Atomlobby setzt auf Finnland

30.03.2001

Während in Deutschland wegen der Proteste wieder einmal mehrere Tausend Sicherheitskräfte zur Begleitung von Atommüll zum Zwischenlager Gorleben eingesetzt werden mußten, wird in Finnland über den Ausbau der Atomkraft nachgedacht.

Der Chef des finnischen Atomkraftwerkes Olkiluoto hofft "sehr zuversichtlich", daß er bald mindestens noch einen neuen Reaktor bauen kann. Mauno Paavola macht sich keine Sorgen um Demonstranten und widerborstige Kommunalpolitiker, wenn sein Werk den ebenfalls angestrebten Zuschlag als Endlagerstätte für Finnlands Atommüll bekommt: "Nein, die Gemeinde hier will unbedingt das Endlager haben, weil es Arbeitsplätze bringt." Das stimmt auch. Und wenn nicht - wie in Deutschland - für Tausende Sicherheitskräfte auf einmal, dann mindestens für einige auf Dauer - nämlich Tausende Jahre. Wirtschaftlich ist das ewige Argument mit den Arbeitsplätzen aber genauso widersinnig, wie die Anschaffung von Schlittschuhen im brasilianischen Urwald. Wirtschaftlich sinnvoll ist nur die Frage, ob es für Atomkraft in Finnland wirklich "Konsumplätze" gibt.

Für die Lobbyisten von Finnlands energieintensiver Industrie, mit der Holz- und Papierverarbeitung an der Spitze, ist der Fall völlig klar. "Ohne zusätzliche Atomkraft können wir unsere Klima- und Standortnachteile langfristig nicht ausgleichen", meint Juhani Santaholma von der Energieagentur Finergy. Weder eine drastische Zunahme von Naturgaslieferungen aus dem benachbarten Russland noch der Import von Strom aus norwegischer oder schwedischer Wasserkraft soll vergleichbar billig und zuverlässig den rasant steigenden Bedarf decken können. Nachdenklich stimmt aber die Tatsache, daß dieselben Lobbyisten auch schon 1991 mehr Kernkraft verlangt und andernfalls wirtschaftliche Katastrophen vorhergesagt haben. Trotz der damaligen Ablehnung durch das Parlament sind diese Katastrophen bis heute ausgeblieben. Und die Rede von der billigen Atomenergie bestätigt den Eindruck, daß Finnlands Industrie dazu neigt, sich kräftig zu verkalkulieren. Die nachträgliche Ablehnung einer risikoreichen Energieform kann nämlich sehr schnell die Kosten in die Höhe treiben.

Das eigentliche Problem liegt wohl darin, daß Finnland in der Tat geographisch benachteiligt ist und bei einer hundertprozentigen Konkurrenzwirtschaft kaum mithalten kann. Daran ändern solche Kraftakte wie der Welterfolg von Nokia mit seinen Handys nur wenig. Solche Volltreffer können auch andere Länder landen. Sie helfen nur, solange man technische Errungenschaften monopolisiert, was wiederum den anderen schadet. Und auch ein höheres Bildungsniveau müßte man der ganzen Welt wünschen und sich entsprechend dafür einsetzen, so daß es sich zum Ausgleich von geographischen Nachteilen nicht eignet. Hier hilft nur eine Verhandlungslösung mit der übrigen Weltwirtschaft. Weil die finnische Wirtschaft davor zurückschreckt, greift sie lieber nach der Atomenergie.

Über das Anliegen der Industrie soll nun das Parlament bis Mitte des nächsten Jahres abstimmen. Gegner und Befürworter stimmen darin überein, daß die Chancen 50 zu 50 stehen. Es bleibt zu hoffen, daß auch diesmal Sicherheitsinteressen und nicht wirtschaftliche Interessen ausschlaggebend sein werden. Politisch sinnvoll ist nämlich nur die Frage, ob Finnland das Leben seiner Einwohner wirklich aufs Spiel setzen will.