Ökolandwirtschaft und moderne Arbeitsteilung

10.01.2001

Die BSE-Krise veranlaßt die Regierung eine ganz neue Landwirtschaftspolitik zu machen. Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte heute, es sei "höchste Zeit" umzusteuern. Dies habe "von der Ladentheke auszugehen". Die Landwirte müssten produzieren, was an gesunden Nahrungsmitteln verlangt werde, und nicht, was sie verkaufen wollten. Schröder hob hervor, dass es die Fehlentwicklungen in der Landwirtschaft, der Lebensmittel-Industrie und beim Gesundheitsschutz seit Jahrzehnten gebe. Die Neuorientierung sei "gerade auch im Interesse der vielen Landwirte und bäuerlichen Familienbetriebe, die sich große Sorgen um ihre Zukunft machen". Die neue Agrarministerin Renate Künast soll der alten Landwirtschaftspraxis ein Ende setzen und das Vertrauen der Verbraucher mit der Umstellung auf eine naturnahe Landwirtschaft und Tierhaltung und Transparenz bei der Produktion und Etikettierung zurückgewinnen. Dabei hat Künast ein paar Leitgedanken entwickelt, dass nämlich, analog zum Reinheitsgebot des Bieres, in die Kuh nur Wasser, Gras und Getreide hereinkommen sollen, und dass der Bauer sein Futter selbst herstellen soll, um für seine Tiere garantieren zu können.

Der Präsident des Deutsche Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, sieht aber keine Notwendigkeit für einen inhaltlichen Richtungswechsel. Es gebe eine "Scheindebatte über Öko-Landwirtschaft hier und Industrie-Landwirtschaft dort". Zugleich warf er Schröder vor, er habe in seiner Amtszeit als Ministerpräsident Niedersachsens selber auf industrielle Landwirtschaft gesetzt, verurteile sie aber jetzt.

Eine neue Landwirtschaftspolitik soll herzlich begrüßt werden, aber Gerd Sonnleitner soll recht gegeben werden, dass mit einer Scheindebatte über Öko- kontra Industrielandwirtschaft kein konstruktiver Neuanfang geschaffen werden kann. Ökolandwirtschaft und Industrielandwirtschaft sind nur Gegensätze, wenn unter Ökolandwirtschaft eine autarke und überschaubare Wirtschaftseinheit gegenüber Nischen und masseproduzierenden Industriebetrieben verstanden wird, so wie es Künast polemisch darstellt.

Autarke Landwirtschaftsbetriebe können in der arbeitsteiligen Gesellschaft aber nicht das Ideal sein, und gerade dieses Problem ist eine Fallgrube, in die besonders die ökologischen Bauern hineinfallen. Der Bauer ist durch seine Beziehung zu Grund und Boden stärker mit dem alten Sozialimpuls verbunden, aber seine Einbindung in die industrialisierte Gesellschaft verlangt von ihm eine arbeitsteilige Einstellung.

Die Probleme mit Etikettenschwindel und Verseuchung der Futterzusätze sollten nicht von modernen Produktionsbedingungen der Bauern ablenken. Ein Bauer sollte weder Selbstversorger sein, noch eine allumfassende Produktpalette haben, sondern sich spezialisieren, Fremdprodukte ankaufen und in Massen produzieren, wobei nicht länger der Familienbetrieb das Ideal darstellen soll. Dann verläßt der Bauer seine Scholle und stellt sich vollständig in das soziale Leben, und erst dann wird er produktiv produzieren und ist nicht länger ein naturromantisches Subventionsobjekt für unsere technisierte Gesellschaft.