Save our Seeds - Wem dient die Gentechnik ?

01.12.2003

Save our Seeds

Um die Gentechnik in Europa trotz des massiven Widerstands in der Bevölkerung einführen zu können, hatte sich die EU-Kommission etwas einfallen lassen: Genprodukte sollten zwar gekennzeichnet werden, aber auch bald zur Regel werden. Die Idee: Mit Veruneinigungen im Saatgut sollte man es nicht so genau nehmen, so daß kein Bauer mehr imstande wäre, einen genfreien Anbau zu garantieren.

Seit Herbst 2002 mobilisiert die Zukunftsstiftung Landwirtschaft mit der Initiative Save our Seeds gegen diesen Gesetzentwurf der EU-Kommission und kann nun erste Erfolge vermelden. So mußte die EU-Kommission auf Druck der Mitgliedstaaten und des Europäischen Parlaments auf einen Verfahrenstrick verzichten, wodurch das Gesetz nur durch eine qualifizierte Mehrheit (62 von 87 Stimmen) der Mitgliedstaaten zu kippen gewesen wäre. Jetzt müssen nicht mehr die Gegner der Gentechnik, sondern die EU-Kommission selbst eine qualifizierte Mehrheit für ihr Vorhaben gewinnen. Da die Mehrheit aber bis heute dagegen ist, hat die EU-Kommission die Abstimmung bis auf weiteres verschoben. Zunächst gilt also weiterhin, dass GVOs im Saatgut grundsätzlich gekennzeichnet werden müssen - ohne Grenzwert.

Die Mitglieder der Initiative Save our Seeds und andere Kritiker des Gesetzes werten dies als einen ersten wichtigen Etappensieg in ihrem Kampf für ein Reinheitsgebot für Saatgut. Die Kampagne Save our Seeds geht also weiter. Inzwischen haben 200.000 Bürgerinnen und Bürger und rund 300 Organisationen und Unternehmen mit mehr als 25 Millionen Mitgliedern in ganz Europa ein Reinheitsgebot für Saatgut gefordert.

Wer haftet für die Gentechnik?

Mit seiner konservativ-liberalen Landesregierung ist Sachsen-Anhalt ein Vorreiter der Gentechnik in Deutschland. Die Landesregierung plante für 2004 ein umfangreiches Anbauprogramm transgener Pflanzen (vor allem Bt-Mais). Das Magdeburger Wirtschafts- und das Agrarministerium hatte daher zu einer Pressekonferenz eingeladen. Dort wollten sie eine von Gentechnikunternehmen und Bauernverbänden getragene Absichtserklärung für den Einstieg in den großflächigen Gentech-Anbau bekannt geben. Alle Verbände der Landwirte verweigerten aber ihre Unterschrift. Ihre Begründung: "Den Koexistenzversuchen kann nur zugestimmt werden, wenn vorab vereinbart werde, welche Abstände eingehalten werden müssen, wie Haftung, Informationspflicht und Kontrollen aussehen".

Dabei am wichtigsten ist wohl die Frage der Haftung. In Nordamerika gehen immer mehr Biohöfe zugrunde, seitdem ihre Felder durch Nachbarfelder gentechnisch verseucht werden. Dort werden von den Gerichten nicht die Gentechunternehmen oder diejenigen Farmer, welchen deren Saatgut einsetzen dafür verantwortlich gemacht, sondern die Biobauern. Sie werden zu Gentechdieben erklärt und zum Schadenersatz verurteilt. Um weiter zu machen müssten sie auf immer mehr Pflanzen verzichten, die sie aber für ihren internen Kreislauf unbedingt brauchen. Biohöfe treiben eben keine Monokultur, sondern setzen Pflanzen und Tiere so ein, daß sie sich gegenseitig ergänzen und unterstützen. Sie bekommen schnell Probleme, wenn immer mehr Pflanzenarten gentechgefährdet sind.

Daher ist es Renate Künast – der grünen Verbraucherministerin – hoch anzurechnen, daß sie sich gegen Wolfgang Clement – den sozialdemokratischen und gentechfreundlichen Wirtschaftsminister - durchsetzen konnte und mit ihrem Gentechnikgesetz dafür sorgt, daß in Deutschland - anders als in Nordamerika - das Verursacherprinzip gilt und sich daher kaum einer wagt, GVOs anzubauen.

Wem dient die Gentechnik?

Wer sich die Umfragen zur Gentechnik anschaut, müsste eigentlich ziemlich erstaunt sein. Wenn etwa 3/4 der europäischen Bevölkerung die Gentechnik ablehnen, wieso gibt es – daran gemessen – so wenig Widerstand dagegen?

Fragt man genauer als es die Umfragen machen, kommt man schnell auf die Ursache. Manche sind zwar gegen die Gentechnik, meinen aber, daß sich der Hunger in der Welt nur durch Gentechnik überwinden läßt. Dies hindert sie daran, gegen die Gentechnik aktiv zu werden.

Was sie nicht wissen, ist daß auf der Welt schon heute genug Nahrung produziert wird. Der Welthunger ist kein technisches, sondern ein soziales Problem. Zu den Ursachen gehört zum Beispiel, daß die Industrieländer durch die Subventionierung ihrer Landwirtschaft mit 1 Milliard Dollar pro Tag die Bauern in den Entwicklungsländern ruinieren. Sie können bei solchen Dumpingpreisen nicht mithalten. Sie müssen dann ihr Land verlassen und landen in die Slums der Großstädte. Gerade die Überproduktion kann also zur Verarmung führen.

