Rita Süssmuth und die deutsche Einwanderungskommission

18.12.2000

Die Vorsitzende der Zuwanderungskommission der Bundesregierung, Rita Süssmuth, will Einwanderer dazu verpflichten, die deutsche Sprache zu lernen. Im Gegenzug solle sich die Bundesrepublik dazu verpflichten, entsprechende Angebote zum Spracherwerb bereit zu halten, sagte die CDU-Politikerin der Berliner "tageszeitung". Es gebe eine "Verpflichtung der Zugewanderten, sich in die Kultur zu integrieren, in der sie leben". Allerdings bedeute Integration nicht die "Aufgabe der eigenen kulturellen Identität". Neben dem Erlernen der deutschen Sprache bezeichnete Süssmuth die Ausbildung sowie die Gestaltung der Wohnquartiere als weitere Eckpunkte einer Integrationspolitik. Es müsse vermieden werden, "dass rein ethnisch ausgerichtete Diskotheken und Sportvereine entstehen".

Nach der langen Debatte des letzten Halbjahres kann mit Rita Süssmuth, als Vertreterin des politischen Etablissements und Leiterin der Zuwanderungskommission, eine Bilanz gezogen werden. Es kann festgestellt werden, dass die Debatte über multi-kulti oder Leitkultur eine Scheindebatte gewesen ist, und dass sie sich im Wesentlichen auf die Integration von Einwanderern in den Arbeitsmarkt konzentriert hat. Es ist erfreulich, dass hinter allen rhetorischen Missgriffen und allen Missverständnissen von Regierung und Opposition doch noch kulturelle Freiheit für fremde Ethnien respektiert wird, aus Achtung vor dem Ererbten.

Was aber weniger erfreulich ist ist, dass die Politiker sich für Arbeitsmarktspolitik verantwortlich fühlen und damit eine Debatte vom Zaun brechen, die Einwanderer leicht als Asoziale abstempeln könnte. In mehr populistisch geprägten Nachbarstaaten Deutschlands gibt es eine Rechte ohne gröhlende Nazis und ohne Altlastenideologie, wohl aber mit einer etwas dumpferen aber ausgeprägten Vorstellung von sozial und Asozial. Die Hauptfront der Rechten gegen Steuer und Sicherheitspolitik ist geprägt von technokratischer Überfremdung der Rechtswähler und ist verständlich. Noch deutlicher als hier, haben die Debatten im Ausland gezeigt, dass sich sowohl die fremdenfeindliche Debatte, als auch die Debatte der politischen Establissements im wesentlichen um die postulierte Ausnutzung der Gesellschaft durch Einwanderer und deren fehlende Fähigkeit, als Arbeitnehmer ökonomisch zur Gesellschaft beizutragen, konzentriert hat.

Die Politiker und Gewerkschaften müssen sich verantwortlich fühlen für diese "asoziale" Lage der Einwanderer und den Fehler in technokratischen Regelungen, im Staat als Sozialstaat und in den Einschränkungen im Arbeitnehmerrecht suchen.

Was den Arbeitsmarkt betrifft, so sollten sich die Politiker heraushalten und nicht die Feder bei der Beurteilung von Einwanderern führen. Die Politiker sollten ihre Unfähigkeit bei der Steuerung von Arbeitskräften einräumen. Wenn sie schon völlig versagt haben, das Angebot an Lehrerkräften zu steuern, was erheblich einfacher zu steuern ist, als ein gesamtnationaler/europäischer Arbeitsmarkt mit Konjunkturschwankungen und vielen anderen Variabeln, und wenn sich die Einwanderungsziele innerhalb von Monaten um 180 Grad wenden können, muß es auf der Hand liegen, dass Politiker überfordert sind.

Doppelt tragisch ist es aber, dass die Politiker die geistigen Bedürfnisse des Arbeitsmarkts definieren wollen, und Einwanderer eine bestimmte geistige Beziehung zum Arbeitsmarkt aufzwingen wollen, und dreifach tragisch ist, dass die Debatte Einwanderer prinzipiell als asozial abstempelt, weil offensichtlich erst die deutsche Sprache sozial macht.