Von der DDR nach Europa

26.06.1994

Interview mit Dr. Wolfgang Ullmann (Europa- und Bundestagsabgeordneter) / Thema "Dreigliederung des sozialen Organismus", Mikro-, Makrokosmos / am 26.06.1994 in Berlin bei ihm zu Hause / Interviewer (c) Sebastian Schöck Berlin, (c)-Vetorecht bei Publikationen hat der Interviewpartner / Kamera Wolfgang Schwartz / Bandformat: BetacamSP

S.: Ja, wir sprechen mit Dr. Wolfgang Ullmann vom Bündnis 90 / Die Grünen, Europaparlamentarier, frischgebacken. Würden Sie sich bitte kurz vorstellen?

Ullmann: Ja, ich bin zur Zeit aber auch noch Bundestagsabgeordneter für Bündnis 90 / Die Grünen und werde es bleiben bis zum Ende der Legislaturperiode, und bin in der Bundestagsgruppe rechtspolitischer Sprecher.

S.: Können Sie etwas über Ihren beruflichen Werdegang noch ein bißchen erwähnen?

Ullmann: Ja. Das kann ich. Das ist mein dritter Beruf, den ich jetzt ausübe. Ich war anfangs Pfarrer, Pfarrer aus einer sächsischen Beamten- und Gastwirtsfamilie herkommend. Dann war ich den größeren Teil meiner Berufsbiografie theologischer Lehrer an zwei kirchlichen Hochschulen, erst in Naumburg und dann hier in Berlin, das Gebäude ist hier nebenan, in dem ich gelehrt habe, und habe meine theologische Lehre als eine betrachtet, die von dieser Gemeindearbeit herkam, in der ich gestanden habe sieben Jahre. Und als Politiker verstehe ich mich als jemanden, der aus der Bürgerbewegung herkommt und diese Herkunft auch nie zu verleugnen gedenkt.

S.: Würden Sie noch etwas kurz zu ihrer Arbeit sagen, ihrer gegenwärtigen Arbeit vielleicht, wie das jetzt so aussieht, wenn Sie was - ?

Ullmann: Ja, im Abschluß ist die Arbeit an den Eigentumsgesetzen der DDR, die (Kameramann: Sag bloß es fiept, momentmal bitte ... gut, läuft wieder) - ja, jetzige Arbeit - kurz vor dem Abschluß steht die Debatte über die Verfassungsreform. Nächste Woche wird das Thema im Plenum des Bundestages sein. Es sind dann noch einige Gesetzesvorhaben von Bündnis 90 / Die Grünen auf der Bahn in bezug auf Strafrechtsänderungen, dann die jüngste Initiative von uns, auch für Homosexuelle Lebensgemeinschaften Ehe zu ermöglichen, eine wichtige Änderung des bürgerlichen Gesetzbuches. Und dann geht da nun die Grenze schon hinüber zum Europaparlament. Das ist die Vorbereitung eines neuen Asyl-, (Ein-) Flüchtlings- und Einwanderungsrechtes im Rahmen der Europäischen Union. Worauf ich zugehe im Europäischen Parlament, das ist die Mitarbeit im Rechtsausschuß oder Commission Juridique, wie sie da heißt, und da wird natürlich auch die Arbeit an dem Verfassungsentwurf des Europäischen Parlamentes mich eingehend zu beschäftigen haben.

S.: Was begeistert Sie an Ihrer Arbeit und welche Einschränkungen erfahren Sie vielleicht als Parteipolitiker?

Ullmann: Ich freue mich aber, daß mich mal jemand fragt, was mich begeistert, und das gibt es durchaus. Ich habe ja sehr anstrengende Wahlkampfwochen hinter mir, die aber das für mic

h erquickende Erlebnis in sich schlossen, daß ich kreuz und quer in unserem Lande herumfahren mußte und überraschrt war, wie viele sehr schöne Gegenden es in der Bundesrepublik Deutschland gibt, und jedesmal mußte ich wieder denken, es ist doch gut, etwas dafür tun zu können, daß die Leute, die in diesen schönen Gegenden wohnen, friedlich leben und arbeiten können.

S.: Vielleicht - ja, welche Einschränkungen erfahren Sie als Parteiangehöriger oder können Sie...

Ullmann: Das hängt nun einfach mit -

S.: - Fraktionszwang -

Ullmann: - ja, also mit den üblichen parlamentarischen Gegebenheiten zusammen. Wir sind eben eine kleine Gruppe, die nichtmal Fraktionsstatus hat, und das bringt einerseits gewisse Einschränkungen mit sich. Man hat eben gewisse Rechte nicht, die die Fraktionen haben. Auf der anderen Seite genießen wir, man muß schon sagen, erhebliche Privilegien, indem wir eigentlich in fast allen Gremien des Bundestages überrepräsentiert sind, wenn man also streng die Rechenregeln des de Hondtschen Verhältniswahlrechtes anwendet, dann könnten wir in vielen Ausschüssen nur einen Bruchteil einer einzigen Stimme stellen. Wir sind aber überall dort vertreten, wo wirs wollen. Wir haben ein Ausmaß an Rederechten, daß manche Kollegen aus großen Fraktionen uns beneiden. Und das war auch der Grund, warum wir nicht wie die PDS gegen diese Situation geklagt haben und durchsetzen wollten, Fraktionsstatus zu erhalten.

S.: Sie kommen ja aus der Bürgerbewegung, vom runden Tisch her auch, und vom - ja, vielleicht können Sie das beschreiben, wie sich die Wende da entwickelt hat, vielleicht was kurzes dazu, und wie es heute aussieht.

(Fitz-Hinweis : runde tische -heute !!:)

Ullmann: Ja, das ist nicht ganz einfach, einen so komplizierten historischen Vorgang in zwei Sätzen zu charakterisieren, das will ich auch gar nicht erst versuchen, und nur eines sagen, daß die Ideen und Perspektiven, die wir in den Entwürfen des Runden Tisches niedergelegt haben, oder auch in den Papieren von Demokratie Jetzt, die damals entstanden sind, im Herbst 1989, wenn ich heute auf sie zurückblicke, ich einfach sagen muß, wir hatten viel mehr Rechte als wir damals sehen konnten, wo wir noch verhältnismäßig eng unseren Horizont auf die DDR begrenzten und zunächstmal in deren Rahmen agieren wollten. Was wir da gemacht haben, hat sehr viel mehr Relevanz für die Bundesrepublik im ganzen, das gilt gerade, weil wir jetzt in einer politischen Situation sind, die genau gegenläufig zu unseren Ideen ist, eine - man könnte sagen, eine Art Rückschlag, Restauration bis Reaktion, aber gerade das bekräftigt mich eher in der Überzeugung, daß unseren Ideen die Zukunft gehört.

S.: Sie meinen damit die Ideen der direkten Demokratie, oder - ?

Ullmann: Das ist das eine, dann das Konzept einer ökologischen Politik, und wir kommen ja wahrscheinlich darauf nochmal zurück, wenn ich die Fragen richtig verstanden habe, die sie mir geschickt haben, das Konzept einer vernünftigeren Streuung von Vermögen und Eigentum als es derzeit in unserer Gesellschaft der Fall ist.

S.: Wie sieht diese Bürgerbewegung der ehemaligen DDR heute aus?

Ullmann: Das ist verhältnismäßig kurz zu beantworeten. Einerteils ist sie aufgegangen in Bündnis 90 / Die Grünen, fusioniert, also in Bündnis 90, so muß ich sagen, fusioniert mit den Grünen, das ist ja auch eine ehemalige Bürgerbewegung, es gibt noch Reste des Neuen Forums, und es gibt nach wie vor im ganzen Lande, Ost wie West, zahlreiche Bürgerinitiativen, die sich dann auch an Wahlen beteiligen, vor allen Dingen auf kommunaler Ebene.

S.: Und welche Chancen sehen Sie für die in der Zukunft?

Ullmann: Ihre Bedeutung wird eher zunehmen.

S.: Zu dieser neuen Verfassung: Sind Sie mit Inhalt und Entstehung dieser neuen Verfassung durch die Verfassungskommission des Bundes einverstanden?

