Der Begriff des wirtschaftlichen Wertes

Seine fundamentale Bedeutung für eine Überwindung der heutigen wirtschaftlichen Missstände

05.03.2014

Zuerst erschienen in: Der Europäer, Jg. 18, Nr. 5, März 2014, S. 20 – 24
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung von Verfasser und Herausgeber

„Die Leute im volkswirtschaftlichen Denken lassen sich immer dazu verführen, partiell zu denken, nicht total zu denken.“ (Rudolf Steiner, Nationalökonomischer Kurs, 13. Vortrag, GA 340):

Steiners bahnbrechende Gedanken zur Erneuerung des Geldwesens und zur Maßfindung in der Wirtschaft in ihrem Zusammenhang überblickend zu erfassen, bereitet offensichtlich Schwierigkeiten. So werden aus Steiners ökonomischen Schriften und Vorträgen immer wieder Gedankenfetzen entnommen wie beispielsweise die Frage nach der Währung, nach der Geldschöpfung, nach der Geldalterung und erhalten dann, punktuell und ganz aus dem herkömmlichen Denken heraus betrachtet, Interpretationen, die Steiners Schlussfolgerungen zur Überwindung heutiger Probleme wie desjenigen der Konjunkturschwankungen, der Einkommensunsicherheit, der Arbeitslosigkeit und des Wachstumszwanges nicht folgen.

Im Nachvollzug Steiners Gedankenführung und in Anlehnung an den Wortlaut seiner Ausführungen möchte die folgende Darlegung dem Verstehen der Bedeutung des wirtschaftlichen Wertes für die gesamte Erneuerung des Wirtschaftens zum Durchbruch verhelfen. Merkwürdigerweise wird gerade Steiners Herleitung des Begriffes des wirtschaftlichen Wertes in Publikationen über alternative Wirtschaftssysteme ausgeblendet.

Systematisch vorgegangen, stellen sich zunächst folgende Fragen. Worum geht es eigentlich in der Wirtschaft; was ist das mit der Arbeitsteilung aufkommende Problem?

Die Kardinalfrage des Wirtschaftslebens

Auslöser des Wirtschaftens sind die Bedürfnisse. Diese werden durch Arbeitsergebnisse, auch Leistungen genannt, befriedigt, die in erster Linie aus Stoffen der Natur bestehen und arbeitsteilig hervorgebracht werden. Alles Wirtschaften besteht in Wirklichkeit nur darin, dasjenige, was Erzeugnisse, Leistungen, sind, zum Austausch unter Menschen zu bringen und der Austausch unter Menschen lebt sich in der Preisbildung aus. Die Preisfrage ist also die Kardinalfrage, und worum geht es dabei? Wenn man vom Bedürfnis als dem Initiator des Wirtschaftens ausgeht, wenn man der Wirtschaft die Bedürfnisbefriedigung mittels Austausch der menschlichen Leistungen zugrunde legt, geht es um die zu lösende Aufgabe und zugleich das Postulat: wie müssen sich die Leistungen der Menschen, auf dem Markt zur Ware geworden, gegenseitig so bewerten, dass im wesentlichen der Wert eines Menschenerzeugnisses dem Werte der anderen Waren entspricht, für welche der Erzeuger in der Zeit Bedarf hat, die er auf die Erzeugung seines Produktes verwendet. „In dem Schaffen des Ausgleichs zwischen den menschlichen Bedürfnissen und dem Wert der menschlichen Erzeugnisse sieht das Streben nach der Dreigliederung des sozialen Organismus seinen Inhalt“ (Rudolf Steiner, „Dreigliederung und soziales Vertrauen, Kapital und Kredit“ in Aufsätze über die Dreigliederung und zur Zeitlage 1915 – 1921, GA 24).

