Nida-Rümelin und der Schutz der deutschen Sprache

11.02.2001

Politiker aller Parteien haben sich dafür ausgesprochen, die deutsche Sprache stärker vor dem Einfluss anderer Sprachen zu schützen. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse von der SPD ruft zum gesellschaftlichen Widerstand gegen "Sprachverhunzung" auf. Was vor allem in den Medien "an sprachlich-moralischer Verluderung stattfindet, ist immer schwerer zu ertragen." Thierse setzt sich dafür ein, daß Anglizismen und Amerikanismen auch in Behörden und Parlamenten zurückgedrängt werden. Thierses Stellvertreterin Antje Vollmer von den Grünen beklagt, daß "schrille, modische und expertenlastige Anglizismen" ohne Not "viele Menschen von der Verständigung" ausschliessen. Auch FDP-Chef Wolfgang Gerhardt kritisiert die "Flut von Anglizismen" in den Medien, der Werbung oder Produktbeschreibung. Sie seien "eine Gewalt, die nicht vom Volke ausgeht. Sie wird ihm aufgepropft." Der stellvertretende PDS-Vorsitzende Peter Porsch fordert ebenfalls mehr Selbstbewusstsein im Umgang mit fremden Spracheinflüssen. Bayerns Wissenschaftsminister Hans Zehetmair von der CSU zeigt Sympathie für ein Sprachschutzgesetz, wie es bereits in Frankreich existiert. Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen von der CDU plädiert für einen "kulturellen Verbraucherschutz".

Dagegen spricht sich Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin von der SPD gegen eine gesetzliche Regelung aus. "Wir brauchen kein "Sprachschutzgesetz" und damit keine "Sprachpolizei". Der Staat soll sich in den Prozeß, dem eine lebendige Sprache immer unterworfen sei, nicht einmischen. Nida-Rümelin warnt zugleich vor einer Ausgrenzung des Englischen, daß in den Naturwissenschaften, in der Technik und in der Wirtschaft Englisch zum internationalen Verständigungsmittel geworden ist. "Wer dagegen opponiert, der leugnet eine Realität. Mehr noch: er behindert den zunehmend globalen Austausch".

Statt über Anglizismen zu klagen, sollten deutsche Politiker in kulturellen Angelegenheiten lieber schweigen. Dies würde der deutschen Kultur so gut tun, daß sie bald wieder die Kulturwelt mit Germanismen überfluten würde. Ein Sprachschutzgesetz nach französischem Vorbild kann höchstens über die Unfruchtbarkeit der eigenen Kultur hinwegtäuschen. Das Ausland läßt sich aber nicht täuschen. Es sucht bei einer Erfindung erst einmal nach dem Erfinder.

Dies hat Nida-Rümelin erkannt und versucht seinen Kollegen klarzumachen. Dies hat er auch ziemlich geschickt gemacht, indem er mit dem Prinzip der "Nichteinmischung" zur Sprache der Außenpolitik gegriffen hat. Sprachen müssen ihre Souveränität gegen jede Staatseinmischung wahren. Und ganz nebenbei hat Nida-Rümelin seinen Kollegen vorgehalten, durch ihre Ablehnung des Englischen in der heutigen Welt schlecht integriert zu sein. Dies tut Politikern gut, die oft im Namen der Integration Ausländer dazu zwingen wollen, Deutsch zu lernen. Nida-Rümelin hat mit seinen Warnungen Recht: Wenn es eines Gesetzes bedarf, dann eines zum Schutz der Sprache vor den Politikern.