Ullmann: Nein. Schon weil ich sagen muß, eigentlich übertreibt die Frage. Es ist ja gar keine neue Verfassung entstanden. Wir haben das alte Grundgesetz und wir haben ein verschlimmbessertes altes Grundgesetz. Natürlich gibt es auch begrüßenswerte Ergänzungen und Veränderungen, die der Arbeit der gemeinsamen Kommission entsprungen sind. Etwa die beiden Europaartikel 23 und 45, wo es einmal um die Länderrechte bei der Übertragung von Hoheitsrechten an die Europäische Union geht, Artikel 23, ich finde das eine gute Symbolik, daß der alte Beitragsartikel jetzt ein Europaartikel geworden ist, Artikel 45, die Einrichtung eines Europaausschusses des Deutschen Bundestages, der mit besonderen Rechten ausgestattet ist, zum Beispiel dem weitgreifenden Recht im Namen des ganzen Bundestages sprechen zu können. Auch die übrigen Änderungen im Staatszielbereich werden von mir bejaht, wenn auch die Formulierungen bei weitem nicht dem entsprechen, was unseres Erachtens für eine moderne Verfassung erforderlich ist. Es gibt zwei, denke ich, zwei schwerwiegende Mängel des ganzen: Das eine ist der grundsätzliche, daß der Schritt, der verfassungsgebende Schritt vom Grundgesetz zur Verfassung aller deutschen Länder nicht getan worden ist, wie es Präambel Artikel 146 vorsah, und daß zweitens die Probleme des Föderalismus, etwa im Bereich der Finanzverfassung, jetzt sogar im Bereich der Gesetzgebung neuerdings wieder in Frage gestellt durch Meinungsverschiedenheiten in der Koalition, daß das alles überhaupt nicht zum Zuge gekommen ist und damit der Auftrag des Einigungsvertrages sowie des Einsetzungsbeschlusses für die gemeinsame Kommission nicht erfüllt worden ist.

S.: Wie stehen Sie zu dem Prozeß, mit dem eben diese Verfassung verändert wird oder wurde? Also Sie kommen ja eigentlich aus der Bürgerbewegung - müßte man nicht eigentlich sagen, die Bürger müßten eine neue Verfassung machen, oder wenigstens abstimmen, oder wenigstens verbessern können?

Ullmann: Ja, das haben wir immer gesagt, das habe ich auch in der Kommission vertreten. Dazu wird es jetzt bis auf weiteres nicht kommen. Das zeigt die ganze Rückständigkeit der Demokratie und auch der Verfassungslage in unserem Lande, denn den Bewohnern der ehemaligen DDR ist also das Recht bisher vorenthalten, mitzuwirken beim verfassungsgebenden Akt. Es wird immer damit begründet, sie hätten sich ja schließlich zum Beitritt zur Bundesrepublik Deustchland entschlossen, was ja durchaus richtig ist, aber eben zur Konsequenz hätte haben müssen, daß sie gemeinsam mit den anderen diesen verfassungsgebenden Akt vollzogen. Ich kann nur wieder sagen, wenn jetzt alle Welt darüber philosophiert, warum so viele Leute in der ehemaligen DDR jetzt PDS wählen, dann liegt doch der Grund einfach darin, daß eine gemeinsame politische Willensbildung bisher überhaupt nicht zustandegekommen ist, und wir haben ja von seiten der Bürgerbewegung darum den Vorschlag gemacht, eine verfassungsgebende Versammlung einzuberufen, die eben nicht nur aus Politikern und Parlamentariern, oder Parlamentariern, bestehen darf.

S.: Wo sehen Sie die Probleme der Europäischen Union. Welche Chancen sehen Sie dabei und welche Verbesserungsvorschläge haben Sie?

Ullmann: Ein Grundproblem ist ja dieses, daß die Europäische Union heute noch weitgehend eine Wirtschafts- und Zollunion ist. Eine - ein gemeinsamer großer Markt. Daß sie aber seit der einheitlichen Akte von 1986/87 und vor allen Dingen seit dem 1. November 1993 auch eine politische Union sein will und zweifellos auch ist. Aber dazwischen gibt es nun eine große Spannung. Daß diese Union eine wirkliche Union der Völker ist, wie der Maastricht-Vertrag es vorsieht, das kann keineswegs gesagt werden, und man muß auch kritisch anmerken, daß der Maastricht-Vertrag durch sein 3-Säulen-Konzept - einheitlicher Markt, einheitliche Außen- und Sicherheitspolitik, und drittes - dritter Bereich dann eine einheitliche Währung - das Konzept einer wirklichen politischen Union der Völker eher (fern) in eine größere Ferne gerückt hat, und hier ist es zweifellos nötig, einen Prozeß der Demokratisierung durchzuführen. Ich glaube, daß das auf europäischer Ebene zu geschehen hat. Es müssen die jetzt schon laut Maastricht bestehenden Mitwirkungsrechte der Unionsbürgerinnen und Bürger wirklich in Kraft gesetzt und effektiv gemacht werden. Es reicht aber noch nicht aus, was freilich - mit Blick auf die Bundesrepublik Deutschland muß man das sagen - auch Änderungen und Erweiterungen demokratischer Rechte im nationalen Bereich auf Bundesebene zur Voraussetzung hätte.

Wenn wir keine Volksentscheide zu künftigen Integrationsschritten der Europäischen Union bekommen, dann wird die Entfremdung zwischen diesem politischen Gebilde und den Bürgern noch größer werden.

Ein weiterer Schritt - vielleicht müßte man sogar sagen, er ist eigentlich der erste - wäre die Entscheidung der Europäischen Union, die jetzige expansionistische und ausbeuterische Industriepolitik zu ersetzen durch eine Ökotechnologie, was das Weißbuch der Kommission freilich auch vorsieht, aber erst an dritter Stelle des industriepolitischen Konzeptes. Es müßte auch, denke ich, das ist besonderes Augenmerk von Bündnis 90 / Die Grünen, sowohl auf nationaler wie auf europäischer Ebene endlich zu einem völlig anderen Verhältnis von Agrar- und Industriepolitik kommen. Das mag merkwürdig klingen, wenn ich das im Zusammenhang mit einer Forderung nach mehr Demokratie sage, aber in meinen Augen ist das auch eine Demokratieforderung, denn jetzt ist es durchaus so, daß die Agrarpolitik gewissermaßen von der Industriepolitik hinterhergeschleift wird, und so sehe ich das auch als eine Art Demokratisierung im ökologischen Sinne des Wortes an, daß das Verhältnis anders wird, daß die Agrarpolitik (ein) an Selbständigkeit gewinnt, die ihr von ihrer ungeheuren Kulturbedeutung her zukommt, und schließlich - das halte ich für ganz wichtig in diesem Zusammenhang - ist es nötig, daß die Europäische Union wirklich europäisch wird und nicht so westeuropäisch bleibt, wie sie das im Moment noch ist.

S.: Sollte man den Poltikern nicht vielleicht nur die rein rechtlichen Fragen überlassen und (eigentlich), daß sie eigentlich nur vieles kaputtmachen können, wenn sie sich um wirtschaftliche Belange kümmern und eigentlich auch um kulturelle Belange, wenn man da jetzt von "Einheit der Völker" redet, dabei geht es da ja um Abmachungen der Menschen, und die sind halt ganz unabhängig von Völkern, so wie politische Meinungen ganz unabhängig von Parteien sein können. Und Sachentscheidungen sind auch unabhängig.

Ullmann: Ja, in gewisser Weise ist das schon richtig, aber es gibt eben auch von all diesen genannten Bereichen her, die Sie angesprochen haben - Recht, Wirtschaft, Kultur - Beziehungen zur Politik, und ich könnte natürlich als Rechtspolitiker gerade sagen: ja, warum nicht. Wir haben es ja in der Regel immer mit Gesetzen zu tun, also ist der Politiker allein für die Rechtssphäre zuständig, aber es stimmt eben doch nicht. Wirtschaft kann ohne bestimmte politische Voraussetzungen nicht praktiziert werden. Das haben wir ja nun gerade gesehen, vor dem Fall der Mauer und des Eisernen Vorhangs.

S.: Aber da ist es ja so, daß die Politik so stark in die Wirtschaft reingemischt hat, daß also die wirtschaftlich Handelnden völlig unselbständig wurden...

Ullmann: Ja, ja, ja, richtig, und das mußte man ändern, und das ging nicht anders als das politisch zu ändern, und so wird es, wenn ich nochmal die EU ansprechen darf, doch eine Erörterung darüber geben müssen, und die ist notwendigerweise dann auch politisch zu entscheiden, ist das Konzept richtig, das im Delors-Weißbuch steht: an erster Stelle Informationsschnellstraße, an zweiter Stelle Biotechnologie und erst an dritter Ökotechnologie. Ich halte das jedenfalls nicht für die richtige Tagesordnung, sondern würde eher umgekehrt sagen, zuerst kommt die Ökotechnologie, und die ganze Breite heutiger Informationsmöglichkeiten, (kommun-) technischer Kommunikationsmöglichkeiten, sollte in deren Dienst gestellt werden, und dann können wir sehen, was wir noch an Biotechnologie brauchen. Oder, denken Sie an das Verhältnis einer EU-Industrie- und Agrarpolitik im Verhältnis zu dem GATT-Abkommen. Das sind ganz wichtige politische Fragen, die die Wirtschaft allein nicht lösen kann.

S.: Ja, vielleicht, weil die Politik schon tausende von Seiten vorproduziert hat, und da...

Ullmann: Ja, das hat sie, das hat sie, aber es hat ja keinen Zweck, das in die Ecke zu legen und zu sagen, so soll es nicht sein. Also selbst wenn man sagt, so soll es nicht sein, dann muß man Politik machen im Interesse einer Bewegungsfreiheit der Wirtschaft, würde ich Ihnen durchaus zustimmen, genau dasselbe kann man über die Kultur sagen, aber gerade, wenn man über die jetzige elende Situation der Kultur sieht, daß sie ja, wie ich es vorhin von der Agrarwirtschaft gesagt habe - sie wird der Industrie hinterhergeschleift, so wird die Kultur jetzt von gewissen Marktzwängen hinterhertgeschleift, das will ich politisch ändern. Ich kann es aber auch nur politisch ändern.