Man muss jedoch einsehen, dass ohne Klärung der Frage nach eben dem wirtschaftlichen Wert der Leistungen und seiner Beziehung zu den Einkommen als dem Mittel bedürfnisbedingter Nachfrage gar nicht „dreigegliedert“ werden kann. Denn ohne die auf der Erkenntnis des wirtschaftlichen Wertes beruhende Transparenz der Finanzierung des Bildungslebens, der Altersversorgung, des Gesundheitssektors, des verbleibenden staatlichen Sektors kann gar nicht auf den heutigen Einheits- oder Zentralstaat als Steuereintreiber und -verteiler nach heutigem Verfahren verzichtet werden.

Der Marktpreis als heutige Wertvorstellung

Dieses vorstehend als zu lösende Aufgabe gekennzeichnete Postulat liegt letztlich der Auseinandersetzung mit dem heutigen Wirtschaftssystem und dem dieses System stützenden Denken zugrunde. Deren Verteidiger argumentieren, dass doch der Bedarf der Herr der Produktion sei und „Angebot und Nachfrage“ automatisch das Verhältnis zwischen Bedürfnis und Warenangebot regelten. Ob man im Hinblick auf eine Kapitalrendite im heutigen Systemverständnis ein Gut erzeugen will, darüber mag die Nachfrage entscheiden. Ob eine Leistung zu einem Preis erbracht werden kann, der ihrem Wert im Sinne des oben gekennzeichneten Postulats entspricht, darüber kann die Nachfrage allein nicht entscheiden. Unfähig und unwillens sich zu Steiners Erkenntnis des wirtschaftlichen Wertes durchzuringen, propagiert die herrschende Wirtschaftslehre, dass Angebot und Nachfrage, also der Marktpreis, den Wert der Güter bestimmen, dass der Angebotspreis der Güter durch ihre Herstellungskosten, in erster Linie den Arbeitsaufwand, bestimmt werde. Die Arbeit wird damit zum Kostenfaktor, sie erhält einen Preis, der, nach der Zeit bemessen und als Lohn aus dem Kapital bezahlt, wie der Kurs der Währung unter Konkurrenzdruck steht. Kapital aus heutigem Verständnis hat Lohn in seinem Gefolge, und unter den Bedingungen des heutigen Systems wird das bestehende Zwangsverhältnis zwischen Kapital und Lohn zum Instrument der gnadenlosen Gewinnmaximierung und Kostenminimierung zugunsten des Kapitaleigners. Mit dem Marktpreis als in heutiger Auffassung dem Wert der Leistung werden deren Verkaufserlös und das Einkommen der Leistungserbringer zueinander bedingenden, voneinander abhängigen Größen. Die wechselseitige Abhängigkeit von Marktpreiserlös und Einkommen löst die Verschleißwirtschaft aus; der Impuls des Wirtschaftens liegt dann darin, sich über die Menge des Gütererzeugens ein möglichst hohes Einkommen zu verschaffen. Dass das Einkommen aus dem Verkaufserlös bezahlt wird, ist eine aus dem wirtschaftlichen Ablauf gegebene Tatsache. Das heutige Abhängigkeitsverhältnis wandelt sich allerdings, wenn der wirtschaftliche Wert erkannt und wirksam ist, in ein transparentes Verteilungsverhältnis um, denn nur um ein solches kann es sich bei dem Verhältnis des Erlöses der Arbeitsergebnisse zu den Einkommen handeln. Das Bedürfnis wird dann eindeutig die die Produktion initiierende Rolle übernehmen; dann nämlich wenn nicht wie heute der Wert der Leistung und das entsprechende Einkommen vom Marktpreis für die Leistung abhängig gemacht wird, sondern der Preis sich nach dem wirtschaftlichen Wert der Leistung und dem ihm korrespondierenden Einkommen ausrichtet. Konjunkturschwankungen, Arbeitslosigkeit, Einkommensunsicherheit und der daraus resultierende Wachstumszwang sind Folgen des nicht eingestandenen heutigen Erkenntnisdefizites bezüglich des Begriffes des wirtschaftlichen Wertes. Mittels Fluten des bestehenden Wirtschaftssystems mit Geld und Gesetzen wird man dessen sukzessiven Zerfall nicht überwinden.

