Jean-Pierre Chevènement und Korsika

30.08.2000

Jean-Pierre Chevènement ist als französischer Innenminister zurückgetreten, weil er die Zugeständnisse der Regierung an die Insel Korsika nicht mittragen will. Schon am 18.07.2000 hatte er erklärt, die Maßnahmen zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Nachteile Korsikas mittragen zu wollen und auch zu akzeptieren, daß auf den Schulen der Insel die korsische Sprache unterrichtet werde. Die Gesetzgebungskompetenz dürfe aber nicht auf die Insel übertragen werden.

Im Unterschied zu Jean-Pierre Chevènement kann man sich nur darüber freuen, daß der französische Staat endlich auf Teile seiner Gesetzgebungskompetenz in Bereichen wie Erziehung und ökonomischer Entwicklung verzichten will. Kritisieren läßt sich nur, daß diese Bereiche nicht der Selbstverwaltung, sondern einem regionalen Gesetzgeber überlassen werden sollen. In solchen Fragen ist nämlich jeder Gesetzgeber, egal ob nationalstaatlich oder regional, inkompetent. Vielleicht machen es die Korsen aber besser als die Franzosen und nutzen die übertragene Macht allein dazu, um auf sie zugunsten einer wirklichen Selbstverwaltung zu verzichten. Nur dann wird sich der Rücktritt von Jean-Pierre Chevènement gelohnt haben.

Zunächst überraschend ist die Bereitschaft Chevènements gewesen, den Unterricht der korsischen Sprache zulassen zu wollen. Noch vor einem Jahr hatte er sich einer Verfassungsänderung widersetzt, die den Schutz der Minderheitssprachen in Frankreich ermöglichen sollte. Ein solcher Schutz würde zu einer Balkanisierung Frankreichs führen. Beim jetzt vorgesehenen Unterricht der korsischen Sprache braucht sich Chevènement als französischer Nationalist aber keine Sorgen zu machen. Die Eltern können glücklicherweise nicht dazu gezwungen werden, ihren Kindern korsischen Unterricht geben zu lassen. Die Regierung ist aber natürlich nicht auf die Idee gekommen, auch den französischen Unterricht zur Disposition zu stellen. Zum Schutz der französischen Mehrheitssprache bleibt Französisch Pflichtfach.