S.: Wo und wann sind demokratische Mehrheitsentscheidungen sinnvoll?

Ullmann: Ja, auf jeden Fall bei Wahlen, um handlungsfähige Mehrheiten entstehen zu lassen. Dann im Bereich der Legislative und der Exekutive. Ich glaube, Mehrheitsentscheidungen entzogen sein müssen jene Bereiche, wie das auch im Grundgesetz steht, all das, was mit (Grund-), mit Menschen- und Grundrechten zu tun hat, das darf (zur Dispositio) keiner Mehrheit zur Disposition gestellt werden, genauso Gewissensentscheidungen können nicht mit Mehrheit getroffen werden. Und ich glaube, die Demokratie selbst darf nicht Gegenstand einer Mehrheitsentscheidung sein. Das ist lebensnotwendig, daß wir unter demokratischen Bedingungen leben, sonst kommt es zu jenen schweren Deformationen menschlicher Würde und Freiheit, die wir ja in der Vergangenheit in Deustchland mehr als einmal leider miterleben konnten.

S.: Wann und wo ist es sinnvoll, daß Parteien vorherrschen? Welche berechtigten Aufgeben haben Parteien?

Ullmann: Ja, also zwischen beidem ist ein sehr großer Unterschied. Daß sie vorherrschen, das ist ein Verfallszustand, über den jetzt mit Recht allgemein geklagt wird. Unser Grundgesetz sagt es viel besser: Die Parteien sollen mitwirken, sie sollen nicht vorherrschen. Sie herrschen aber vor, und sehr zum Schaden unserer Demokratie. Das hat aber nun auch mit einer gesetzgeberischen Fehlentscheidung zu tun. Paragraph 1 des Parteiengesetzes gibt den Parteien eben eine Vorherrschaft, die ihnen laut Artikel 21 des Grundgesetzes eigentlich nicht zusteht, dort wird nur von Mitwirkung geredet. Und ich glaube, Mitwirkung ist etwas durchaus Sinnvolles. Die Parteien sollen mitwirken, daß handlungsfähige Alternativen und Mehrheiten entstehen. Da haben sie auch ihren Sinn und da sind sie - denke ich - eine zur Zeit unerläßliche Voraussetzung von Demokratie. (Kassette wird gewechselt)

S.: Wer hat denn das gemacht, das Parteiengesetz? Parlamentarier?

Ullmann: Jaja, jaja. Die Parteien haben das Parteiengesetz gemacht. Ist aber schon ziemlich alt, ich glaube von 1967.

(Kameramann: Läuft).

S.: Ja also, die Parteien haben das Parteiengesetz gemacht und haben dabei sich...

Ullmann: ...die Beute aufgeteilt. Und heute klagt alle Welt darüber, aber ich denke, diesen Zustand kann man ändern, und es wäre im Interesse der Parteien, daß das geändert würde.

S.: Ja, und es tut offensichtlich (über das Grund-), gegen (das) die Verfassung verstoßen.

Ullmann: Jaja, natürlich.

S.: Warum klagt da nicht irgendein armer Mensch, oder, naja, das, von 1961...

Ullmann: Ja, ja, ja, ist eine gute Frage. Immerhin, Bündnis 90, oder Die Grünen, muß ich in diesem Falle sagen, das ist vor der Fusion passiert, hat ja gegen die Parteienfinanzierung geklagt und in dieser Hinsicht eine Entscheidung in Karlsruhe herbeigeführt. Ich habe selbst an den Verhandlungen zeitweise teilgenommen, die gewisse Grenzen gesetzt hat, freilich das Problem der stattlichen Parteienfinanzierung in meinen Augen zur Zeit noch nicht richtig gelöst hat. Das ist verfassungsrechtlich nicht so ganz einfach, gegen dieses Parteiengesetz zu klagen, nicht, das wäre ziemlich schwierig, wenn man gegen das Parteiengesetz, was Ihnen wahrscheinlich vorschwebte, eine Verfassungsbeschwerde einreicht, nicht, eine andere Form der individuellen Klage gibt es nicht im Bundesverfassungsgerichtsgesetz, und das wird nicht so ganz einfach sein, eine Klage zu formulieren, (aus der) die stringent nachweist, daß jemand durch Parteien in seinen Grundrechten ernsthaften Einschränkungen unterliegt. Immerhin, ich will nur sagen, liegt die Sache jetzt näher als früher, da den einzelnen Bürgern und Bürgerinnen ihr Mitwirkungsrecht beim Zustandekommen einer gesamtdeutschen Verfassung tatsächlich bis auf den heutigen Tag verwehrt worden ist, und da wäre - das ist auch von uns schon besprochen worden - es durchaus sinnvoll, daran zu denken, zum Beispiel massenhaft Verfassungsbeschwerden nach Karlsruhe zu schicken wegen dieser Sache.

S.: Sollten die Bürgerbewegungen nicht gleichgestellt sein durch die Finanzierung, wie die Parteien auch, also gleichberechtigt bezüglich Finanzierung?

Ullmann: Ich würde vorsichtig sein mit der Forderung der Gleichberechtigung. Sie ist vielleicht im Sinne (der, der) des Demokratieprinzips im Prinzip berechtigt, auf der anderen Seite muß man sich auch überlegen: es ist nicht wünschenswert, daß die Bürgerbewegungen sich mit einem derartigen Apparat umgeben wie ihn die Parteien jetzt haben, und der eben problematischerweise staatlich finanziert wird. Die Bürgerbewegung soll etws Flexibles, lokal und ich denke auch zeitlich Begrenztes sein, und man müßte in die Verfassung hineinschreiben - darauf gibt es ja auch von uns Vorschläge - daß sie natürlich, wenn Sie zum Beispiel eine Bürger- und Bürgerinneninitiative starten, daß Sie dann die nötige finanzielle Ausstattung bekommen können, damit Sie Papiere drucken können, und damit Sie Büros einrichten können und dergleichen, und das hielte ich für eine (begreif-) vernünftige und auch realisierbare Forderung.

S.: Welche berechtigten Aufgaben haben Parteien?

Ullmann: Eigentlich vorhin schonmal gesagt. Ihre Aufgabe ist es, politische Meinungsbildung zu organisieren, Wahlen durchzuführen, und Wahlen so durchzuführen, daß es eben wirklich unterscheidbare Alternativen gibt. Aber da liegt eben auch eines der großen Probleme der derzeitigen Parteienlandschaft vor uns, daß die Alternativen den Bürgern und Bürgerinnen nicht mehr so deutlich sind zwischen SPD und CDU, um die beiden größten Beispiele anzuführen.

S.: Wenn die Parteien sich weiterentwickeln sollten, würden Sie nur sagen, daß sie gesundschrumpfen sollten, oder - ja.

Ullmann: Vielleicht ist das nicht das Hauptproblem. Wie Sie wissen ist die Mitgliederzahl der Parteien ohnehin im Zurückgehen. Nein, ich denke, der Problemkern liegt anderswo, nämlich bei der fehlenden Artikulation ganz bestimmter Interessen. Die FDP ist ja jetzt ins Gerede gekommen als die Partei der Besserverdienenden. Sie wollen das gar nicht mehr hören. Auf der anderen Seite muß man sagen, warum denn nicht. Es soll doch ruhig auch eine Interessensvertretung der oberen Vermögensklassen geben. Die haben eben bestimmte Interessen, die sollen nur nicht so tun als seien dasd die Interessen der gesamten Nation. Sonst halte ich es für ganz vernünftig, daß die Parteien bestimmte, begrenzte Interessen vertreten. Freilich muß man eben dann sagen, aber bitte auch so, daß alle Welt weiß, es sind begrenzte Interessen, und behauptet nicht, die Interessen der Besserverdienenden seien die Interessen der ganzen Nation.

S.: Wie sieht die Hierarchie in den politischen und staatlichen Einrichtungen aus? Welche Machtverhältnisse bestehen zwischen...

Ullmann: Ja, eine (eine) sehr generelle Frage. Ich sehe noch nicht so richtig, worauf sie zielen. Vielleicht können Sie da nochmal nachfragen wenn Ihnen die Antwort ungenügend erscheint, die ich Ihnen gebe.

S.: Kann man sagen, die jetzigen politischen Verhältnisse sind eine Art verfeinerte Monarchie? Wahlmonarchie?

