Kopftuch und langer Bart sind verboten

27.09.2001

Solche Änderungen hatte es in der Türkei lange nicht gegeben. Die türkische Verfassung wurde in den letzten Tage vom Parlament in manchen wichtigen Punkten verbessert. Einige Änderungen weisen nur weiter in Richtung einer Säkularisierung des Staates, was in der Türkei seit Jahrzehnten erstrebt wird. Es gibt aber auch Änderungen, die auf eine Beschränkung des Staatsgewalt hinauslaufen. Das hat in der Türkei schon weniger Tradition.

Das Verfassungsverbot "untersagter Sprachen" - insbesondere kurdisch - wurde zum Beispiel abgeschafft. Damit ist die Tür offen für eine Anerkennung der "kurdischen Realität", der Realität einer eigenständigen Kultur. Sie ist allerdings nicht zwingend. Das Parlament behält sich das Recht, das Verbot wieder einzuführen, wenn es die nationale Sicherheit, die öffentliche Ordnung und die Einheit des Landes als gefährdet ansieht. Kulturelle Freiheit auf Bewährung.

Türkischen Frauen haben nur zum Teil bessere Aussichten. Bisher war in der Verfassung lediglich von der Familie als Fundament der türkischen Gesellschaft die Rede. Dabei wurde in türkischen Gesetzen der Mann bisher ausdrücklich als Familienoberhaupt bezeichnet. Der islamische Glaube war also stärker als der demokratische Gleichheitsgrundsatz. Nun wurde die Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Verfassung verankert.

Was man von solchen Verfassungsänderungen halten soll, zeigt sich allerdings an Vorschriften, die das türkische Erziehungsministerium am 24.09.2001 für private Bildungseinrichtungen erlassen hat. Das an allen staatlichen Einrichtungen geltende Kopftuchverbot wird nun auf sie ausgeweitet. Die an staatlichen Schulen und Universitäten geltenden Bekleidungsvorschriften, die Schülerinnen, Studentinnen und Lehrerinnen das Tragen von Kopftüchern verbieten, werden auch für private Träger bindend. Auf die Gleichberechtigung von Mann und Frau wurde dabei geachtet: Nicht nur Kopftücher, sondern auch lange Bärte werden verboten.

Was man auch vom Islam und von seinen äußeren Symbolen halten mag, fest steht auf jeden Fall, daß solcher staatlicher Übergriff auf die Religionsfreiheit die Sympathien mancher Moslems für die Gewaltakte einiger Fundamentalisten nur nähren kann. Die heute hin und her fliegende Bomben eignen sich natürlich besser fürs Fernsehen und machen daher mehr Eindruck. Was in den Seelen passiert, ist aber noch verheerender.

Seitdem die USA klar gemacht haben, daß sie als Vergeltung für die Anschläge auf World Trade Center und Pentagon die afghanischen Taliban angreifen wollen, zeigen deutsch-konservative Zeitungen wie "Die Welt" mit Vorliebe langbärtige Afghaner und verschleierte Afghanerinnen. Dies ist aber aber nur die Hälfte der islamischen Realität. Was in Afghanistan erzwungen wird, wird in der Türkei - und zum Teil auch in Europa - verboten. Zwischen solchen Kulturen der Unfreiheit kann es keinen Dialog geben, sondern nur Propaganda.