Europa und seine heimlichen Berufsverbote

27.02.2001

Deutsche Hebammen, Ärzte oder Architekten sollen in Zukunft einfacher in einem anderen Land der Europäischen Union arbeiten können. Es wurde jetzt ein EU-Gesetz über die schnellere Anerkennung von Berufsdiplomen verabschiedet. Die Gemeinschaft muß dringend etwas tun, damit die Anerkennung von Berufsnachweisen über die Grenzen hinweg besser funktioniert, meint der Binnenmarktkommissar Frits Bolkestein. Dies wird zur Schaffung eines echten europäischen Arbeitsmarktes beitragen, der es den Bürgern ermöglicht, überall in der EU zu arbeiten.

Durch die neue Richtlinie werden die Mitgliedstaaten gezwungen, Anträge auf Anerkennung von Qualifikationen zügiger als bisher zu bearbeiten und bei ihrer Entscheidung die in anderen Staaten der Union erworbene Berufserfahrung zu berücksichtigen. Das neue EU-Gesetz gilt unter anderem auch für Krankenschwestern und -pfleger, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker und Architekten. Bis zum 1. Januar 2003 müssen die Mitgliedstaaten das Gesetz in nationales Recht umgesetzt haben.

Die europäische Gemeinschaft hat laut Verträge in Bildungsfragen eigentlich nichts zu sagen. Es sei denn, sie wirken sich auf den Binnenmarkt, in diesem Fall auf den Binnenarbeitsmarkt aus. Dann lassen sich ihre Mitgliedstaaten schon hereinreden. Allerdings unter einer Bedingung: Sie müssen ihren bildungspolitischen Unsinn weiter treiben dürfen und nur dazu gezwungen werden, den Unsinn anderer Mitgliedstaaten als möglichst gleichwertig anzuerkennen. Am meisten gelungen ist dies bei der gegenseitigen Anerkennung des jeweiligen Abiturs. Bei den Berufsdiplomen führt oft die Auswanderung in ein anderes Mitgliedstaat noch heute zu einem faktischen Berufsverbot.

Man kann der europäischen Gemeinschaft nicht vorwerfen, das Bildungsmonopol bei ihren Mitgliedstaaten belassen zu haben. Als Wirtschaftsgemeinschaft tut sie am besten, wenn sie sich auf Wirtschaftsfragen beschränkt. Problematisch ist es aber, wenn sie eine Scheinlösung zum Bildungsproblem erarbeitet. Sollen die europäischen Berufsdiplome wirklich anerkennungswürdig sein, so geht es nicht über ein EU-Gesetz, sondern nur über den Verzicht der einzelnen Staaten auf Bildungsgesetze. Hätte man den europäischen Bildungseinrichtungen freie Hand gelassen, so hätten sie sich schon längst darüber geeinigt, was zur Ausübung eines Berufs notwendig ist.