Der Begriff des wirtschaftlichen Wertes als der „richtige“ Preis

Wendet man sich nun von dieser herkömmlichen Marktpreis-Vorstellung der Steiner’schen Anschauung zu, so ist bewußtseinsmässig ein Wandel zu vollziehen. Die Entstehung des Preises ist anstatt aus Kosten aus Werten hervorgehend zu erleben. Der wirtschaftliche Wert einer Leistung ist eine dem Preis übergeordnete Größe. Der Preis ist nicht wertbildend, sondern wertvergleichend, denn er ist das Ergebnis von Wert gegen Wert. Und ein „richtiger“ Preis für Leistungen liegt dann vor, wenn ihre Erzeuger aus ihrem Erlös das gekennzeichnete Postulat erfüllt bekommen. Dazu ist im Bewusstsein der Rolle des wirtschaftlichen Wertes für die Preisbildung im Währungsraum eine Angleichung von dem für ein Gut von Seiten der Herstellung her geforderten Preis und dem ihm von Seiten des Bedürfnisses her zugemessenen Wert anzustreben; eine solche Angleichung beinhaltet absolut nicht, dass an die Stelle des freien Verkehrs im Zeichen von Angebot und Nachfrage eine Zwangswirtschaft gesetzt wird. Der Natur, soweit sie dem Verbrauch zugeführt wird, und der menschlichen Arbeit Kostencharakter zuzuschreiben oder in ihnen Faktoren der Wertbildung zu sehen, dahinter steht eine ganz andere Vorstellung über den Aufbau der menschlichen Gesellschaft als die Steiner’sche Auffassung. Die herkömmliche Auffassung, zurückgehend auf eine frühere, die römische, Kulturepoche, sieht die Gesellschaft in Form einer Maslow’schen Pyramide, in der eine den Boden, ja überhaupt die Produktionsmittel besitzende führende Schicht die Erträge der Produktionsmittel nach der Definition des römischen Rechts als ihr Eigentum hat, aus dem heraus sie die an den Produktionsmitteln Arbeitenden im Sinn von Kosten unterhält; der verbleibende Mehrertrag ist Geldkapital beziehungsweise die Rendite des in Form der Produktionsmittel existierenden Kapitals.

In dem Steiner'schen Zukunftsentwurf - von heute aus gesehen, eben zunächst prospektiv - stehen die drei Faktoren der wirtschaftlichen Wertbildung - Natur, Arbeit, Geist/Intelligenz – über die aus ihnen hervorgehenden neuen Begriffe des wirtschaftlichen Wertes und des Kapitals hinter den die drei die Gesellschaft konstituierenden Bereiche des menschlichen Zusammenwirkens: Wirtschaft, Recht, Bildung/Wissenschaft. Wie aus den folgenden Ausführungen deutlich werden sollte, hat es dann die Wirtschaft als eines der unabhängig voneinander, selbstverwalteten Glieder des sozialen Organismus nur zu tun mit der Produktion nach dem vergleichsweisen Wert der Waren; Arbeit als Ware gibt es nicht mehr.