Schaut man auf die wirtschaftlichen Hintergründe der Gentechnik, so kommt man schnell zum Ergebnis, daß sie den Welthunger nur verschlimmern wird.

Die Gentechnik wird eigentlich von den Pestizidherstellern vorangetrieben. Sie wollen die Bauern dadurch an sich binden, daß die Gentechpflanzen gegen die hauseigenen Pestiziden resistent sind, aber die Produkte der Konkurrenz nicht vertragen. Dabei müssen sie so viel investieren, daß sie nur ganz wenige Sorten erzeugen können. Das mag für nord- und südamerikanische Großgrundbesitzer durchaus interessant sein, für Kleinbauern in den Entwicklungsländern ist das eine Katastrophe. Sie brauchen Sorten, die genau an den lokalen geographischen Verhältnissen angepaßt sind, um das Beste aus ihrem Boden zu holen. Deswegen sind sie auch die schärfsten Gegner der Gentechnik. Die Gentechnik kann nämlich, wenn überhaupt, höchstens dort zur Produktionssteigerung führen, wo sich die konventionelle Landwirtschaft - samt Pestizideinsatz - schon durchgesetzt hat, das heißt in Amerika und Europa. Für die Bauern der Entwicklungsländer würde es bedeuten, daß sie noch stärker unter Preisdruck geraten. Und wären ihre Felder einmal verseucht, könnten die Gentechkonzerne – wie schon in den Vereinigten Staaten – einklagen, daß sie die Gensaaten auch kaufen müssen, obwohl sie als Allerweltssamen nur Nachteile bringen.

Viel sinnvoller für die Entwicklungsländer ist der ökologische Landbau, der dort - im Unterschied etwa zu Europa - erfahrungsgemäß zu Ertragssteigerungen führt.

Alternativen zur Gentechnik

Die Zukunftsstiftung Landwirtschaft setzt sich gerade deswegen so stark gegen Gentechnik im Saatgut ein, weil sie den Großteil ihrer Spendenmittel in die Entwicklung von speziellem Saatgut für den biologischen Anbau investiert. Diese ganze Forschungsförderung wäre umsonst, wenn das neue Saatgut am Ende doch verseucht werden würde.

Bei der Kultivierung und Züchtung neuer Pflanzensorten wird – im Unterschied zur Gentechnik – der natürliche Zusammenhang berücksichtigt, genutzt und respektiert. Dies ermöglicht nicht nur den Verzicht auf Pestizide und Kunstdünger, sondern läßt den Landwirten die Möglichkeit, die neuen Sorten selbst fortzuentwickeln und regionalen Erfordernissen anzupassen. Dies ist bei den heutigen Hochleistungssorten nur noch selten der Fall.

Diese Art der Forschung hat noch einen anderen Vorteil. Da keine milliardenschwere Großkonzerne dahinter stehen, entwickelt sie sich weitgehend durch Spenden. Die wissenschaftlichen Ergebnisse werden dann der Öffentlichkeit frei zur Verfügung gestellt. Geist wird nicht mehr zum Monopol, ein Grundanliegen der sozialen Dreigliederung. Anthroposophische Unternehmen sollten es sich zum Vorbild nehmen, statt zu glauben, daß sie mit einer firmeneigenen Forschungsabteilung irgendwie zu einer sozialen Dreigliederung beitragen. Damit würden sie nur weiterführen, was die Großkonzerne der Chemieindustrie vorgezeigt haben. Nach der Devise: Forsche und behalte die Ergebnisse für dich, damit du mit der Zeit immer größer wirst.

Unternehmen werden dabei nicht nur größer, sondern auch ungeduldiger. Wer Forschung – wie das Gentechunternehmen Monsanto – auf Pump finanziert, steht nämlich sehr schnell in einer Zwangslage. Kommt es nicht sofort zu einer Anwendung, ist die Firma bald Pleite. Dies erklärt die Hektik, mit der die Gentechnik zur Zeit getrieben wird. Es wurde viel investiert – die Grundlagenforschung aber vernachlässigt. Das Geld muß jetzt wieder hereinkommen, egal was es der Menschheit kostet.

Wer eine andere Zukunft will, sollte daher nicht nur an der Unterschriften- und Postkartenaktion von Save our Seeds beitragen, sondern auch mal der Zukunftsstiftung Landwirtschaft etwas spenden, um eine neue Forschungskultur zu fördern. Unterstützt wird zum Beispiel der biodynamische Dottenfelderhof, wo Dieter Bauer seit über 20 Jahren an der Entwicklung neuer Sorten arbeitet.

Sylvain Coiplet


Weiterführende Links
Zukunftsstiftung Landwirtschaft - www.zs-l.de
Initiative Save our Seeds - www.saveourseeds.org/de/index.php
Institut für soziale Dreigliederung - www.dreigliederung.de/gentechnik


Quelle: Aufsatz "Gentechnik im Saatgut: Protest zeigt erste Erfolge" im Trigolog Berlin 12/2003, vom Autoren genehmigter und überarbeiteter Nachdruck (zuletzt 04/2005).