Ullmann: Das geht mir etwas zu weit. Also ein Monarch ist Helmut Kohl nun doch nicht. Ich sage gerne, wir haben nicht den Gaullismus, aber wir haben den Kohlismus. Das hängt aber nun nicht allein an der Person von Helmut Kohl und der Macht- und Einflußkonzentration, die ihm auch durch eigenes Geschick zugewachsen ist, sondern es hängt damit zusammen, daß, wenn wir mal die Herrschaftssphäre beschreiben als den Bereich, von dem aus die mächtigsten Einflüsse auf die Gesellschaft ausgehen, es in der Herrschaftssphäre darüber nun die Macht- und Entscheidungssphäre gibt, und da ist es natürlich ein ganz auffallender Zustand, den ich nun aus nächster Nähe kenne, daß diese Machtsphäre überhaupt nicht mehr zusammenfällt mit irgendwelchen demokratischen Institutionen. Also im Bilde gesprochen: Man stelle sich die Silhouette von Frankfurt vor. Da sieht man dann sofort an diesen Türmen der Bank- und Versicherungsgebäude, das gehört natürlich zur Machtsphäre, eindeutig, und in Bonn ist es so, wenn eine Sache entscheidungsreif werden soll, dann passiert das nicht im Parlament, nichteinmal mehr im Kabinett, sondern in irgendwelchen Runden zwischen den Parteispitzen, und wenn es sich um Zustimmungsgesetze handelt, also wo der Bundesrat mitzureden hat, muß dann eben zwangsläufig Herr Scharping hinzugezogen werden. Aber diese Runden, der Gipfelkonferenzen oder wie man das nennen soll, die haben mit keiner demokratischen Institution irgendetwas gemeinsam, und insofern verstehe ich ihre Frage als einen Hinweis auf diese merkwürdige Unstimmigkeit zwischen unseren Institutionen und der wirklichen Macht- und Entscheidungssphäre.

S.: Welche Schwächen hat unsere Art von repräsentativer Parteiendemokratie?

Ullmann: Eine haben wir gerade besprochen, man könnte das auch noch ganz anders beschreiben. Nämlich als die Unterwanderung und Erosion der Gewaltenteilung. Es ist eben keine Gewaltenteilung mehr möglich, erstens, wenn Abt und Mandat nicht getrennt sind, sondern je nach Belieben der Bundeskanzler sich in die Bänke, unter die Parlamentarier setzen kann und von dort aus Zwischenrufe im Interesse der Regierung machen kann, oder die Minister das auch tun können, ich denke, das ist ein unhaltbarer Zustand. Und wenn (die) im Ganzen die Koalitionsfraktion als verlängerter Arm der Regierung wirkt, das ist keine Gewaltenteilung, obwohl man sagen muß, es kommt immer mal vor, jedenfalls im Rechtsausschuß, wo ich arbeite, daß alle Fraktionen gemeinsam gegen die Regierung stimmen, was eigentlich genau im Sinne der Gewaltenteilung ist, daß das Parlament eben sagt zur Regierung, so gehts nicht. Aber, wenn man sich das Protokoll anschaut, dann sieht man sofort, daß das Parlament eben heute nicht mehr der Souverän ist, sondern einfach von der Regierung abhängig geworden ist. Da könnte ich Ihnen viele Beispiele dafür erzählen. Was aber noch angesprochen werden muß auf Ihre Frage hin ist eben dieses, daß unsere repräsentative Parteiendemokratie an einem riesigen Mangel an Repräsentation krankt. Größere Teile - man sehe nur das gewaltige Potential der Nichtwähler - empfinden sich als nicht mehr repräsentiert. Und das hängt damit zusammen, daß die Parteien nicht die politische Willensbildung im ganzen repräsentieren, sondern nur noch die politische Willensbildung in der Herrschafts- und Machtsphäre, und da ergibt sich eben ein riesiges Repräsentationsdefizit. Letztlich ist das sehr krass zum Ausdruck gekommen dadurch, daß - man muß sagen, seit mindestens zehn Jahren - die politisch vorwärtsweisenden Ideen nicht mehr von den Parteien gekommen sind, sondern von den Bürgerbewegungen. Also Friedensbewegung, Ökologiebewegung, Demokratiebewegung in der DDR. Wer ist denn im Kern der Verfassungsdebatte gewesen, das waren die Bürgerbewegungen. Und die SPD hat sich mühsam dann dazu durchgerungen, einiges wenigstens zu unterstützen in abgeschwächter und die - das ist ja das ganz Paradoxe, man stelle sich das vor - die regierende Koalition hat sich in dieser Sache als Opposition betätigt, nämlich als Opposition gegen eine im Gang befindliche politische Willensbildung in der Gesellschaft. Das ist eine wirklich krasse Umkehrung der Grundlagen der Demokratie.

S.: Wieviel Prozent der Politiker kommen über Parteien an die Macht?

Ullmann: Da kann ich keine (keine) korrekte Prozentzahl sagen, aber ich glaube, es geht gegen 100 Prozent.

S.: Und es gibt doch glaube ich so eine Doppelbesetzung in den Parlamenten, daß also nur noch 40 Prozent der Parlamentarier überhaupt frei dazugewählt werden und 60 Prozent sind von vorneherein Beamten?

Ullmann: Also das wollen wir mal so nicht stehen lassen, also das könnte mißverstanden werden, nicht, also die Beamten sind ja im - die sitzen ja nicht im Parlament, die sitzen in den Ministerien aud Landes- und auf Bundesebene. Also was Sie, worauf Ihre Anmerkung möglicherweise zielt, das sind die parlamentarischen Staatssekretäre, nicht. Die sind, wo also schon der Titel sagt, daß sie eine ganz merkwürdige Zwischenstellung - daß sie als Parlamentarier gleichzeitig Regierungsmitglieder - das ist eben auch eine, denke ich, sehr krasse Durchbrechung des Prinzips der Gewaltenteilung.

S.: Wie sehen die Kapitalverhältnisse des Staates aus?

Ullmann: Ja, also da muß ich einfach um Präzisierung bitten. Die Frage verstehe ich so nicht. Zielen Sie dabei auf die Rolle des Bruttosozialproduktes, wollen Sie wissen das Verhältnis von privatem und staatlichen Kapital, oder wie ist es, vielleicht können Sie das nochmal ein bißchen erläutern.

S.: Wie wird sich die Staatsverschuldung weiter entwickeln. Wie sieht sie aus und wie wird sie sich weiter entwickeln?

fitz !!!

Ullmann: Ach so ist es gemeint, ja. Also das ist ganz schwer zu beantworten, und ich muß leider ehrlich sagen, ich sehe überhaupt nicht, wie sie abgebaut werden soll. Bei dem jetzigen Zustand - eine Möglichkeit besteht meines Erachtens nur bei einer gewaltigen Lastenumverteilung, daß endlich diejenigen, die am Vereinigungsprozeß astronomische Summen verdient haben und noch verdienen, das sind im wesentlichen Banken und einige Großunternehmen in verschiedensten Bereichen, daß die zu einem wirklich einschneidenden Lastenausgleich herangezogen werden, der aber ein Lastenausgleich der ganzen Nation sein muß, und im übrigen müßte endlich - aber das ist in dieser Legislaturperiode überhaupt nicht mehr zu erwarten, ich sehe es aber auch in keinem Wahlprogramm - eine Gesetzgebung beginnen, die zu einer Umverteilung der Vermögen die Wege öffnete. Das könnte meines Erachtens durchaus vernünftigerweise geschehen ohne irgendwelche revolutionären Enteignungsaktionen oder dergleichen, wenn man eine Vermögensbildungsgesetzgebung in Angriff nähme und neuerweise etwas damit wiederholt, was Erhardt in den 50er-Jahren gemacht hat, nämlich daß man dafür sorgt, daß das Vermögen möglichst breit unter der Bevölkerung verteilt wird. Aber wir tun im Moment das Gegenteil davon.

S.: Wie könnte denn sowas - man kann ja nicht schematisch, also können Sie vielleicht dazu noch etwas sagen, zu diesem...

Ullmann: Ja, also, äh, ein Vorschlag dazu war ja, der Entwurf für die Treuhandinstitution, den der runde Tisch gemacht hat. Der hat zwei entscheidende Unterschiede zu dem Treuhandgesetz, das unter der Regierung Modrow verabschiedet worden ist, unter meiner Mitwirkung, wie ich leider zugeben muß, und dann das zweite Treuhandgesetz vom 17. Juni 90, gegen das ich nun erfreulicherweise - das beruhigt mich etwas dann, mit Leidenschaft gekämpft hab. Dieser Unterschied besteht darin, daß der Entwurf des Runden Tisches keine zentrale Treuhandanstalt vorah, sondern Treuhandanstalten auf Länderebene gewollt hat, also eine Regionalisierung der Treuhand. Zweitens nicht nur das volkseigene Vermögen identifizierte mit den volkseigenen Betrieben, sondern das Treuhandkonzept des Runden Tisches sah vor, daß das Gesamtvermögen des Landes zunächst zu erfassen sei - Grund und Boden, Bodenschätze,...

S.: Immobilien.