Das wirtschaftliche Maß

Als Bedürfnisträger und Leistungserbringer bilden Menschen eine arbeitsteilig zusammen wirtschaftende Gemeinschaft. Wie kann nun die zu lösende Aufgabe angegangen werden, dass jeder Leistungserbringer aus dem Erlös seiner Leistung seine Bedürfnisse aus den Leistungen der anderen befriedigen kann? „Alle Arbeit, die verrichtet werden kann, kann nur von der Bevölkerungszahl kommen, und alles, womit sich diese Arbeit verbinden kann, muss aus dem Boden kommen; denn das ist, was jeder braucht …“ (Rudolf Steiner, Nationalökonomischer Kurs, 14. Vortrag, GA 340; nachfolgend NöK genannt). Also stellen wir uns die eine Wirtschaftsgemeinschaft begründende Anzahl Menschen vor, arbeitend auf einer von ihr existentiell benötigten Bodenfläche zur Deckung ihrer existentiellen Bedürfnisse. Der Quotient aus der Division des Arbeitsergebnisses (Gesamtwert der Leistungen) durch die Bevölkerungszahl stellt das Existenzminimum pro Kopf dar, dem das Bedürfnis der Einzelnen den Wert beimisst, der sich deckt, zusammenfällt mit dem Wert, den die Erzeuger dafür zur Deckung ihrer Bedürfnisse fordern. Dieser für die Leistung der Einzelnen von Bedürfnis und Erzeugung gleichgesetzte Wert, mit dem jeder im Verhältnis zur Bevölkerungszahl an den Werten der anderen partizipiert, ist das Maß für die gegenseitige Bewertung der Leistungen und der ihnen rechnerisch entsprechenden Einkommen, auch im Fortgang der wirtschaftlichen Entwicklung, wie sich aus unseren Darlegungen noch zeigen wird. Als Maß hat der wirtschaftliche Wert nicht nur die Seite des Dinglichen, sondern es haftet ihm eine Zahl an, so dass die Leistungen in eine zahlenmäßige Gegenüberstellung gebracht werden können. Diese Funktion des Wertes als Zahl übernimmt das Geld als das äußere Mittel für den Austausch der Leistungen und zwar in Erfüllung des gekennzeichneten Postulates, wenn Geldschöpfung und Wertbildung zusammen gesehen werden, wenn die Geldmenge auf den Gesamtwert der von der kopfzahlmässig bestimmten wirtschaftenden Gemeinschaft erbrachten Leistungen und auf nichts anderes bezogen gedacht wird. Dann und nur dann fungiert das Geld als Buchhaltung der Leistungen, nur dann kommt ihm selbst kein Warencharakter und Eigenwert infolge einer Schöpfung auf einer anderen Basis zu; die Geldmenge geht nämlich in den stofflichen Leistungen auf. Bei der Wertbildung sind zwei Faktoren zu unterscheiden, die aber immer zusammenwirken. Wir haben zum einen die Natur als Substanz in Verbindung mit der direkt an ihr von einer bestimmten Bevölkerungszahl verrichteten körperlichen Arbeit als wertbildende Kraft; die daraus hervorgehenden Leistungen haben aufgrund der direkt aufgewendeten körperlichen Arbeit ihren höchsten Wert, geldlich die höchste Zahl. Nur auf das Arbeitsergebnis lässt sich der Begriff des Wertes im wirtschaftlichen Sinne anwenden, weder auf die Arbeit für sich, noch für auf das unbearbeitete Naturobjekt. Als eine zweite Wertbildung haben wir die Arbeit als Substanz in Verbindung mit dem sie organisierenden, lenkenden Geist in der Erscheinung der menschlichen Intelligenz als wertbildende Kraft. Durch die Organisation der Arbeit durch den Geist erhält die Arbeit in Verbindung mit ihrer objektbezogenen Lenkung selbst einen wirtschaftlichen Wert, dessen monetäre Entsprechung in dem neuen Verständnis das Kapital ist. Dieses entspricht dem Wert des Ergebnisses der körperlichen Arbeit, die infolge des zweiten Wertbildungsfaktors erspart wird. Diese zweite Wertbildung, die mit ihrer Emanzipation der körperlichen Arbeit von deren unmittelbarer Verbindung mit der Naturgrundlage die wirtschaftliche Entwicklung einleitet, hat einen kompensatorischen Effekt auf die erste; sie erhöht die Zahl der einzelnen Leistungen, reduziert dabei die auf die einzelnen Leistungen entfallende Wertzahl in Form des Geldes und/oder reduziert die Zahl an Produktionsmitteln körperlich arbeitender Menschen, stellt Menschen von der körperlichen Arbeit an Produktionsmitteln frei. Der Effekt der zweiten Wertbildung als Faktor der Kapitalbildung führt durch die neu konzipierte Geldschöpfung nicht zu individuell ausscheidbarem Geldkapital, wie es aus dem heutigen Geldsystem folgt und angestrebt wird. Weil sich der Wert des durch die intelligente Organisation der Arbeit erzeugten Mehr der Leistungen mit dem Wert der darauf bezogenen körperlichen Arbeit kompensiert, bleibt, bezogen auf die bestimmte Bevölkerungszahl, das Werttotal der im Währungsraum erzeugten Waren gleich, bleibt deren Wert gesamthaft bei gleicher Bevölkerungszahl gleich. Was jeder im Zustand der ersten Wertbildung, Arbeit angewandt auf die Natur, an Wert als Existenzminimum für sich erwirtschaftet, wird unter der Einwirkung der zweiten Wertbildung, Arbeit durch Geist organisiert, arbeitsteilig im Währungsraum geleistet; der Wert bleibt, bezogen auf die gleiche Bevölkerungszahl, gleich, aber es entfallen mehr Leistungen auf denselben Wert.

