Uni Witten-Herdecke auf Schlingerkurs

08.03.2007

Erste Privatuni Deutschlands offenbar auf starken Finanzpartner angewiesen- Nach Gründungsrektor Schily warf jetzt auch Geschäftsführer Schrappe das Handtuch

Von NNA-Korrespondentin Cornelie Unger-Leistner

WITTEN-HERDECKE (NNA). Die Universität Witten-Herdecke kommt offenbar nicht mehr ohne finanzkräftigen Partner über die Runden. Der Sprecher der ersten Privatuni Deutschlands, Dirk Hans, bestätigte gegenüber NNA, dass die Universitätsspitze Gespräche mit dem Heidelberger Gesundheitskonzern SRH (Stiftung Rehabilitation) über eine „Kooperation“ beider Einrichtungen führt. Die SRH sei ein „Hoffnungsträger“ angesichts der schwierigen finanziellen Lage der Universität, sagte Hans. Gegenwärtig laufe eine „Sorgfaltsprüfung“ der SRH gegenüber der Universität. Diese Einsicht in die Bücher sei üblich, wenn Interesse an einem finanziellen Engagement bestehe. Dieses Interesse gehe über ein Sponsoring hinaus.

Bereits zweimal hatte eine Delegation der SRH die Universität Witten-Herdecke besucht. Der Senat der Universität habe für die Verhandlungen mit der SRH einstimmig grünes Licht gegeben. Man rechne bis zum Frühjahr mit einem Ergebnis der Prüfung durch die SRH. Hans widersprach Presseberichten, in denen vom „Kauf“ oder einer „Übernahme“ der Privatuni durch SRH die Rede gewesen war. Bei den Gesprächen gehe es darum, ein „neues Finanzierungsmodell“ für die Universität zu etablieren, die durch den erheblichen Anteil an Sponsorengeldern immer wieder von Geldsorgen geplagt werde.

Etwa ein Drittel des Etats der Privatuni muss immer wieder bei Sponsoren eingeworben werden. Bisher sei dies immer gelungen, auf Dauer handele es sich dabei nicht um ein verantwortungsvolles Finanzierungsmodell den 1200 Studenten und den Mitarbeitern gegenüber, betonte Hans. Durch die Auseinandersetzung der Universität mit dem Wissenschaftsrat ist die Einwerbung der Sponsorengelder offenbar auch erschwert worden, bestätigte Hans. Der Wissenschaftsrat hatte in einem Gutachten im Jahr 2005 die Medizinerausbildung, die das Herzstück der Universität darstellt, wegen mangelnder Forschungsaktivitäten kritisiert. Ein Jahr später war aufgrund von Nachbesserungen der Universität der Vorbehalt des Wissenschaftsrats zurückgenommen worden. Europaweit gilt das Herdecker Modell aufgrund der versorgungsnahen Ärzteausbildung als vorbildlich.

Immer deutlicher wird auch, dass in der Universitätsleitung kein Konsens über die weitere inhaltliche Strategie mehr herzustellen war. Nachdem Gründungsrektor Konrad Schily der Universität bereits Ende letzten Jahres wegen Differenzen über den Kurs den Rücken gekehrt hatte, hat im Januar jetzt auch überraschend der wissenschaftliche Geschäftsführer Prof. Matthias Schrappe Witten-Herdecke verlassen.

Gegenüber NNA wiederholte Schrappe seine bereits anderen Medien gegenüber geäußerte Formulierung, er habe wegen „tiefgreifender strategischer Differenzen“ über den Kurs der Uni Witten-Herdecke sein Amt niedergelegt. Es sei nicht üblich, nach dem Verlassen einer Geschäftsführerposition die Gründe dafür öffentlich bekannt zu machen. Schrappe hatte als Dekan der medizinischen Fakultät im Jahr zuvor das Konzept entwickelt, mit dem die Privatuni die Kritik des Wissenschaftsrats aus dem Feld geschlagen hatte. Schrappe sieht aber offenbar andere Probleme als Konrad Schily, denn er meinte weiter gegenüber NNA, auch die geplante Kooperation mit der Stiftung Rehabilitation enthebe die Privatuni nicht der Notwendigkeit, ihre eigene Strategie klar zu formulieren. „Sonst ist sie ein schwacher Partner,“ betonte Schrappe.

Gründungsrektor Schily, der seit 2003 dem Direktorium der Universität als Ehrenmitglied angehörte, hatte gegenüber der Süddeutschen Zeitung seinen Rückzug aus dem Unigremium mit der zunehmenden Kommerzialisierung der Universität begründet. Die Leitungsgremien betrachteten die Uni zunehmend nach betriebswirtschaftlichen Kriterien, die Professoren würden „immer stärker nur noch als Leistungserbringer gesehen, die Studenten nur noch als Kunden.“ Von der „Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden“ bleibe immer weniger übrig, sagte Schily der SZ.

Schily war aber offenbar auch bei der Reaktion auf die Kritik des Wissenschaftsrats an der Medizinerausbildung anderer Auffassung gewesen als der Rest des Leitungsgremiums. Hier betonte Schily gegenüber der SZ, das „Wittener Modell“ sei mit seiner Praxisnähe und dem Lernen am Patienten immer vorbildlich gewesen, nun solle es wieder mehr Frontalunterricht und mehr Quantität statt Qualität geben, indem mehr Professoren eingestellt würden und die Forschung aufgestockt werde. Aus diesen Gründen sei es Zeit gewesen, „den Weg für andere frei zu machen, die sich nun beweisen müssen“, so Schily. Die Privatuniversität hatte das Ausscheiden Schilys aus dem Direktorium bedauert.

Konrad Schily, der als FDP-Abgeordneter dem Deutschen Bundestag angehört, hatte zusammen mit dem damaligen Chef der Deutschen Bank, Alfred Herrnhausen, die erste deutsche Privatuniversität gegründet. Von 1983 bis 1999 stand der heute 69jährige Neurologe als Präsident an der Spitze von Witten-Herdecke. Mitte 2002 sprang er nochmals ein, als dieses Amt vakant wurde, als Wolfgang Glatthaar 2003 die Funktion übernahm, wechselte er als Ehrenpräsident ins Direktorium über. Dieses bezeichnete er gegenüber der SZ jetzt als „Aufsichtsrat“.

Prof. Matthias Schrappe übernahm im September 2005 das Amt des Dekans der medizinischen Fakultat und im Herbst 2006 nach der Auseinandersetzung mit dem Wissenschaftsrat dann die Position eines wissenschaftlichen Geschäftsführers der Universität. Zuvor war er am Universitätsklinikum in Marburg und in Köln tätig. Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen ist eines seiner Fachgebiete.

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