Ullmann: Immobilien, also, Wälder, und auch Boden-, Berg- und Bodeneigentum, dann das Staatseigentum im engeren Sinne des Wortes, also Post und Bahn, volkseigene Güter und dergleichen, und dann auch das Eigentum an Kulturschätzen, und daß man dann eine Bilanz aufstellte und dann aufgrund dieser Bilanz durch Volksentscheid nun die Aufteilung dieser Anteile an Vermögen beschließen läßt und von daher dann sagen kann, wieviel jedem einzelnen Bürger und jeder einzelnen Bürgerin an diesem Gesamtvermögen zukommt. Das ist nun in der ehemaligen DDR überhaupt nicht zustandegekommen aufgrund des Druckes aus Bonn. Es ist aber auch nicht in der abgeschwächten Form zustande gekommen, wie man das in der tschechischen und slowakischen Republik und auch in Rußland gemacht hat, daß man (wenig-), daß man den Bürgern den Weg eröffnet hat, wenigstens über (über) Pfandscheine oder Anteilsscheine ein Anrecht auf Anteile aus dem volkseigenen Vermögen zu erwerben und dadurch eben eine größere Vermögensstreuung anregt. Jetzt nun, nachdem diese Möglichkeiten vertan worden sind, denke ich, müßte, müßten mehrere Schritte getan werden. Ein erster, der erstmal klarstellt, wer ist denn nun mit den Schulden belastet, mit denen die Treuhand die Privatisierung abschließen wird voraussichtlich. Ursprünglich war sie ja eingerichtet worden, um die bestehenden Staatsschulden abzutragen durch den Gewinn aus der Veräußerung. Aber der ist nun so merkwürdig verlaufen, daß die Veräußerung nicht einen Gewinn, sondern noch mehr Schulden - und da zu sagen, das liegt eben an dem elenden Zustand der DDR-Wirtschaft, das halte ich für eine ziemlich faule Ausrede. Das hängt eben mit einer Eigentumspolitik zusammen, die also, was hier an Vermögensmasse in Gestalt des Volkseigentums, in dem Sinne, wie ich das vorhin erklärt habe, daß man das im wesentlichen nach Westen transferiert hat mit der paradoxen Folge, daß man nun gezwungen war, ständig diese Milliardentransfers nach Osten zu machen, damit hier überhaupt so irgendetwas wie Wirtschaft entstehen kann. Ein Transfer, der aber nun wiederum dazu führt, daß die ganzen Zins- und Kreditgewinne wiederum nach Westdeutschland wandern. So daß es also ein riesiges Ungleichgewicht mittlerweile gibt, das, wenn man hier nicht eine Kursänderung vornimmt, ja, uns in eine immer tiefere Dominanz, stärkere Dominanz dieser Schulden- und Kreditwirtschaft hineinführt. Da sehe ich also noch kein Ende.

S.: Wie ist es möglich, daß man noch mehr Schulden macht, wenn man was verkauft?

Ullmann: Das ist natürlich sehr leicht möglich, wenn man, statt die Gewinne dorthinzuleiten, wo sie hinsollen, die öffentliche Hand sich als Handlanger für diejenigen betätigt, die für symbolische Mark und dergleichen kaufen wollen.

S.: Also für einen Apfel und ein Ei wurden die Firmen dann verkauft, oder...

Ullmann: Ja, nicht immer, nicht immer, aber sehr häufig ist das passiert, und was ich kritisiere, ist ja die grundsätzliche Politik, die also erstens nicht hier in vernünftigen Schritten vorgeht, also erstmal, daß man sagt, was haben wir denn überhaupt. Sondern, daß man sagt, wir setzen uns hin, wollen wir mal sehen, wer da kommt, und wenn halt niemand kommt, dann ist es nunmal nichts wert und dann muß man es eben verschenken. Die Treuhand ist doch nicht eine Einrichtung wie eine Marktbude, wo man also seine Artikel aufstellt wie so jemand mit einem Bauchladen am Brandenburger Tor, sondern die ist eine öffentliche Einrichtung zur treuhänderischen Verwaltung eines vorhandenen Vermögens. Wir haben eine Treuhandpolitik gehabt, die so nach der Devise, na, wollen, wir mal sehen, was wir so überhaupt haben, ach, da kommt ja noch jemand, der will das haben, jaha, siehe da, haben wir ja noch. Nicht, das ist doch keine zielstrebige Politik einer Vermögensverwaltung, sondern eines Vermögensausverkaufs, ganz zu schweigen von der fehlenden Umstrukturierung, die eigentlich auch zu den gesetzlichen Pflichten der Treuhand gehört hat. Wobei ich, das muß ich um Mißverständnisse auszuschließen, doch ganz deutlich sagen, das kann man nun nicht den Leitern der Treuhand alles anlasten, also Herrn Gohlke, Herrn Rohwedder oder Frau Breuel, sondern einer verfehlten Politik. Sie mußten ja aufgrund des Gesetzes agieren, und dadurch ist die Treuhand auf dieses, in meinen Augen eben völlig verfehlte, Gleis gebracht worden.

S.: Wollen Sie noch etwas zu den internationalen Schuldenverhältnissen sagen, oder gilt da dasselbe wie das, was jetzt schon beschrieben wurde. Wir können auch gleich weitergehen: Wem dient das Kapital? Stichwort Sozialkapital.

Ullmann: Ja, am Beispiel Treuhand kann man eben leider nur sagen, da ist das Kapital zur Subventionierung privater Bank- und Industrieinteressen verwendet worden, und das bringt natürlich dann die berühmte, berüchtigte Problematik hervor, daß der Staat seinen Sozialverpflichtungen plötzlich - daß der Staat Schwierigkeiten hat, seinen Sozialverpflichtungen nachzukommen.

S.: Welche praktischen oder theoretischen Ansätze einer verbraucher-, naturgemäßen und partnerschaftlichen Wirtschaft können Sie skizzieren?

fitz !!!! anfang und ende !

Ullmann: Da könnte man hinweisen auf die überall in unserem Lande sich gründenden oder auch schon sich betätigenden alternativen Landwirtschaften, die bei weitem nicht die Förderung genießen, die sie verdinen. Nach wie vor haben wir eine Subventionspolitik, die eine veraltete und unhaltbare (Ags-) Agrarstruktur künstlich durch Subventionen am Leben erhält. Wir haben auch freilich noch kleine Ansätze einer Industrie, die erstens alternative Energiequellen voraussetzt und neue Technologien entweder erforscht oder auch schon anwendet, die darauf beruhen, daß Produktionen nicht Zerstörung natürlicher Lebensgrundlagen sind. Wobei das alles aber natürlich nicht ausreicht, das wäre zu punktuell, wir müssen einen grundsätzlichen Wandlungsprozeß nicht erzwingen, aber ihm jedenfalls die Wege ebnen zu seiner Selbstorganisation - zu einer anderen Verteilung der Arbeit, über Arbeitszeitverkürzungen einereits, vernünftige Strukturierung und Finanzierung des zweiten Arbeitsmarktes, also des Sektors öffentlich subventionierter Arbeit, ich galube, das ist vernünftiger als Unsummen in Kernfusionsforschung beispielsweise zu stecken oder in solche verfehlten Projekte wie Transrapid und dergleichen, und wir müssen - ich glaube - Forschung in einem Ausmaß betreiben, der immernoch gröblich unterschätzt wird. Es ist einer meiner schon im Sommer 90 immer wieder vertretenen Gedanken: Die veraltete Chemieindustrie in der Mitte der DDR, also Leuna, Merseburg, Bitterfeld, hätte Gelegenheit gegeben, das gigantischste Umweltlabor der Welt dort zu errichten. Nichts dergleichen ist geschehen. Vielleicht setzen sich solche Gedanken nochmal um, und dann, das sage ich nun gerade als Rechtspolitiker, müssen wir auf jeden Fall unser Eigentumsrecht drastisch umgestalten. Die Kategorien des römischen Rechtes, die hier nach wie vor die allein herrschenden sind, indem sie Eigentum definieren durch ein unbegrenztes Verfügungsrecht, sind nicht mehr im Einklang mit den ökologischen Gegebenheiten unserer Zeit. Ich glaube, früher oder später muß sich der Gedanke durchsetzen, daß Grund und Boden, daß Luft und Wasser grundsätzlich unveräußerbar sind, und daß darum Regelungen getroffen werden, die allen lebenden Menschen den ihnen zukommenden Anteil an diesen Lebensgrundlagen zusichern.

S.: Ist vielleicht eine übertriebene Konkurrenz gerade der Kardinalfehler der Wirtschaft?

Ullmann: Ich bin kein Wirtschaftsexperte und will mich darum hier vorsichtig äußern. Meine Vermutung ist, daß gerade das Gegenteil der Fall ist. Wir haben hier viel zu wenig Konkurrenz, wir haben hier lauter Monopole, und zwar solche, die sich gegenseitig ihre Alleinherrschaft abzusichern versuchen. Darin sehe ich auch die tiefe Problematik des GATT-Abkommens.

S.: Wenn man - na ja, das kommt ja durch die Konkurrenz, die Monopole. Dadurch, daß eben die Schwächeren kaputtgehen und geschluckt werden.

fitz !!!!!