Der wirtschaftliche Wert als wirtschaftende Vernunft

Das ist der Knackpunkt im Verstehen Steiners Erkenntnis des wirtschaftlichen Wertes und seiner Wirkung auf die Preisbildung: „Das Wertverhältnis, das für die Bodenarbeit herbeigeführt wird durch das Verhältnis der Bevölkerungszahl zu der brauchbaren Bodenfläche“ (NöK). Die Verständigungsschwierigkeit liegt wahrscheinlich darin, dass der Gedanke dieses Wertverhältnisses nicht aus der Erfahrung stammt, seine Nachprüfbarkeit In Form nachträglicher Erfahrung (a posteriori) nicht ausgeschlossen ist, er aber nicht unmittelbar empirisch – beispielsweise aufgrund der Beobachtung von Naturvölkern im Amazonasgebiet – gewonnen wurde. Liegt in dem Gedanken andeutungsweise vor, was Steiner als Imagination bezeichnet? Es geht bei dem Wertverhältnis nicht nur um eine Vorstufe der an der Basis des Wirtschaftens stehenden Landwirtschaft. Es geht um das Maß als Schüssel zur Transparenz in allen Bereichen der Leistungserbringung, dem Gebiet der körperlichen und geistigen Arbeit sowie zur Transparenz der Einkommensbezüge in den einzelnen Verbraucherkategorien. Und das liefert der wirtschaftliche Wert, der zum Wert wird, indem und weil er den für den produzierenden und konsumierenden Menschen bezüglichen äußerlichen und innerlichen Aspekt im imaginativen gesellschaftlichen Urzustand – einem quasi vorwirtschaftlichen Zustand – als seinen Entstehungsmoment vereinigt:

  • das Minimum der existentiell benötigten Leistung mit dem Maximum an aufgewendeter körperlicher Arbeit (mit Einsetzen der zweiten Wertbildung geht das Minimum der Leistung in ein Mehr und das Maximum der körperliche Arbeit in ein Weniger über, aber der Gesamtwert der Leistungen ändert sich nicht)
  • den Herstellungs- mit dem Bedürfniswert (mit Einsetzen der zweiten Wertbildung fällt die Werteinheit auseinander, kann aber über die Preisbildung wieder erreicht werden)
  • die vom Einzelnen erzeugte Leistungsmenge mit der auf ihn entfallenden Geldmenge (mit Einsetzen der zweiten Wertbildung ändert sich an diesem Wertverhältnis aufgrund der gekennzeichneten Kompensation nichts)

