Unser Geld ist kein Spielgeld

12.09.2009

Am 5. September veranstaltete die CoOpera eine Tagung mit dem Thema „Unser Geld ist kein Spielgeld. – Wir brauchen ein Finanzsystem, das für die Wirtschaft da ist.“. Begleitet wurde die Veranstaltung von einer kleinen „CoOpera-Schau“ im Rahmen der LIFEfair-Messe, an der sich neben der CoOpera selber die Unternehmen Colora Seta AG, Ruckstuhl AG und Thymos AG beteiligten. An der Tagung machten gegen 50 Teilnehmer mit.

Ist die Finanz- und Wirtschaftskrise, wie sie ein NZZ-Redaktor noch vor einem guten Jahr einschätzte, nur ein reinigendes Gewitter, oder ist die fragende Haltung von Prof Janssen an einer Pensionskassenveranstaltung von Anfang September 2009 zutreffender: es sei ihm bei der Betrachtung der Märkte völlig unklar, ob man sich aus der oder in die Krise bewege. Wie bei der Einschätzung der aktuellen Entwicklung klaffen die Antworten auf die Frage nach den Ursachen der Krise stark auseinander. Waren die „demagogischen Regulierungen“ und die viel zu günstigen Zinsen schuld, wie Beat Kappeler meint, oder die fehlende Risikobereitschaft, wie Prof. Urs Müller vermutet? In der öffentlichen Diskussion waren die Gier der Manager und die daraus resultierenden Boni ein zentraler Faktor. Auf diesen kam auch Heinrich H. Wiemer zu sprechen, der aufgrund seiner Analysten-Laufbahn die Finanzbranche von innen kennt. Er lenkte den Blick in Abgründe der Motivationsentwicklung und einiger grosser Finanzinstitute. Er schilderte den drastischen Zerfall von Unternehmenskulturen, indem er in differenzierter Weise die Entwicklungen mehrerer grosser Finanzunternehmen unter ihren bekannt und teils berüchtigt gewordenen Führungspersönlichkeiten darstellte. Die Boni sind nicht das Übel, sondern das äussere Zeichen des Übels Motivationszerfall durch eine drastische Veränderung der Unternehmenskultur, die wiederum von exorbitanten Entlöhnungen der Topkader geprägt ist. Finanzielles Entgelt wird dann wichtig, wenn die Aufgabe selber nicht motiviert. Gerade dadurch, dass H. Wiemer nicht als Ankläger oder Vertreter einer bestimmten Philosophie auftrat, sondern nüchtern Fakten darstellte, wurde die Dramatik der Entwicklung unterstrichen. Angesichts der dargestellten Vorgänge an der oder jenseits der Grenze des Legalen überraschte die Frage eines Teilnehmers nicht, weshalb denn hier kein Staatsanwalt zum Rechten sehe.

Matthias Wiesmann hat diese Tagung mit dem Ziel initiiert, die Ursprünge der Krise besser verständlich zu machen und Handlungsalternativen zu entwickeln. Ein ähnliches Anliegen vertrat Udo Herrmannstorfer, der mahnte, dass wir nicht Betrachter des Geschehens bleiben dürften, sondern bewusst Beteiligte bzw. Gestaltende sein müssten. Ähnlich wie in der Salutogenese müssten aber drei Voraussetzungen erfüllt sein: die Durchschaubarkeit, die Handelbarkeit und die Sinnhaftigkeit. Diese sind in den Tätigkeitsbereichen von drei im Finanzbereich tätigen Organsationen, die sich vorstellten, erfüllt: Oikocredit (H. Wiemer), die Alternative Bank Schweiz (Thomas Bieri) und die Freie Gemeinschaftsbank (Rainer Menzel). Auch wenn sie an finanzwirtschaftlichen Masstäben gemessen Zwerge sind (zusammen mit der CoOpera kaum mehr als 2 Mrd. CHF Bilanzsumme), lohnt es sich, deren Denk- und Handlungsansätze zu studieren.

Schön wäre es, wenn das grüne oder faire Konto die Antwort auf alle Probleme wäre und wir uns nicht weiter mit den schwierigen Zusammenhängen beschäftigen müssten. Zwangsläufig sind aber Antworten, wie sie von den drei Einrichtungen und der CoOpera real gegeben werden, im komplexen Geschehen der Wirtschaft immer nur Teilantworten.

Udo Herrmannstorfer trat deshalb einen Schritt zurück, um die Geld- und Kapitalprozesse aus etwas grösserer Distanz in ihrer Gesamtheit schildern zu können: In den Prozessen des Kaufens und Verkaufens entsteht Kapital, dieses kann – als Kredit oder Beteiligung – übergehen zu dem, der mit einer produktiven Idee in den Prozess der Wertschöpfung einsteigt. Dessen Prozess beginnt mit Verschuldung. Die Produktivität der Idee macht es möglich, die Schuld zurückzubezahlen. Aber wem gehört letztlich das Mehr, das durch die Produktivitätsfortschritte entsteht? Die Frage ist heute schnell beantwortet: den Teilhabern, d.h. den Shareholders. Sie sind finanziell-rechtlich gesehen Teilhaber, nehmen heute aber mehrheitlich an den realen Wirtschaftsprozessen nicht teil. Dadurch ist angelegt, dass Geldinteressen (Shareholder-Value) und Realinteressen (z.B. Unternehmer- und Investoreninteresse) auseinanderklaffen. Nicht die Idee sucht Kapital, sondern das Kapital sucht Anlagemöglichkeiten. Durch Regulierung allein lassen sich die „Nebenwirkungen“ dieser umgekehrten oder verkehrten Suche (an der zwangsläufig auch die CoOpera als Pensionskasse beteiligt ist) nicht beseitigen. Wir müssen die Fragen grundsätzlich stellen und beantworten: Wie ist eine gesunde Kreditgewährung zu gestalten? Wie gehen wir um mit der gewaltigen Produktivität der Wirtschaft, wie werden die (Ver-)Teilungsverhältnisse gestaltet? Wie verhindern wir das Auseinanderdriften von Geld- und Realwirtschafts-Sphäre?

Von mehreren Teilnehmern wurden Bedürfnisse nach einer weiteren Arbeit an den angeschnittenen Problemstellungen geäussert. Die CoOpera wird die Teilnehmer und Teilnehmerinnen des 5. September informieren, wenn weitere Veranstaltungen geplant sind. InteressentInnen sind eingeladen, sich auf die Einladungsliste setzen zu lassen.