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Alltag im Kreditbereich
Quelle
Zeitschrift „Bankspiegl“
Heft 2/1997
Gespräch mit Michael Lieberoth-Leden und Rolf Novy-Huy, Kreditberater bei der GLS Gemeinschaftsbank eG in Bochum
Wie kommt ein Kredit bei der Gemeinschaftsbank zustande?
Rolf Novy-Huy: Zum ersten Kontakt kommt es oft per Telefonanfrage, es gibt auch briefliche Anfragen. Ein Teil der Interessenten kennt die GLS zu dem Zeitpunkt noch nicht, so daß wir unsere Instrumente erst erklären müssen. Hier entscheidet sich dann auch durchweg bereits, ob die Gemeinschaftsbank die richtige Partnerin ist.
Michael Lieberoth-Leden: Die Anfragen kommen oft sehr frühzeitig, im Vorfeld der Planung, so daß man das Projekt eine ganze Weile begleitet. Wenn man dann das Gefühl hat, es könnte etwas werden, bringen wir die Angelegenheit in den Kreditkreis, der sich aus Mitarbeitern der Kreditabteilung, einem Mitarbeiter der Einlagenabteilung sowie einem Vorstandsmitglied zusammensetzt. Hier werden grundsätzliche Finanzierungsbereitschaft und Konditionen abgestimmt.
Welche Kriterien gibt es für die Kreditentscheidung?
Michael Lieberoth-Leden: Die Zielsetzung der Gemeinschaftsbank liegt im ökologischen und sozialen Bereich. Einer Gruppe von Menschen wird wegen des sozialen Elementes tendenziell eher ein Kredit gewährt als einem „Einzelkämpfer“. Die gebündelte Kompetenz in einer Gemeinschaft kann sehr hilfreich sein. Generell gilt: je gemeinnütziger, im weitesten Sinne, ein Antragsteller, desto lieber.
Rolf Novy-Huy: Der teilweise Zinsverzicht unserer Einleger verbietet es an sich, bei den Kreditnehmern quasi Vermögensbildung von Einzelpersonen zu unterstützen.
Wieviel Prozent der angefragten Finanzierungen kommen tatsächlich zustande?
Rolf Novy-Huy: Der Anteil ist relativ hoch; er liegt ca. bei 80 %. Man muß aber bedenken, daß bereits ein bestimmtes Klientel auf uns zukommt. Wenn wir einen Kredit ablehnen, erklären wir auch möglichst offen, warum. Zum Beispiel, wenn eigentlich Eigenkapital und keine Bankfinanzierung gefordert ist.
Hat es in den letzten Jahren Veränderungen bei den Kreditanfragen gegeben?
Michael Lieberoth-Leden: Tendenziell sind die wichtigsten Bereiche nach wie vor Landwirtschaft, Schulen, Heilpädagogik und Kultur. Der Energiebereich, Wind- und Wasserkraft, gewinnt an Bedeutung. Das durchschnittliche Kredivolumen ist gewachsen, die Laufzeiten sind länger geworden.
Rolf Novy-Huy: Wir vergeben verstärkt längerfristige Investitionskredite und sogar ganze Kreditpakete, also Leihgemeinschaft plus Bürgschafts- plus Grundschuldkredit bis hin zu Gesamtfinanzierungen.
Was unterscheidet die Gemeinschaftsbank von anderen Banken?
Rolf Novy-Huy: Wir können in bestimmter Hinsicht mehr Know-How bieten als andere Banken. Der Umgang mit Gruppen als Kreditnehmer ist für uns kein Problem. Unsere Instrumente „Leihgemeinschaft“ und „Bürgschaftskredit“ sind einzigartig. Auch die Kooperation mit unserer Treuhandstelle mit dem dazugehörigen Rechtswissen ist wohl einzigartig.
Michael Lieberoth-Leden: In erster Linie das Kostendeckungsprinzip unserer Non-Profit-Einrichtung. Wir sind die einzige Bank in Deutschland, die so arbeitet. Hierdurch ergibt sich einfach ein tiefergehendes Verhältnis zum Kreditnehmer, für den die Bank eine Selbsthilfeeinrichtung darstellt.
Würden Sie gern mehr Zeit bei den Projekten vor Ort verbringen?
Michael Lieberoth-Leden: Ja, man kann ein Projekt erst dann wirklich beurteilen, wenn man die Stimmung vor Ort erlebt hat. Man erkennt, was die Menschen in den vergangenen Jahren bereits geleistet haben. Oft sieht man auch dann erst die wesentliche Rolle der Frauen in der Einrichtung, obwohl zum Gespräch in der Bank meist die Männer erscheinen.
Rolf Novy-Huy, 10 Jahre im Auslandsgeschäft bei der Commerzbank, weitere 10 Jahre bei der Bayrischen Hypotheken- und Wechselbank in der Firmenkunden- und Baufinanzierung, seit 4 Jahren bei der Gemeinschaftsbank
Michael Lieberoth-Leden, 20 Jahre bei der Dresdner Bank, Kreditgruppenleiter, seit 5 Jahren bei der Gemeinschaftsbank