Gendiskussion noch unbefruchtet

25.06.2001

Die SPD-Spitze hält am geltenden Embryonenschutzgesetz fest. Auf dieser Basis sei der Import von und die Forschung an sog. pluripotenten embryonalen Stammzellen erlaubt, sagte SPD-Generalsekretär Franz Müntefering am 25.06. nach einer Sitzung des SPD-Präsidiums. Das Spitzengremium plädierte dafür, das Embryonenschutzgesetz in dieser Legislaturperiode nicht zu ändern. Das Präsidium empfahl der SPD-Bundestagsfraktion, gemeinsam mit den Grünen den Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion auf ein Verbot der Einfuhr von und der Forschung an pluripotenten embryonalen Stammzellen zurückzuweisen. Aus pluripotenten Stammzellen können Organe, aber keine Menschen gewonnen werden. Gleichwohl soll der Bitte des Nationalen Ethikrates an die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), nicht vor der Meinungsbildung im Rat zu entscheiden, entsprochen werden, betonte Müntefering. Außerdem werde daran festgehalten, dass Präimplantationsdiagnostik (PID) auf dieser rechtlichen Basis nicht erlaubt sei. Bevor Änderungen am Embryonenschutzgesetz erhoben würden, müsse es eine breite Debatte in der Zivilgesellschaft geben, bei der alle Aspekte des Themas und alle Akteure einbezogen werden sollten. Die CDU/CSU hatte vor Kurzem ein Verbot für den Import embryonaler Stammzellen sowie der Forschung an ihnen gefordert. Anlass für den Vorstoß der Union im Bundestag sind die umstrittenen Pläne des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement (SPD) für einen Stammzellenimport aus Israel. Das Moratorium solle bis zu einer abschließenden Entscheidung des Bundestages gelten, heißt es in dem Antrag. Ferner wurde die Bundesregierung aufgefordert, bis zu einem Beschluss des Parlaments sicherzustellen, dass kein Import von embryonalen Stammzellen nach Deutschland stattfinde, "deren Gewinnung die Tötung von Embryonen voraussetzt".

Embryonale Stammzellen sind in den ersten Tagen nach der Befruchtung - etwa bis zum Achtzeller-Stadium - totipotent, das heißt, aus ihnen kann noch ein ganzer Organismus entstehen. In der weiteren Entwicklung verfügen sie noch über die Pluripotenz, sich zu spezifischen Geweben und Zellen auszuprägen, wie etwa Leber oder Gehirn.

Der Debatte um das Embryonengesetz fehlt bislang jede seriöse Grundlage und es ist deshalb richtig, dass die Bundesregierung bei der bisherigen Gesetzeslage bleibt. Bundeskanzler Gerhard Schröder hat am 08.06. zur Auftaktsitzung des Nationalen Ethikrats eine "umfassende Information der Öffentlichkeit" über die Gentechnik angemahnt. "Nur eine Gesellschaft, die Bescheid weiß und offen über die Optionen diskutieren kann, ist in der Lage, Entscheidungen über eine Zukunftsfrage wie die Nutzung der Bio- und Gentechnik zu treffen und mitzutragen", sagte Schröder.

Eine öffentliche Diskussion kann aber nicht von Interessensorganisationen, wie Parteien, Kirche und Patientenverbänden geführt werden. Es fehlt auch ein vitales Geistesleben, das erstmal zentrale Fragen aufwerfen kann. Ohne eine Anthropologie oder -sophie, die die Frage beantworten kann, wann ein Organismus mit Seele oder Geist belebt ist, kann nicht beantwortet werden, ob "Tötung" von Embryonen Mord an einem Menschenwesen ist. Die Kirche weicht dieser Antwort aus, mit dem Dogma von Gottes Schöpfung durch die Empfängnis, und kann damit nicht das Geistesleben repräsentieren.

Leider wird auch verkannt, dass die Embryonen, die bei einer künstlichen Befruchtung übrigbleiben, so oder so vernichtet werden, egal, ob sie für die Forschung genutzt werden oder nicht. Bei einer Reagenzglasbefruchtung werden gleich mehrere Eier befruchtet, um die Chance eines Erfolgs zu erhöhen, aber nur ein Ei wird (i.d.R.) implantiert. Der Rest wird vernichtet oder eben für die Forschung genutzt. Damit erfolgt übrigens eine Selektion, die zwar nicht bewußt auswählt, aber doch im Ergebnis auf dasselbe hinausläuft, wie die Präimplantionsdiagnostik, die man in breitem Konsenz unterbinden will, weil ungeeignete Embryonen aussortiert werden.