Mit der aus der neu definierten Geldschöpfung entfallenden Quote, welche zunächst mit seinem rechnerischen Einkommen identisch ist, partizipiert jeder im Verhältnis zur Bevölkerungszahl an den Arbeitsergebnissen der im gleichen Währungsraum Arbeitenden. Geltung erhält diese Partizipation eigentlich erst mit dem Einsetzen der Arbeitsteilung aufgrund der zweiten Wertbildung. Damit entsteht das Problem, dass der für die Leistung vom Bedürfnis zugemessene und von der Herstellung geforderte Wert nicht mehr zusammenfallen, dass sie auseinanderdriften, woraus die eingangs gestellte, zu lösende Aufgabe resultiert. Dadurch, dass Dank der zweiten Wertbildung im Laufe der wirtschaftlichen Entwicklung immer mehr Leistungen auf die dem Einzelnen rechnerisch zukommende Geldmenge entfallen, besteht nun nicht etwa die Notwendigkeit zur Gleichmacherei; es können die Bedürfnisse der einzelnen auch bei unterschiedlichen Einkommen system/erkenntnisbedingt über die Preisbildung zur Erfüllung gebracht werden: aufgrund der Beobachtung der Bedürfnisse und deren Auswirkung auf die Preise werden im Interesse der auf die Bedürfnisbefriedigung mittels Gewichtung der zu erzeugenden Werte beruhenden wirtschaftlichen Prosperität Einrichtungen für das Produzieren getroffen werden, dass der Preis der erzeugten Leistungen über die Produktionsmenge ihrem wirtschaftlichen Wert „angeähnelt“ wird. Denn indem Herstellungswert und Bedürfniswert über die Produktionsmenge - Vermehrung oder Verminderung – dem wirtschaftlichen Wert, der Orientierungsgröße für die Einkommen, angeglichen werden, ist die bedürfnisbedingte Partizipation an der arbeitsteiligen Leistungserbringung permanent gewährleiste; der im Ursprung gleiche Wertenanteil der Einzelnen am Wert der Gesamtleistung der Bevölkerung setzt sich ja auch mit Einsetzen der zweiten Wertbildung fort, weil sich die Wertzunahme stofflicher Leistungen mit dem Wert der entsprechend ersparten körperlichen Arbeit kompensiert. Der Wertanteil einzelner Leistungen am Gesamtwert der Leistungen kann auf diese Weise ohne Beeinträchtigung der Partizipation variieren. Dieses sogenannte Wertverhältnis, also das Verhältnis der körperlichen – auch restlichen Körperlichen – Arbeit der Bevölkerung an den Produktionsmitteln, ist im Sinne der ersten Wertbildung – Arbeit an der Natur – in Form einer permanenten Projektion der Bevölkerungszahl auf die von ihr benötigte Bodenfläche zu denken; denn dieses Verhältnis unterliegt eben dauernden Veränderungen in der Gewichtung einzelner erzeugter Werte innerhalb des erzeugten konstanten Gesamtwertes sowie Veränderungen in der Anzahl an der jeweiligen partiellen Erzeugung beteiligter Menschen. Im ersten Teil des hier vorangehenden Satzes ist das Arbeitsergebnis das durch dieses Verhältnis Bedingte; im seinem zweiten Teil wird durch die an dieses Ergebnis gebundene Geldschöpfung das Bedingte zum die unter Einwirkung der zweiten Wertbildung entstehenden Arbeitsergebnisse in ihrem Preis Bedingenden, wenn und weil sich die Produktion nach dem Ausgleich zwischen Bedürfnis und Wert der Leistung richtet. (Das macht die Wirtschaftslehre zu einer Verbindung von Seins- und Sollwissenschaft). Die Quintessenz des Nationalökonomischen Kurses: Vergleich der Preisbildung zum Wertverhältnis, die Preise als Wertergebnisse aus bedürfnisbedingter Nachfrage und zugleich als initiierende Wertbildung zur Bedürfnisbefriedigung. Aus dem Grund des sich ständig verändernden Verhältnisses zwischen aufzuwendender Arbeitsmenge zur herzustellenden Gütermenge betont Steiner im 14. Vortrag des NöK, dass man nicht ohne weiteres fragen kann: wie viele Nüsse ist eine Kartoffel wert? Dass es sich darum handle, dass man fragen muss: die Nuss bedeutet Naturprodukt, verbunden mit menschlicher Arbeit; die Kartoffel bedeutet Naturprodukt, verbunden mit menschlicher Arbeit; wie vergleichen sich beide Werte?