Ullmann: Ja, aber das heißt doch eben, daß die Konkurrenz immer mehr ausgeschaltet wird, weshalb es heute ja auch die Regel ist, daß man ungeniert Schund produzieren kann und den dann trotzdem irgendwo absetzt, siehe die Fernsehindustrie.

S.: Wie können die Verbraucher - wir haben eine extrem produktionsorientierte Wirtschaft...

Ullmann: Ja, produktions- und absatzorientierte, ja.

S.: ...und die Verbraucher sind dabei nur die Opfer, oder, ja, nicht die eigentlich, ja, der Ausgangspunkt der Wirtschaft.

fitz !!!!!

Ullmann: Hier kann ich nur all diejenigen ermutigen, die schon die Initiativen ergriffen haben, alternative Märkte zu errichten, also ich glaube, je länger je mehr wird sich das auch durchsetzen. Ich habe einfach keine Lust mehr, Spargel aus China kaufen zu müssen, und genmanipulierte Tomaten kaufen zu müssen, sondern ich möchte mir eben je länger je mehr die Hersteller suchen, wo ich das kriege, was ich haben will, was dann auch gut schmeckt und wo nicht nur irgendwie "neu" draufsteht, und irgendsoeine Milch, die zwar nicht sauer wird, aber dafür in einer Form verdirbt, daß man sich die Nase zuhalten muß. All das ist ein solcher Wahnsinn, daß ich denke, allzu lange wird der nicht mehr funktionieren, weil die Leute einfach nicht so blöd sind, diesen Schund zu kaufen, der ihnen da angedreht werden soll. Aber das geht nur - ich glaube nicht, daß man hier wieder nach Gesetzen schreien muß. Das geht nur durch Selbstorganisation. Man muß eben das kaufen, was man wirklich haben will, und nicht das, was mir untergejubelt wird, wozu ich konditioniert werden soll durch diese abgeschmackten Werbesendungen des (Ferns-) dadurch finanzierten Fernsehens. Das ist schon im Gange, und ich hoffe, daß sich das immer mehr ausbreitet.

S.: Haben Sie Vorschläge, die Arbeitslosigkeit, oder auch die Güterverteilung besser zu lösen oder zu bewältigen?

fitz !!!!

Ullmann: Ja, zur Güterverteilung habe ich ja schon Verschiedenes gesagt, brauche ich nicht zu wiederholen, Arbeitslosigkeit, da ist ja glaube ich mittlerweile schon ein ganz weitgehender Konsens darüber vorhanden, daß es Arbeitszeitverkürzungen geben muß, auch Arbeitszeitverkürzungen mit nur gestaffeltem Lohnausgleich. Ich habe auch schon hingewiesen auf die Bedeutung des zweiten Arbeitsmarktes. Wir müssen auch zu einer Umdefinition der Regelarbeitszeit kommen, gerade im Hinblick auf die volle Integration der Frauen, die weibliche Biografie sieht nun mal anders aus als die männliche, und darauf denke ich muß auch in der Regelarbeits-; in der Definition des Regelarbeitsverhältnisses Rücksicht genommen werden, das heißt, daß es in einer Regelarbeitsbiografie eben auch Zeiten geben muß, und auch Zeiten geben darf, in denen nicht die Erwerbsarbeit dominiert.

S.: Sie erwähnten einen zweiten Arbeitsmarkt, was ist das?

Ullmann: Nun, das ist der, das ist - das sind die sogenannten ABM-Maßnahmen, das heißt, das sind die öffentlich subventionierten, oder gar völlig finanzierten Arbeiten. Hier stimme ich all denen zu, die es für vernünftiger erklären, daß man sowas finanziert, als daß man eben immer mehr öffentliche Finanzen einsetzen muß für Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe.

S.: Kann man nicht sagen, 100 ABM verdrängen 1000 Arbeitsplätze?

Ullmann: Ja, das ist das Problem dabei, aber ich glaube, zu solchen falschen Konkurrenzen kommt es eben nur aufgrund schlechter Organisation, nicht wahr, also. Wenn man die ABM-Maßnahmen also zum Häuser - wenn man ABM-Maßnahmen macht zum Häuseranstreichen, das ist natürlich Unfug. Aber es gibt eben gerade eben Bereiche einer Umorganisation der Arbeit - gibt es eben soviele, wo (wo) keine Konkurrenz vorhanden ist, weil man das erst im Bewegung bringen muß, und dort soll man sie (soll man sie) einsetzen. Überall wird danach gerufen, und gerade an dieser Stelle gibt es immer wieder Blockaden, weil eben solche falschen Vorstellungen dominieren. Wer hat dann eben - schematisch gesagt, wir müssen sparen, wir haben kein Geld, aber für Arbeitslosigkeit wird immer mehr ausgegeben.

S.: Was halten Sie von einem Arbeitsamt der Wirtschaft? Also wenn zum Beispiel die heutigen Arbeitsämter unter die Führung sage ich mal von den, von allen Wirtschaftsbetrieben oder den wirtschaftlich Betroffenen, also eher aus der Sicht organisiert werden, aus der Ecke, wo eben die Arbeitsplätze eigentlich sind, weil es ist ja so, daß egentlich ein Außenstehender, (also ein Pol-) daß die Politik nicht direkt mit der Wirtschaft in Zusammenhang steht, und sicher natürlich ein Arbeitsamt beaufsichtigen sollte, das ist ganz klar, aber es hat sich ja immer gezeigt, in allen Industriebereichen oder Wirtschaftsbereichen, daß der Staat eben einfach unbeweglicher, bürokratischer ist wie die Wirtschaft.

Ullmann: Ja, ja. Sicher, sicher. Ich würde das aber nun doch nicht allein der Wirtschaft anvertrauen, weil das Manipulation und Ausbeutung doch überhaupt nicht verhindern würde. Wir haben jetzt schon Tendenzen - die (Gewerks-) Kollegen aus der Gewerkschaft weisen einen darauf hin, daß im Bereich der Teilzeitarbeitsverhältnisse eben dann doch eine Ausbeutung Platz greift, die höchst bedenklich ist. Und deswegen denke ich, muß, wenn man an solche Einrichtungen denkt, wie Sie vorschlagen, müssen auf jeden Fall die Arbeitnehmer darin vertreten sein, und ich denke - also man - ich könnte mir solche Arbeitsämter neuen Typs schon vorstellen, nicht, die entbürokratisiert sind und vergesellschaftlicht sind. Aber (die) der Wirtschaft allein würde ich sie nicht - weil da ist sozusagen nur die eine Partei vertreten.

S.: Ja, ich meine natürlich auch die Verbraucher und vor allem auch die Gewerkschaften.

Ullmann: Ja, ja, einverstanden, einverstanden. Ich bin aber eben auch nicht einverstanden mit dem was die Re- (bricht ab).

S.: Wenn man "die Wirtschaft" nur als die Produzenten und die Arbeitenden und die Gewerkschaften betrachtet, da vergißt man natürlich zunehmend immer mehr Menschen, weil eben die Arbeitslosen schon Millionenzahlen erreicht haben, die Rentner nicht dabeisitzen, die Kinder nicht dabeisitzen, also eigentlich ein Großteil...

Ullmann: Jaja, jaja, jaja, das ist ja auch ein Problem, das auch das Nachenken in den Gewerkschaften in hohem Maße beeinflußt hat. Zur Lösung ist man noch nicht gekommen, aber Sie haben ja gesehen, jetzt nach dem Tod von Heinz-Werner Meyer, in den Debatten um die Nachfolge und um die Stellung des DGB, daß man sich überlegt, ob die herkömmliche Gliederung der Gewerkschaftsbewegung nach Branchen eigentlich noch so ganz zeitgemäß ist. Ich habe also gehört, beispielsweise ausgerechnet aus Chile, daß es dort Versuche gibt, die in Ihre Richtung tendieren, daß man dort in einer Region Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Regierung und Verbände in ganz neuen Konstellationen zusammengeführt hat, das ist eine Art runder Tisch Arbeitsmarkt oder Beschäftigung, könnte man sagen. Ja, ich wollte noch eine kritische Bemerkung machen (zu den) zu der Novellierung des Arbeitsförderungsgesetzes mit der, Privatisierung der Arbeitsvermittlung. Dagegen, denke ich, gibt es berechtigte Bedenken, daß diese private Vermittlung sich natürlich die Rosinen sucht, die Arbeitsverhältnisse über 10.000 Mark, wo der Vermittlungswert dann also sehr hoch ist, und der ganze Bereich des wenig ertragreichen Vermittelns, der bleibt dann bei den Arbeitsämtern liegen, also das halte ich für keinen guten Gedanken, und der steht übrigens auch im Widerspruch zu der (Forde-), meines Erachtens eben berechtigten Forderung des Weißbuches der Kommission, das sagt, angesichts angesichts von 15, oder wie man neuerdings sogar hört, 17 Millionen erforderlichen Arbeitsplätzen, neuen Arbeitsplätzen in der Europäischen Union müßte das Engagement des Staates bei der Arbeitsvermittlung eher intensiviert werden, es ist also genau die gegenläufige Tendenz zu dem, was in der Bundesrepublik Deutschland geschieht.

