Erdöl unter dem Kaspischen Meer

14.03.2001

Eine neue Bohrung im Kaschagan-Feld im Kaspischen Meer hat bisherige Vermutungen über das riesige Ausmaß des Erdölfeldes vor der Küste Kasachstans bestätigt. Laut dem Sprecher des internationalen Konsortiums OKIOC in Atyrau ist die zweite Probebohrung rund 40 Kilometer nordwestlich der ersten Stätte ebenso erfolgreich gewesen. Das gigantische Kaschagan-Feld soll zu den fünf größten Erdölvorkommen der Welt zählen.

Experten gehen davon aus, daß das Kaschagan-Feld knapp 80 Kilometer lang und 25 Kilometer breit ist. In spätestens 15 Jahren könnten im Flachwasser täglich bis zu zwei Millionen Barrel gefördert werden. Das Öl ist in einer Tiefe von 5000 Metern unter dem Meeresboden entdeckt worden. Das größte Erschließungsprojekt der kommenden Jahre erfordert Investitionen in Höhe von etwa zehn Milliarden Dollar.

Die USA machen sich für den Bau einer Pipeline von der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku am Kaspischen Meer bis zum türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan stark. Damit sollen die an das Kaspische Meer angrenzenden Länder Russland und Iran umgangen werden. Die Präsidenten beider Länder, Wladimir Putin und Mohammed Chatami, kritisieren das Pipeline-Projekt als ökologische Gefahr für das ohnehin stark belastete Kaspische Meer.

Als ökologischer Saubermann ist Putin bisher nicht besonders hervorgetreten, sondern eher als Vertreter der russischen nationalen Interessen. Man darf sich daher neben den ökologischen noch ganz andere Sorgen um das kaspische Meer machen. Wenn es um Rohstoffe geht, setzen die USA nicht nur auf diplomatische Lösungen. Rohstoffkriege führen sie - wie im Irak - mit oder ohne Segen der Vereinten Nationen oder ihrer sonstigen Verbündeten. In 15 Jahren dürfte der militärische Rückstand Rußlands gegenüber der USA viel größer sein als heute und entsprechend kleiner die Hemmschwelle der Amerikaner. Noch geschickter wäre es natürlich, andere den Krieg führen zu lassen, womöglich sogar an anderer Stelle.

Auswege gibt es viele: Rußland und Iran könnten sich besinnen und einlenken; Erdöl könnte - wie bereits die Kohle - durch eine andere Energiequelle abgelöst werden. Aber keine Lösung macht so viel Sinn, wie die radikale Abkoppelung von staatlichen und wirtschaftlichen Interessen. Staaten dürfen ökologische Auflagen machen, die möglicherweise indirekt zur Verteuerung des Erdöls führen. Aber den Hahn selber nach Bedarf auf- und abzudrehen steht nicht ihnen zu, sondern allein der Wirtschaft. Wirtschaft natürlich nicht nur im Sinne von Produzenten, wie dies bei der OPEC der Fall ist, sondern im Sinne von Produzenten und Konsumenten. Sonst geht es nur um den Bedarf der Produzenten.

Was einer solchen Lösung am meisten entgegensteht, ist die heute herrschende politische Wissenschaft mit ihrer gebetsmühlenartige Behauptung, daß eine Abkoppelung von Wirtschaft und Politik grundsätzlich nicht möglich sei. Dies stimmt auch, solange die Wissenschaft selber davor zurückschreckt, sich gegenüber der Politik selbständig zu machen. Durch ihre Indoktrinierung der politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen macht eine solche Wissenschaft jeden Ansatz einer institutionnellen Verselbständigung von Wirtschaft und Politik gleich wieder zunichte.

Das größte Erschließungsprojekt der kommenden Jahre ist und bleibt die soziale Dreigliederung. Wer da keine zehn Milliarden Dollar hat aber immerhin etwas Zeit, sollte sich überlegen, wie er sie am besten investieren kann.