Jörg Haider und seine patriotischen Ortsschilder

09.01.2002

Der frühere Vorsitzende der österreichischen Freiheitlichen Partei (FPÖ) und kärntener Landeshauptmann (Ministerpräsident) Jörg Haider hat den Verfassungsgerichtshof scharf angegriffen. Die Forderung des obersten Gerichtes, in zahlreichen kärntener Ortschaften mit einer slowenischen Minderheit zweisprachige Ortstafeln aufzustellen, werde nicht verwirklicht, kündigte Haider am Dienstag in Klagenfurt an. "Der Verfassungsgerichtshof hat sich selbst blockiert", sei "hoffnungslos überfordert", "völlig konfus" und habe "einen Fehler nach dem anderen" gemacht, begründete Haider seine Aufsehen erregende Position.

Das höchste Gericht müsse "zurechtgestutzt" werden, damit es keinen "Missbrauch der Macht" mehr geben könne, drohte Haider, der in der FPÖ und damit in der österreichischen Regierung immer noch großen Einfluss besitzt. Am Vortag hatte es das Gericht abgelehnt, ein Amtsenthebungsverfahren gegen seinen Präsidenten Ludwig Adamovich einzuleiten. Haider hatte dem Richter "unwürdiges und unpatriotisches Verhalten" vorgeworfen. Daraufhin hatte Haider verlangt, Österreichs Verfassungsrichter müssten "auf das ihnen zustehende Maß zurechtgestutzt werden".

Die Lawine um slowenische Ortsschilder kam ins Rollen, als ein gewisser Rudi Vouk einen Strafzettel wegen überhöhter Geschwindigkeit bekam, als er mit 64 km/h durch die geschlossene Ortschaft St. Kanzian gefahren war. Er weigerte sich aber, das Knöllchen zu zahlen, mit der Begründung, er habe hier nicht 50 km/h fahren müssen, weil das Ortsschild "nicht gültig" sei. Von Rechts wegen nämlich, so Vouk, müsste das Schild auch den slowenischen Ortsnamen enthalten - juristisch gesprochen sei das Schild eine "Verlautbarung", und die gelte nur, wenn sie "ordnungsgemäß" erfolge.

"Ordnungsgemäß" geregelt ist im endlosen und komplizierten Streit um die slowenische Minderheit in Österreichs südlichstem Bundesland Kärnten bislang gar nichts, und so zog der Knöllchenstreit bis zum österreichischen Verfassungsschutz.

Der Verfassung nach müssen schon seit 1955 "die Bezeichnungen und Aufschriften topografischer Natur" in den Minderheitsgebieten zweisprachig sein. Umgesetzt wird die Vorschrift aber immer nur von Fall zu Fall. Als Bundeskanzler Bruno Kreisky sich 1972 mit 17-jähriger Verspätung an die Realisierung des Paragrafen machte, brach in Kärnten der "Ortstafelsturm" los: Wütende "Deutschkärntner" rissen die ungeliebten Schilder des Nachts wieder herunter.

Der Staatsvertrag erwähnt keine bestimmte Zahl im Zusammenhang mit den zweisprachigen Ortstafeln. In einem Gesetz aus dem Jahr 1976 ist festgelegt, dass bei mindestens 25% slowenischen Einwohnern zweisprachige Ortstafeln zu errichten sind. Von 96 Dörfern in Kärnten, in denen dies der Fall ist, haben nur 62 diese Tafeln bekommen, den 34 anderen wurden sie verweigert. Nun hat das Verfassungsgericht in Wien entschieden, dass in allen Gemeinden mit mehr als zehn Prozent slowenischer Bevölkerung zweisprachige Ortsschilder aufgestellt werden müssen, weil dies das richtige Maß ist

Dass der Jörgl gegen den Richterspruch wettert, ist auf der Linie mit seiner politischen Taktik, dass die Schildersturheit in Kärnten auf Zuspruch stößt ist aber ein Phänomen.

Für viele Kärntner, wie Haider, sind die Ortschilder auf irgendeine diffuse Weise ein Eingriff in die "Souveränität" Kärntens, und man übt sich in Paradenabwehr gegen vermeintliche großslowenische Faustrechte am Kärntner Boden oder Wiener Diktaten. Haider hat der Szenerie von Anfang an ihren Charakter aufgeprägt und man vernimmt im Ausland hellhörig sein nationalistisches Jodeln, das aber, passend zum Fasching, ehrlich gesagt eher unterhaltsam als entsetzlich ist. Ebenso wie er über den Verfassungsrichter Adamovich sagt, mit seinem Namen sollte man erstmal nach seiner Aufenthaltserlaubnis fragen.

Der Streit um die Rechte der slowenischen Minderheit in Kärnten ist in europäischem Vergleich eher paradox. Erstens: es ist schwer zu erkennen, welchen Vorteil die Slowenen durch zweisprachige Ortstafeln haben und zweitens: wo in Europa, mit seinen vielen Minderheiten, gibt es zweisprachige Ortschilder, und wie sieht es damit eigentlich aus hier in Deutschland, mit seinen zwei Minderheiten (was für Minderheiten? würden sich an dieser Stelle wahrscheinlich viele Deutsche fragen)?

Die Slowenen sind in Kärnten gut integriert, - so gut, dass die große Mehrzahl bei der Volksabstimmung nach dem Ersten Weltkrieg für das Verbleiben bei Kärnten votierte. Damals machten die Slowenen ein Viertel der Bevölkerung aus, jetzt liegen sie weit unter der 10% Grenze, hauptsächlich aufgrund der Assimilierung. Seit grauer Zeit ist Kärnten ein Land der Deutschen und Slowenen gewesen - das Land der Karantanen eben - in dem der Landesverbund der Rahmen um das Volk war. Diese alte österreichische unnationalistische Staatsidentität ist Kärnten geblieben - es rettete Kärnten nach dem Ersten Weltkrieg und half, die Avancen Titos abzuschlagen, trotz der Demütigungen der Slowenen während der Naziherrschaft.

Aber jetzt wittern Haider und Co. einen neuen Angriff auf die Integrität Kärntens, und stellen es bezeichnendermaßen in den historischen Kontext hinein: "Ein Umschreiben der Kärntner Geschichte durch Ortstafeln wird es mit einem Landeshauptmann Haider nicht geben. Wenn das im Widerspruch zu Gesetzen stehen sollte, weil die Bundesregierung dem Verfassungsgerichtshof nachgibt und etwas anderes beschlossen wird, dann trete ich als Landeshauptmann zurück", sagte Haider.

Die Slowenen gehören zu Kärnten und genießen verschiedene Privilegien, wie gemischtsprachige Schulen und slowenische Rundfunksendungen, aber jetzt heißt die Erpressungsdevise: Ortstafeln oder slowenische Kindergärten, Schulen und Kultureinrichtungen. Das Tragische an der Geschichte ist nur, dass jetzt, wo die alte, reminiszente Landesidentität durch die Nebensächlichkeit Ortstafel wachgerüttelt wird, der Populist Jörg Heider nationalistisches Gift in altes Karantanerblut mischt. Am besten, die Slowenen gehen auf den Vorschlag Haiders ein, die Ortsschilder gegen mehr kulturelle Autonomie einzutauschen, um für alle die kulturelle Freiheit zu lassen, Karantaner zu sein, was auch immer das heißen mag.