Biopatentrichtlinie und Biopiraterie

22.10.2001

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die europäische Biopatentrichtlinie und damit auch Patente auf Leben für rechtens erklärt. Nach Ansicht des EuGH schützt das umstrittene EU-Gesetz den menschlichen Körper ausreichend vor gentechnischen Manipulationen und wahrt die Menschenwürde. Laut Urteil am 09.10.2001 können deshalb Abfolgen menschlicher Gene im Zusammenhang mit einem technischen Verfahren zur gewerblichen Anwendung patentiert werden.

Die EuGH-Richter in Luxemburg wiesen eine Klage ab, mit der die Niederlande die EU-Richtlinie zu Fall bringen wollten (Rechtssache C-377/98). Nach Ansicht des Gerichtshofes ist das EU-Gesetz auch für "das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes in diesem Bereich" unerlässlich. Die Niederlande hatten wegen grundsätzlicher Bedenken gegen die Vorgaben aus Brüssel geklagt und wollten die Fragen der Gentechnik mit nationalen Gesetzen regeln. Italien und Norwegen unterstützten die Klage.

Für nicht hinnehmbar hielten die Kläger die in der Richtlinie enthaltene grundsätzliche Pflicht zur Erteilung von Patenten. Weder Pflanzen noch Tiere noch menschliche Materie sollten nach ihrer Auffassung patentierbar sein. Als Hauptargument hatten sie laut EuGH die These angeführt, dass die Richtlinie vom 06.07.1998 die Erteilung von Patenten für isolierte Bestandteile des menschlichen Körpers erlaube und damit letztlich die Menschenwürde und das Grundrecht auf Unversehrtheit der Person verletze. Die Richter verwarfen diese Sichtweise. Sie hielten den Schutz der Grundrechte in der Richtlinie für ausreichend. Das EU-Gesetz sehe nämlich vor, "dass der menschliche Körper in den einzelnen Phasen seiner Entstehung und Entwicklung keine patentierbare Erfindung darstellen könne". Auch die Entdeckung von einzelnen Bestandteilen des menschlichen Körpers könne nicht geschützt werden. Der Patentschutz umfasse aber beim Menschen natürlich vorkommende biologische Daten, "soweit sie für die Durchführung und Verwertung einer besonderen gewerblichen Anwendung erforderlich" seien. Die Richtlinie stellt laut Urteil auch klar, dass alle Verfahren, deren Anwendung gegen die Menschenwürde verstießen, nicht patentiert werden könnten. Dies gelte etwa für das Klonen von Menschen, die Veränderung der genetischen Identität ihrer Keimbahn oder die Verwendung menschlicher Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken. "Nach Ansicht des Gerichtshofs fasst die Richtlinie das Patentrecht so streng, dass der menschliche Körper tatsächlich unverfügbar und unveräußerlich bleibt und die Menschenwürde gewahrt wird", hob der EuGH hervor.

Die grüne Europaabgeordnete Hiltrud Breyer kritisierte, der EuGH habe mit seinem Urteil "ein wesentliches Problem der Richtlinie nicht erkannt". Nach Darstellung der Gentechnikexpertin umfasst ein erlaubtes Patent für "Sequenzen oder Teilsequenzen menschlicher Gene" auch alle möglichen Anwendungsformen dieser Gen-Abfolgen. "Die bestehende Zweideutigkeit ist wesentlicher Grund, warum zahlreiche Mitgliedsstaaten sich derzeit nicht in der Lage sehen, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen", meinte Breyer.

Liegt die Patentierung des Menschen vorläufig im Grauzonenbereich, ist diese Grenze in der Pflanzenwelt schon längstens überschritten und droht den Garten Eden privatrechtlich zu parzellieren.

Greenpeace warnte anläßlich der UN-Konferenz zur Artenvielfalt und genetischen Ressourcen in Bonn, vor "Biopiraterie" am Beispiel der Sojabohne. So wolle sich der Saatgut-Konzern Monsanto mit einem Patent die weltweiten Vermarktungsrechte für eine ganze Reihe moderner Soja-Saaten sichern. Monsanto hat nach eigenen Angaben ein Gen in den Soja-Pflanzen entdeckt, das die Auswahl von leistungsfähigem Saatgut erleichtert. Somit sichern sie sich eine zentrale Eigenschaft der bislang allen Menschen zugänglichen Sojabohne, wie sie natürlicherweise in China vorkommt, und legen die Grundlage für eine Monopolstellung als Saatgutanbieter. Auch der traditionelle Basmati-Reis ist mittlerweile patentiert worden.

Die Menschheit hat die landwirtschaftlichen Pflanzensorten hervorgezüchtet und diese gehören legitimerweise der gesamten Menschheit, so wie sie jetzt vorkommen und so wie zukünftige Applikationen ausfallen mögen. Insofern ist die privatrechtliche Aneignung von Patenten Piraterie, und stellt einen eigentlichen geistigen Diebstal dar.

Die Bonner Konferenz ist aber weit davon entfernt, dieses Unrecht zu sehen. Zwar befürchten die Entwicklungsländer mit ihrem großen Artenreichtum zu Recht, dass sie durch Gen-Patentierungen von der Nutzung der genetischen Ressourcen ausgeschlossen werden. Umgekehrt warnen die Industrieländer vor einer Aushöhlung der international anerkannten Rechte über geistiges Eigentum. Was in Bonn angestrebt wird, ist deshalb ein Ausgleich für die Entwicklungsländer unter Beibehaltung und Erweiterung des geistigen Eigentums. So ist es Ziel des Bonner Übereinkommens, die gerechte Verteilung der Vorteile, die bei der Nutzung gentechnischer Ressourcen entstehen, und die Konvention formuliert, dass genetische Bestandteile von Lebewesen Rohstoffe sind, die international gehandelt werden können.

Das geistige Eigentum am Leben steht in Bonn nicht zur grundsätzlichen Diskussion. Bonn ist nur ein Ablasshandel, bei dem den Entwicklungsländern die Spreu zugestanden wird. Die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Gila Altmann (Grüne) formuliert den Verhandlungsgegenstand so: Es gehe darum, dass die Nutzer von genetischen Ressourcen - wie Pharma- und Agrarfirmen - einen gerechten Ausgleich leisten müssen. Dies könne finanziell oder auch über Technologie oder die Beteiligung an Forschung erfolgen.

Es ist eine Pervertierung, Geist und Leben zu Ware zu machen und dem Wirtschaftsleben zuzuschlagen, und es wäre nicht ohne Auswirkung auf den zwischenmenschlichen Bereich, das eigentliche Rechtsleben, wenn Leben handelbar wird: Wir stehen dann mit dem einen Bein in Sklaventum.