S.: Ich dachte, das ist gerade das, daß das etwas bringt, also die Privatisierung der Arbeitsvermittlung. Natürlich sehe ich - muß ich das Argument auch sehen da, daß dann eben die Wirtschaft natürlich nur profitorientiert die großen Fische vermittelt...

Ullmann: Ja, ja, ja, das denke ich eben, und also, ich habe aber, was Sie vorhin vorschlugen, das fand ich, ist ein anderes Modell, und das denke ich, das ist durchaus diskussions- und vielleicht sogar erprobungswert.

S.: Was heißt für Sie freies Geistesleben? Was ist Geist und wo ist Geistelesleben zu finden?

fitz !!!!

Ullmann: Ja. Wir wollen ja jetzt nicht eine philosophische Debatte anfangen, die gut mehrere 100 Jahre dauern könnte. Sie hat ja, nicht, die ganze Geschichte seit Anasagoras, wollen wir mal sagen, erfüllt, aber ich will deswegen jetzt eine kurze und - wie ich hoffe - klare Antwort geben und sagen, Geist ist für mich zunächst Sprache, und freies Geistesleben ist dort, wo Sprachmächtigkeit - oder man könnte auch sagen, -mündigkeit, vorhanden ist. Also, das ist, es ist also überall dort, wo beredet wird, wie wir jetzt reden, aber auch in (ganz) allen anderen Bereichen, wo Menschen miteinander sprechen, aber natürlich in besonders profilierter und präzisierter Weise im Bereich der Wissenschaft, der Kunst und der Religion.

S.: (Kameramann: Ich habe mal einen Vorschlag. Ok, wir laufen.) Was ist Geist, Seele und Leib - diese Unterscheidbarkeit?

Ullmann: Das ist etwas, worüber alle Philosophen bisher ohne zu einem endgültigen Ergebnis gekommen zu sein debattieren, und die Theologen tun es mit, aber trotzdem denke ich, (kann man) kann man schon Antworten geben, die freilich - das will ich mit dieser Vorbemerkung gesagt haben, immer nur einen begrenzten Wert haben, weil es sich hier um ihrer Natur nach unausschöpfbare Lebenswirklichkeiten handelt. Und damit habe ich eigentlich auch schon die Hauptantwort gegeben. Geist, Seele, Leib sind nach meinem Verständnis und meiner Lebenserfahrung jeweils Gesamtaspekte dessen, was wir Leben nennen. Der Geist nach der Seite des Bewußtseins, die Seele nach der Seite der Individuiertheit, sozusagen des Ich und des Selbst, und der Körper eben nach der Seite des Materiellen, des materiellen, des physischen Aspekts des Lebens. Das Interessante ist, in diesen drei Worten, daß da eins fehlt, finde ich, das Wort Herz nämlich, wobei diese drei Worte Geist, Seele, Leib immerhin eines für sich haben, daß sie diese schreckliche, also ich möchte sagen, ausgedörrte Anthropologie, die heute vorherrscht, eben hinter sich läßt. Es wird ja immer noch von Kopf und Bauch gesprochen, nicht, da sehe ich also dann also einen (einen) Menschen vor mir, der ist sozusagen dann geschmolzen auf ein Strichmännchen, und das ist doch ein bedenkliches Symptom, insofern bin ich dankbar, daß die Frage nach Geist, Seele und Leib wenigstens gestellt wird, aber das (Intere-) Problem, das sich stellt, ist ja, was ist das Zentrum, und da könnte man schon sagen, jedenfalls in biblischer Tradition, es ist da weit verbreitet, daß die Seele dieses Zentrum ist. Aber genauso, denke ich, und fast noch konkreter ist dieses Zentrum benannt, wenn man vom Herzen spricht.

S.: Kann man nicht sagen, die Seele ist Ausdruck des Herzens. Also ich hätte jetzt gesagt...

Ullmann: Ja, könnte man sagen, könnte man sagen, ja, ja, ja.

S.: Ich hätte jetzt auch das Ich eher beim Bewußtsein gesehen als bei der Seele.

Ullmann: Nein, das ist, das ist, denken Sie doch an den ganzen Bereich der Tiefenpsychologie, nicht, und es ist freilich eben dieses merkwürdige Phänomen unserer Psychologie, daß das weithin eine Psychologie ohne Seele ist, nicht, von Trieben und Reizen und was nicht alles sprechen, aber eigentlich nicht von der Seele. Ein von mir sehr geschätzter Autor - Eugen Rosenstock-Hüssi - hat eine Abhandlung über das Thema geschrieben, das uns hier beschäftigt, das heißt "Angewandte Seelenkunde". Würde heute kein Mensch mehr wagen, ein solches Buch zu schreiben. Höchstens irgendein Esoteriker oder soetwas. Aber das ist ein für mich sehr auffallendes Symptom dieser Psychologie ohne Seele.

S.: Wollen Sie dazu noch was sagen vielleicht, oder ist das jetzt...

fitz !!!!!! anfang und ende !

Ullmann: Ja, ergänzend könnte ich dazu noch sagen, es ist ein ganz interessantes Phänomen auch, daß man auf diese Dreigliederung stößt. Wenn man so über das Leben in seiner Ganzheit nachdenkt. Ich glaube, das ist ein Hinweis darauf, daß man keinen Begriff findet, der alles umfaßt, und daß man darum solche (solche) Gliederungen benutzt, um sich auszudrücken, wobei die Dreigliederung (nach) - ich sage das nur vermutungsweise - damit zusammenhängen könnte, daß da die Beziehung also einer solchen Lebensmonade oder -seele nach außen in betracht gezogen wird. In dem Moment, wo man sie in sich betrachtet, kommt man interessanterweise häufig zu Viererstrukturen, indem man dann eben Geist und Seele, Körper und Leben gegenüberstellt, aber es gibt ja noch viele andere, und das zeigt, daß wenn man so eine Monade als ganze, ohne Rücksicht auf ihre Beziehung nach außen, betrachtet, dann eben so eine Viererstruktur herauskommt. Das ist, denke ich, ein interessantes und beachtenswertes Phänomen.

Und eine zweite Anmerkung, mehr geschichtlicher Art, ist, daß diese Dreigliederung auch bei den Kirchenvätern eine große Rolle spielt, vor allen Dingen, mit dem ich mich als junger Mann eingehend befaßt habe, ich habe ja auch (eine Doktorarb-) meine Doktorarbeit darüber geschrieben, den heiligen Augustinus, der auch über den Menschen in dieser Dreiheit, in solchen Dreiheiten gesprochen hat. Also in diesem berühmten Brief über die heilige Dreieinigkeit wird das sehr deutlich, daß es sich dabei um Beziehungen nach außen handelt. Da spricht er einmal von der Dreiheit mens, notitia, amor, also Geist, Wahrnehmung, notitia, amor, Liebe, da ist ja schon eine Beziehung. Das präzisiert er dann noch einmal, da kommt dann eine zweite Dreiheit heraus, memoria, intellectus, voluntas, also Gedächtnis, Verstand oder Erkenntnis, intellectus, und voluntas, Wille. Und die civitate dei, später geschrieben, da hat er das noch verallgemeinert, und da spricht er von dem Menschen als esse - etwas Seineden - nose - erkennen - velle - Wollen. Und das Wichtige ist daran, daß das nicht etwa Teile des Menschen sind, sondern es ist jeweils der ganze, nicht, beim Sein ist das ja ohnehin, aber der Mensch ist eben auch Erkenntniswesen.

Es gibt einen wenig bekannten Existenzphilosophen, der bekannter zu sein verdient, das ist der Bruder von Carl Barth, der heißt Heinrich Barth, und der hat eines der von mir geliebten dicken Bücher geschrieben, und das heißt "Erkenntnis der Existenz", wo er denke ich mit sehr gutem Recht Heidegger und Sartre kritisiert und darauf hinweist, daß sie die existentielle Bedeutung der Erkenntnis völlig verkannt haben. Das Erkennen ist ein Lebensvorgang. Das ist nicht nur etwas für Intellektuelle, sondern das ist für alle Menschen lebensnotwendig, erkennen. Deswegen kann Augustinus mit Recht den Menschen eben als Erkenntniswesen definieren. In einer anderen Schrift sagt er sehr schön, "Ich lebe um so mehr, je mehr ich erkenne" - ein wunderbares Wort. Das hat mit Rationalismus gar nichts zu tun, das geht eher in jene Richtung, die die schöne biblische Sprache ja auch hat und die die intimste Liebesbeziehugn als Erkennen bezeichnet, man vergleiche mal also wie tief wir da heute gesunken sind, nicht. Bei uns heißt das heute Sex, furchtbar, und genauso ist es mit dem Wollen. Das ist ja nun in der neueren Philosophiegeschichte ganz deutlich geworden seit Schopenhauer, daß Wollen eine (ein) Ganzheit unserer Existenz meint. Also, das wollte ich da noch hinzufügen, um doch deutlich zu machen, daß wir hier in einem Zentralgebiet philosophischen und theologischen Denkens uns befinden.

