Konsens über Zuwanderung zum Nulltarif

28.04.2001

Es scheint sich eine Konsensbasis zum Thema Zuwanderung anzubahnen.

In der Diskussion um die Einwanderungspolitik hat der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag, Peter Struck, der Union Gespräche über einen Konsens angeboten. Zuwanderung sei ein langfristiges Thema, "wir sollten deshalb die Opposition einbeziehen", sagte Struck heute der "Berliner Zeitung". Wenn die Zuwanderungskommission unter Leitung der CDU-Politikerin Rita Süssmuth Anfang Juli ihre Vorschläge vorgelegt habe, sollten sich die rot-grüne Koalition und die Union "sehr schnell" zusammensetzen, um Gemeinsamkeiten auszuloten. Er sehe nach dem Kurswechsel der CSU beim Asyl die Chance, alle Fragen einvernehmlich noch vor der Bundestagswahl 2002 zu regeln, sagte Struck.

Nun hat auch die CDU eine Kehrtwendung gemacht. Die CDU will die Zuwanderung nach Deutschland nicht mit einer Gesamtquote steuern. Lediglich die drei Bereiche Spätaussiedler, jüdische Zuwanderer und Arbeitsimmigranten sollen mit Quoten geregelt werden. Dies geht aus dem heute in Berlin von der Zuwanderungskommission der Partei verabschiedeten Konzept hervor, sagte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Bosbach. Das Grundrecht auf Asyl will die CDU nicht antasten. Das 91 Seiten umfassende Grundsatzpapier, an dem noch zahlreiche Änderungen vorgenommen wurden, soll von einem Kleinen Parteitag Anfang Juni verabschiedet werden.

Vor allem die demographische Zukunftsperspektive und die damit zusammenhängenden wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen hat die CDU zu Kursänderung bewegt. Laut DGB und UN würde die Bevölkerung in Deutschland ohne Einwanderung in den nächsten 50 Jahren um etwa 20 bis 25 Millionen Menschen abnehmen. Die Zahl der Erwerbstätigen würde von jetzt etwa 41 Millionen auf etwa 24 Millionen sinken. Die Überalterung würde dann das soziale Sicherungssystem erschüttern. Durch Einwanderung könne dies zwar nicht gestoppt, aber abgemildert werden. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hält eine Zuwanderung von 75.000 bis 100.000 Menschen jährlich in den nächsten Jahren für notwendig.

Nach einem fast einjährigen Eiertanz hat die CDU, der Wirtschaft zuliebe, nun der Möglichkeit für Zuwanderung den Weg geebnet. Wieder Mal hat sich die Politik als erster Diener und Lenker der Wirtschaft gesehen und die ersten Mauersteine, die Deutschland vom Rest der Welt ausgrenzen, abgebaut.

Die Öffnung baut aber auf ein höchst egoistisches Prinzip: Nur die nützlichen Menschen werden durchgelassen. Es ist menschenverachtend, den Wert eines Menschen abzuwiegen nach Alter, Gesundheit, Beruf und Sprachfähigkeiten, was höchstwahrscheinlich die Filterkriterien sein werden.

Das Schlimmste ist aber, dass das Abwerben von qualifizierten Arbeitskräften modernem Raubrittertum gleichkommt. Ohne sich zu schämen, sprechen die Politiker davon, Inder und andere Menschen, hauptsächlich aus der Dritten Welt, für Deutschland abzuwerben. Die Strukturen, die sich dort anbahnen, scheinen sehr depedentalistisch: Deutschland soll das menschliche Kapital absaugen. Die Kosten für das Heranwachsen und die Erziehung der Kinder tragen die Entwicklungsländer und Deutschland bekommt den Nutzen. Das ist höchst kontraproduktiv für die Entwicklung der Drittewelt-Länder. Deutschland braucht für die Zukunft Zuwanderung, um Arbeitsplätze zu besetzen, die es in der Wirtschaft gibt, aber nützlich und gerecht wäre es, wenn die Wirtschaft ein Assoziationsabkommen mit verschiedenen Entwicklungsländern abschliessen würde, das einen Austauch von Menschenkapital gegen Wissens- und Wirtschaftskapital beinhaltet. So würde die Wirtschaftsstruktur der demographischen Struktur, übernational betrachtet, angepasst.