José Bové und die Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft

20.12.2001

Der französische Bauernführer José Bové ist wegen der Zerstörung von genetisch veränderten Reispflanzen zu sechs Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt worden. Das Berufungsgericht bestätigte damit das Urteil der ersten Instanz. José Bové hatte, zusammen mit indischen Bauern und zwei weiteren Führern der Bauerngewerkschaft Confédération Paysanne, im Juni 1999 rund 300 genetisch manipulierte Pflanzen des staatlichen Forschungsinstituts CIRAD vernichtet. José Bovés Anwalt kündigte Berufung an.

Die Bauerngewerkschaft Confédération Paysanne gibt es eigentlich erst seit 1987. Sie will keine engen Bauerninteressen, sondern Menschheitsinteressen vertreten und dies medienwirksam. Dadurch hat sie sich die Sympathien eines großen Teils der Bevölkerung zugezogen. Sogar unter den französischen Bauern ist sie immer beliebter und hat 2001 bei den letzten Wahlen zur Landwirtschaftskammer 27,8% der Stimmen bekommen. Bei solchen Zahlen staunt man dann, wenn man sich die Ziele der Organisation anschaut. Die Confédération Paysanne lehnt die Entwicklung der dreißig letzten Jahren zu einer industrialisierten Landwirtschaft ab und stellt den Schutz von Verbrauchern und Umwelt in den Vordergrund. Was sie von den reinen Verbraucher- und Umweltverbänden unterscheidet, ist die genaueste Kenntnis und Kritik der bisherigen Landwirtschaftspolitik.

Das Motto der Confédération Paysanne ist: Für eine nachhaltige Bauernlandwirtschaft in einer solidarischen Welt.

Zur Nachhaltigkeit gehört eine Begrenzung der Düngung, die zwar eine intensivere Landwirtschaft erlaubt aber die Umwelt, insbesondere das Grundwasser gefährdet. Und dies ist nicht nun nicht mehr allein die Forderung einiger wenigen Biobauern, sondern einer starken Minderheit der französischen Bauern. Dazu gehört auch der Verzicht auf die Gentechnik, mit ihren schnellen Vorteilen um den Preis einer ewigen Abhängigkeit von multinationalen Konzernen wie Monsanto. Breiten sich die genetischveränderten Merkmale unkontrolliert aus, so könnte die Keimfähigkeit von ganzen Pflanzensorten gefährdet werden. Die Bauern könnten ihre eigenen Samen auch dann nicht mehr herstellen, wenn sie selber nie genveränderte Pflanzen eingesetzt haben. Hier wird José Bové deutlich: "Die Gentechnik verharscht die Bauern". Und weil es bald zu spät sein könnte, greift er einfach zur Sense. Statt der Gentechnik befürwortet er eine verstärkte Forschung über die Selektion von nichtgenetisch veränderten Pflanzen. Sie würde die Effektivität steigern, ohne die Bauern absolut abhängig zu machen. Zur Nachhaltigkeit gehören zuletzt auch kurze Transportwege, nicht nur wegen den Energiekosten, sondern vor allem deswegen, weil lange Wege den Betrug erleichtern und strenge Qualitäts- und Sicherheitsnormen unkontrollierbar machen.

Zur Landwirtschaft gehören Bauern, daher der Begriff "Bauernlandwirtschaft". Dies ist heutzutage nicht selbstverständlich. In Frankreich sind es 40% Bauern weniger als vor 15 Jahren. Von den restlichen 600.000 Höfen sollen - nach den Plänen des Landwirtschaftsministeriums - nur 200.000 Agrarfabriken übrig bleiben und die Bauern möglichst restlos verschwinden, es sei denn, sie werden als Landschaftsgärtner gebraucht. Frankreich ist nämlich ein touristisches Land, das - wenigstens im Sommer - einigermaßen schön aussehen sollte.

Das dritte Element - die weltweite Solidarität - wird von der Confédération Paysanne besonders ernst genommen. Und sie widerspricht radikal der bisherigen europäischen Landwirtschaftspolitik. Statt wie der deutsche Bauernpräsident Gerd Sonnleitner immer auf Agrarsubventionen zu pochen, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft zu sichern, hat sich José Bové in die Welt umgeschaut. Er hat dort die katastrophalen Auswirkungen dieser Subventionen auf die Bauern der Entwicklungsländer gesehen, die mit solchen Preisen nicht mithalten können und immer mehr verarmen.

José Bové fordert daher ein Umdenken. In Frankreich werden zur Zeit die ohnehin klimatisch privilegierten Höfe hoch subventioniert, damit sie ihr Getreide zu Dumpingpreisen exportieren können. Durch die Überproduktion machen sie die Weltpreise zusätzlich kaputt. Dies soll aufhören. Stattdessen sollen die klimatisch benachteiligten Höfe so subventioniert werden, daß sie den anderen Höfen mehr oder weniger gleichgestellt werden, ohne sich über die Maße vergrößern zu müssen. Alle Bauern brauchen ein würdiges Einkommen und nicht nur diejenigen auf der Sonnenseite. Faire Preise werden von José Bové also allgemein angestrebt und nicht nur im Handel zwischen den Industrie- und den Entwicklungsländern oder genauer gesagt Landwirtschaftsländern. Die Exportausfälle lassen sich verschmerzen, wenn weniger Getreide und mehr proteinreiche Pflanzen für die heimische Tierhaltung angebaut werden. Sonst würde der notwendige Verzicht auf Tiermehl und andere mehr oder weniger gefährliche Abfälle die europäische Tierzucht vom amerikanischen Genmais abhängig machen. Die einzelnen Bauern sollen sich so begrenzen, daß sie wieder das eigene Grünfutter erzeugen können, statt sich Mais vom Großspeicher zu holen.

Hier merkt man, daß ein praktizierender Bauer und kein Funktionär spricht. José Bové ist nämlich nicht auf die direkte Wettbewerbsfähigkeit einzelner Produkte fixiert, sondern achtet darauf, aus jedem Hof das Beste zu holen. Aus Erfahrung legt er Wert auf die Komplementarität der Kulturen. Entscheidend ist, ob der Hof als Ganzes sich rechnet.

Solchen Konzernen wie Monsanto und dem in der Genforschung verwickelten französischen Staat sind Gegner wie José Bové ziemlich unbequem. Sie wissen, daß er mit jedem Gefängnistag populärer und damit mächtiger wird. Der Richter ging aber mit seinem Urteil weit über die Forderungen der französischen Staatsanwaltschaft. Bedrohlicher für die progressive Bauerngewerkschaft sind die Geldstrafen, die sie leicht handlungsunfähig machen könnten. Monsanto - dem auch Genpflanzen zerstört worden sind - ist noch konsequenter in seiner Strategie. Statt einen Strafprozeß anzustrengen, beschränkt sich der Konzern absichtlich auf eine Zivilklage, mit hohen Schadenersatzforderungen. Es fragt sich nur, ob Monsanto selber imstande wäre, Schadenersatz für die von ihm genetisch-verseuchte Umwelt in der dafür notwendigen Höhe zu leisten. Kanadische Biobauern haben nämlich damit angefangen, ihn vor Gericht für seine Schlampereien zur Rechenschaft zu ziehen.