedrängt zu werden, sagte der Staatsminister.

Nida-Rümelin forderte zusätzliche Garantien für die Staatsferne des Rundfunks. Vor der Möglichkeit eines Einstiegs des italienischen Medienunternehmers und Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi bei Kirch müsse hier über zusätzliche Bestimmungen nachgedacht werden. Der bayerische Wirtschaftsstaatssekretär Otto Wiesheu (CSU) warf Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) vor, die Probleme bei Kirch mit voreiligen Äußerungen verschärft zu haben.

Über Geschmack läßt sich bekanntlich streiten. Aber egal wie man es dreht und wendet: Die Behauptung, Deutschland habe das beste Fernsehen der Welt, ist gewagt. Wenn Nida-Rümelin im öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Hauptstütze der Medienqualität offensichtlich sieht, und diese stärken will, um der Verflachung durch den privaten Sender entgegenzuwirken, ist es fraglich, ob dies so richtig ist. Warum kehrt die neue Zuschauergeneration den öffentlich-rechtlichen Sendungen zunehmend den Rücken und greift zur "flachen" Berieselung? Wohl weniger, weil der Mensch niveaulos ist, als viel mehr, weil die öffentlich-rechtlichen Sendungen, trotz ihres Eigenverständnisses, kulturell und politisch niveaulos sind.

Es ist nicht an mir zu sagen, welche Themenschwerpunkte sie wählen sollen, um wieder in der Gunst der Fernsehwähler zu steigen, aber anfangen sollten die öffentlich unterstützen Sendungen mit ihrer zentralen Entwicklungsblockade, nämlich der politischen Bremse.

Nida-Rümelin ortet beim Privatfernsehen die Gefahren für die Meinungsfreiheit durch politische Einflußnahme auf die Medien ganz falsch. Wenn Sendungen staatsnah sind, dann doch in erster Linie die öffentlich-rechtlichen Sendungen, wie die Bezeichnung schon selbst sagt. Direkte politische Meinungskontrolle wird zwar selten ausgeübt z.B. im Herbst wo Ulrich Wickert auf eine politische Landmine trat (Äußerung zu Bush als dem großen Bruder von Ossama-bin-Laden). Das Spektakel um den neuen ZDF-Intendanten belegt aber, dass das Parteibuch und Macht darüber entscheiden, welcher Biedermann von Politikern beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen in leitende Stellungen gewählt wird. Daraus kann nichts werden. Der Impuls der öffentlich-rechtlichen Sendungen ist ein politischer, kein kultureller. Zwischen Berlin und Hollywood wählt der Zuschauer letzteres - was ich ihm nicht verdenken kann.