Erbschaftssteuer zum halben Preis

09.05.2001

Bundeskanzler Gerhard Schröder und die SPD-Regierungschefs haben vereinbart, auf eine Reform der Erbschaftssteuer zu verzichten. Die Erbschaftssteuer steht ausschließlich den Ländern zu. Zurzeit werden bebaute Immobilien bei Vererbung für die Besteuerung mit 51 Prozent ihres Verkehrswertes angesetzt. Diese Bewertung sollte nach dem Vorschlag der SPD-Länder auf 72 Prozent erhöht werden, ohne zugleich die Freibeträge anzuheben. Dies hätte Mehreinnahmen von 500 Millionen Mark bedeutet.

An dieser Steuerermäßigung weiß das Bundesverfassungsgericht nur eines auszusetzen, nämlich daß dadurch Kapitalvermögen und Grundbesitz ungleich besteuert werden. Der stellvertretende Vorsitzende des Forums Demokratische Linke 21, Detlev von Larcher, bemängelt seinerseits, daß die Bundesländer ständig über Finanzmangel klagen, dann aber nicht einmal die vom Verfassungsgericht vorgegebene Höherbewertung der Immobilienvermögen zeitgerecht umsetzen.

Das eigentliche Problem mit der Erbschaftssteuer liegt aber ganz woanders. Familien und Länder streiten sich hier um Gelder, die ihnen gar nicht zustehen. Daß die Länder dabei - nach den Worten von Larcher - "weiche Knie bekommen", ist verständlich. Ihnen steht die ganze Macht der Blutsverwandschaft gegenüber. Blut und Erbe. Hier geht es um einen versteckten Rassismus, der den eigenen Kindern ohne Rücksicht auf ihre individuelle Eignung den Vorrang vor anderen geben will. Dieser Rassismus sitzt so tief, daß sogar Sozialisten ihn lieber nicht beim Namen nennen, aus Angst bei der nächsten Gelegenheit abgewählt zu werden.

Und doch haben die Sozialisten schon eine Möglichkeit, ihre Wähler sanft umzuerziehen. Sie müssen nur mit gutem Beispiel vorangehen und mit ihrem Land auf die Erbschaftssteuer verzichten. Der Staat soll auf sein Erbteil verzichten, um aus dem Blutskreis herauszukommen. Natürlich nicht zugunsten irgendwelcher Familieninteressen, sondern von unabhängigen Stiftungen oder fähigen Personen, die der Einzelne - und nicht der Staat - selber zu wählen hat. Dies gilt gleichermaßen für das Kapitalvermögen wie für den Grundbesitz, so daß das Verfassungsbericht nichts zu beanstanden hätte.

Hinter der Erbschaftssteuer steht das Bestreben, Ungleichheiten zu mindern. Oder manchmal auch ein gewisser Neid, der leicht eine Mehrheit findet. Wird sie durch eine Schenkung ersetzt, müssen sich die Menschen zum ersten Mal Gedanken machen, statt ihr Blut für sich sprechen zu lassen. Vielleicht würden bald manche auf die Idee kommen, daß mit dem Resterbe eigentlich genauso umgegangen werden müßte. Das wäre ein würdiges Ende für die Erbschaftssteuer. Wahrscheinlich würde aber diesmal Detlev von Larcher weiche Knie bekommen.