Am Nicht-Verstehen der neu konzipierten Begriffe: wirtschaftlicher Wert, Kapital, Geldschöpfung, Preis, ihrer Zusammenhänge und Funktionen, kranken alle bisherigen Vorschläge zu einer Gelderneuerung. Der Wert der einzelnen Leistungen, die Bildung und Funktion des Preises bleibt nach wie vor in einem Unbestimmten. Dem in einem der letzten Leserbriefe des „Europäers erwähnten Hans Georg Schweppenhäuser beispielsweise stellte der Schreibende anlässlich einer Tagung in Dornach Ende der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts die Frage, wie er sich die Geldschöpfung nach Steiner vorstelle. Wohl in Anlehnung an Steiners Aussage, wonach die Währung die Summe der brauchbaren Produktionsmittel sei, an denen körperliche Arbeit geleistet würde, meinte Schweppenhäuser, die Geldmenge sei an die Investitionen für die künstlichen Produktionsmittel zu binden. Die Reaktion des Schreibenden war: Das kann Steiner so nicht gedacht haben, und er nahm sich das Studium des Nationalökonomischen Kurses vor. Schweppenhäuser beachtete den erwähnten kompensatorischen Effekt des zweiten Wertbildungsfaktors nicht, wonach aufgrund dessen zunehmender Kapitalbildung der geldliche Investitionsaufwand für Produktionsmittel sich verringert, er die Geldmenge um den Gegenwert der ersparten körperlichen Arbeit verringert, weshalb er nicht das Schenkungsgeld für die Einkommen der von der körperlichen Arbeit an Produktionsmitteln freigestellten Menschen aus der Geldschöpfung, das heißt, aus der an die Bevölkerungszahl gebundenen Wertbildung und daran gebundenen Geldmenge ableiten konnte.

Steiners Definition der Währung

Die Währung als nach Rudolf Steiner als die „Summe der brauchbaren Produktionsmittel, an denen körperliche Arbeit geleistet wird, (…) worunter in erster Linie Grund und Boden bestehen wird“ NöK), leitet sich aus dem von ihm aufgezeigten Wertverhältnis ab. Die durch ihre Organisation unmittelbar am Boden ersparte körperliche Arbeit setzt sich an künstlichen Produktionsmitteln, finanziert aus dem Gegenwert der ersparten körperlichen Arbeit, dem Kapital, fort. Wir haben in den künstlichen Produktionsmitteln den verlängerten Boden zu sehen, aus dem jetzt mehr einzelne Leistungen hervorgehen, deren Gesamtwert aber, bezogen auf die Bevölkerungszahl gleich bleibt, repräsentiert durch das, was Steiner als Kaufgeld bezeichnet. Denn alles Geld bezieht sich durch seine Entstehung mit der Bildung des charakteristischen Wertverhältnisses, nämlich durch seine Bindung an Leistungen, die durch körperliche Arbeit an den Produktionsmitteln erzeugt werden, auf stoffliche Leistungen. Innerhalb des Kaufgeldes zirkuliert als Äquivalent der unmittelbar am Boden ersparten körperlichen Arbeit das Kapital zur Erweiterung der stofflichen Produktion in Form des von Steiner bezeichneten Leihgeldes und/oder als Einkommen der geistig Tätigen und reinen Verbraucher in Form des Schenkungsgeldes. Durch Bedürfnis und Herstellung, wohinein die Kapitalbildung spielt, ändert sich der Wertanteil einzelner Leistungen am Gesamtwert der Leistungen. Das gilt natürlich auch für künstliche Produktionsmittel, weshalb ihr Herstellungswert nicht Kriterium der Geldschöpfung sein kann. Aus dem Verständnis des Zusammenhanges des gekennzeichneten Wertverhältnisses mit der Geldschöpfung ergibt sich auch unmittelbar, dass das Geld ausgedient hat, so genannt alt wird, indem es vom Käufer eines Gutes an dessen Hersteller als Verkäufer übergeht, dort gesammelt wird, um wiederum als Einkommen zum Erwerb eines neu bearbeiteten Naturproduktes in Zirkulation zu gehen. Die praktische Handhabung des neuen Geldwesens bis hin zur Kontoführung hat der Schreibende ausführlich in seiner Schrift Das neue Geld dargelegt.

Alexander Caspar, Kilchberg