Bundestag billigt Reform der Juristenausbildung

21.03.2002

Mit den Stimmen der Konservativen, Sozialisten und Grünen hat der Bundestag abschließend eine Reform der Juristenausbildung beschlossen. Die Zustimmung des Bundesrates gilt daher als sicher. Die Debatte im Bundestag war ausnahmsweise sachlich geprägt, was wohl daran liegt, daß die meisten Abgeordneten Juristen sind und selber unter der bisherigen Ausbildung gelitten haben.

Mit der Reform konzentriert sich die Ausbildung, die bislang vor allem auf angehende Richter zielte, verstärkt auf den Beruf als Rechtsanwalt. Die bisherige Ausrichtung stammt noch aus der Zeit vor 200 Jahren. Heute werden aber weniger als zehn Prozent der Juristen zum Richter, während eine breite Mehrheit rechtsberatend tätig ist.

Mit ihrem Vorschlag, die Anstellung als Richter von einer zweijährigen Tätigkeit in einem anderen Beruf abhängig zu machen, konnten sich Sozialisten und Grüne leider nicht durchsetzen. Dies wurde nicht Teil des Gesetzes, sondern steht nur in der Begründung, und bleibt daher unverbindlich. Dabei gehörte gerade dieser Punkt zu den besten des Gesetzentwurfs. Es wäre ein erster Schritt zum Richter im Sinne einer sozialen Dreigliederung gewesen, mit der nötigen Lebens- und Menschenerfahrung. Ein kleiner Schritt zwar, aber immerhin in die richtige Richtung. Die positiven Folgen hätten gezeigt, daß diese Menschenerfahrung nicht nur vor dem Beruf gesammelt, sondern auch regelmäßig aufgefrischt werden müßte.

Über die Ausrichtung auf den Anwaltsberuf hinaus sollen die Jura-Studenten nun verstärkt zur Fremdsprachen-Ausbildung verpflichtet werden. Anlaß dazu ist die Tatsache, daß in den europäischen und internationalen Organisationen kaum deutsche Juristen zu finden sind. Ob die Beherrschung einer Fremdsprache ausreicht, um etwas daran zu ändern, mag aber bezweifelt werden.

Das Hauptproblem der deutschen Juristen ist die Komplexität des deutschen Rechts. Nicht umsonst schlägt Deutschland in diesem Gebiet mit seiner Fachliteratur alle Weltrekorde. An dieser Hypertrophie des Rechts sind bisher alle Versuche gescheitert, das Jurastudium zu verschlanken. Zur Auseinandersetzung mit anderen Rechtsordnungen ist einfach keine Zeit mehr da. Es sei denn, das deutsche Recht wird von vornherein wie ein Recht unter anderen behandelt und auf dasjenige reduziert, was es am besten werden sollte. Bis dahin ist es vielleicht besser, wenn möglichst wenig deutsche Juristen in den internationalen Organisationen sitzen.

Das bei weitem wichtigste Element der Reform liegt aber in der neuen Aufteilung der Kompetenzen zwischen Universität und Justizministerium. Dreißig Prozent der Prüfungen sollen künftig in der Verantwortung der einzelnen Universitäten liegen. Dadurch soll der Wettbewerb zwischen den einzelnen Hochschulen verstärkt werden. Sie bekommen nämlich zum ersten Mal die Möglichkeit, neben der allgemeinen Grundausbildung eigene Schwerpunkte zu legen, die sie dann auch selbst abprüfen können.

Diese Entscheidung ist zwar halbherzig aber immerhin einmalig. Manche Abgeordneten - insbesondere bei den Liberalen - hätten den Universitäten mehr freien Raum gegönnt, scheiterten aber am Widerstand der Konservativen im Bundesrat. Von den angestrebten siebzig Prozent blieben letzten Endes nur die besagten dreißig Prozent übrig. Daß die allgemeine Grundausbildung herausgenommen wird, nimmt den Universitäten allerdings die Möglichkeit, gerade diesen Teil zu verschlanken, weil sie nicht darüber entscheiden können, was abgeprüft wird. Man kann nur hoffen, daß bald - und nicht erst in 200 Jahren - eine weitere Reform kommt, wo der Staat sich darauf beschränkt, diejenigen Juristen abzuprüfen, die er auch selber beschäftigt. Am besten wäre es, wenn die Richter gar nicht dazu gehören, sondern nur die Rechtsberater einer neuen Generation von Richtern, die höchstens einige Jahre Richter sind, um dann anschliessend wieder in ihren alten oder neuen Beruf zu wechseln.