S.: Und wie stehen Sie - was können Sie zu einer Dreigliederung des sozialen Organismus sagen?

fitz !!!!!!!

Ullmann: Das ist ja nun die Frage nach einer bestimmten Doktrin Rudolf Steiners, ich glaube es ist gut, wenn man das hier kenntlich macht, ich sage das auch deswegen, weil ich mich nicht zu den Anhängern der Anthroposophie oder der Christengemeinschaft zähle. Ich halte das aber für einen ganz bedeutsamen Denkansatz, weil Steiner damit auf etwas aufmerksam macht, was, wie ich meine, gerade in der jetzigen Situation nach dem Scheitern der kommunistischen Regime besonders wichtig ist, gesagt zu werden. Steiner hat, denke ich, mit Recht die sozialistische Ideologie, das Programm der Diktatur des Proletariats schon in der Entstehung kritisiert, unmittelbar nach dem ersten Weltkrieg, und zwar aus verschiedenen Gründen, aber auch wegen seines Materialismus und damit eines so reduktionistischen Ansatzes im Verstehen der Wirklichkeit, so als ob es so sei, daß die Produktionsverhältnisse alles andere geradezu mechanisch nach sich zögen, obwohl die Marxisten das immer wieder abzuwehren versucht haben. Im Ergebnis ist es dann tatsächlich so mechanistisch verstanden worden. Man muß aber heute sagen, im bezug auf diesen reduktionistischen Materialismus sind wir heute keinen Schritt weiter. Die angeblich so überlegene kapitalistische Marktwirtschaft ist ja nicht weniger materialistisch als die kommunistische Diktatur es gewesen ist, und darum halte ich das für sehr beachtenswert, wenn Steiner darauf hingewiesen hat, dieser Materialismus ruiniert am Ende auch die Wirtschaft, weil er sie einer fremden Diktatur unterwirft, so wie es diese staatliche Planwirtschaft getan hat.

Wenn man sich die ersten Seiten des GATT-Abkommens ankuckt, dann sieht man, das ist doch eigentlich genau dasselbe. Da wird eine World-Trade-Organization geschaffen, ja, was macht denn diese World-Trade-Organization, macht die keine Pläne? Die macht doch - die macht sogar Festlegungen, und zwar Festlegungen bis dahin, daß Lebewesen patentiert werden und damit zum Industrieeigentum erklärt werden. Also ich denke, das ist krassester Materialismus. Und ich finde, in diesem Zusammenang ist ein Denkansatz wie der Rudolf Steiners mit dem Versuch einer Trennung zwischen Wirtschaftsleben, Rechtsleben unf Geistesleben ein Ansatz, der doch sehr ernstgenommen und auch ernsthaft durchdacht werden sollte, weil er doch, denke ich, auch uns geistige Unabhängigkeit verschafft, neue Lösungen anzudenken, die auf der Basis dieses reduktionistischen Materialismus überhaupt nicht zustandegekommen wären.

S.: Wie sieht diese Dreigliederung in etwa aus?

fitz !!!!!! schiller und ende

Ullmann: Ja, da will ich mal wieder philosophiegeschichtlich ansetzen. Ich würde mich hier nicht als ein Steiner-Kenner produziern mögen, sondern will nur sagen wie jemand, der das aufnimmt als interessierter Zeitgenosse, da fällt mir natürlich ein, daß dieser Steinersche Versuch, Wirtschaft, Rechtsleben und Geistesleben jeweils in iherr Selbständigkeit zu denken, als ein analoger Versuch zu denken ist zu dem, den es zum Beispiel bei Platon gegeben hat. Platon hat ja auch die Vorstellung gehabt, daß die politeia, was man nicht mit Staat übersetzen darf, wie das meist fälschlich geschieht, sondern das heißt Gemeinwesen, heute würden wir viel eher sagen Gesellschaft, zu dem, was er damit meinte. Das gemeindame Leben und Handeln dervMenschen berugt darauf - so argumentiert Platon in den berühmten (acht Büchern) zehn Büchern über die politeia, daß der Mensch eben auch - da kommt auch so eine merkwürdige Dreiteilung zum Vorschein - er ist ein epischimitikon, ein Begehrenswesen, timoides, das deckt sich in etqa mit unseren Willensvorstellungen, sehr schwer zu übersetzen, timui, das heißt eigentlich das Mutgestaltige, also das, was dem Menschen den, seinen Charakter ergibt, ich denke schon, daß man das mit dem Willen in Verbindung bringen kann, und dann gibt es das logistikon, das Erkennen, und dem entsprechen ja die drei Stände in der politeia Platons, also (das) der Stand derer, die Handwerker und die die grundlagen der Reproduktion beschaffen, die Wächter und die Regierenden und die Philosophen, die jeweils einer dieser Schichten oder lebenssphären entsprechen. Schiller hat übrigens interessanterweise auch einen solchen Dreiteilungsversuch unternommen, der bei ihm aber (etwas) völlig anders aussieht. Er geht von Grundtrieben des menschen aus. Also dem Sachtrieb, also dem verhältnis des menschen zu sich selbst als einem materiellen und zu seiner materiellen Welt, der Formtrieb, der Gestalt- und Vernunftorientiertheit, und einem Trieb, der diesen Dualismus zwischen Sach- und Formtrieb, das ist eine immanente Kritik an kant auch und an Kants Ethik, vermittelt im Spieltrieb, wo also ein freies Verhältnis von Form und Sachorientierung eintritt. Natürlich will ich nicht, in keiner Weise, das kann man ja auch nicht sagen, Steiners Dreigliederung des sozialen organismus sagen, das ist im Grunde genommen dasselbe, das ist es nicht. Weil Steiner von der Gesellschaft ausgeht und nicht so sehr vom Einzelwesen, wiewohl ich nicht ahne, ob es nicht in vielen seiner Schriften, die ich nicht gelesen habe, nicht doch auch so eine Beziehung zwischen Geist Seele leib und Wirtschgaft, rechtsleben und Geistesleben gibt, nicht, das aber, das mögen Steiner-Kenner entscheiden. Wichtig ist mir vor allen Dingen der eine Gedanke, daß er diese Lehre vom sozialen organismus entwirft, erstens in Auseinandersetzung mit einer Philosophie, die also geradezu fanatisch staatsorientiert ist und das Sozialverhalten des Menschen immer vom Staat her organisiert, zu denken und auch zu organisieren versucht. Das ist unter unseren Verfassungsrechtlern heute noch gang und gäbe, und das ist für mich immer wieder eine Sysiphusarbeit mit ihnen zu streiten und zu sagen, also meine Herren, machen Sie sich doch klar, daß es in der Verfassung nicht nur um den Staat geht, sondern umd as Verhältnis von Staat und Gesellschaft, und ich denke, da ist jemand wie Steiner schon im Ansatz sehr viel weiter, weil er eben die Gesellschaft im ganzen vor Augen sieht, aber den jetzigen Zustand denke ich richtig analysiert - ein Zustand, in dem die Wirtschaft in einer Weise dominiert, eben entsprechend dieser materialistischen Philosophie, daß das Rechtsleben von ihr auch beherrscht und ja, in uihren Dienst gestellt wird, damit deformiert wird, und schließlich dann auch noch das Geistesleben, ich glaube, das der heutige Zustand unserer Kultur des Steinerschen Analysen zwischen 1910 und 1919 in hohem Maße recht gibt. Die Vermarktung der Kultur ist inzwischen in einer Weise vorangeschritten, die die Kultur als solche in Frage satellot. Das ist also nicht ein freies, sondern ein in höchstem Maße unfreies Geistesleben. Es ist von mir jedenfalls nur mit Ironie hinnehmbar wenn aus dem Bereich dieses völlig unfreien geisteslebens Tiraden über die Freiheit erschallen, die ich lächerlich finde angesichts dessen, was wir im Kommunismus erlebt haben und wo wir ganz genau lernen mußten, was Freiheit ist, aber es ist jedenfalls, Freiheit hat mit dieser Marktprostitution nichts mehr zu tun.

S.: Was halten Sie von einer Art Bildungsgutschein, der also die jetzt verteilte Kulturgelder pro Person verteilt statt pro Institution oder pro Gruppe, so daß also ein einzelner Schüler mit seinen Eltern entscheiden könnte, auf welche Schule er geht, und daß vielleicht 20 oder 40 Schüler oder Eltern jederzeit eine neue Schule aufmachen können. Man muß es vielleicht nicht immer konkurrenzmäßig denken, es wäre auch denkbar, daß in einer Staatsschule wenn die wirklich etwas schrumpft, daß in den selben Räumen, die leer werden, eventuell freie Schulinitiativen hinzukommen?

Ullmann: Ein Gedanke, der mir sehr gut gefällt. Ich muß natürlich als Politiker sofort sagen, ja, da müßte man erstmal alle Konsequenzen bedenken, die das hat, aber ich würde jedenfalls mich gerne dafür einsetzen, daß man experimente damit macht, denn ich kann mir auch nicht vorstellen, daß unser Bildungswesen auf Dauer so bleiben kann, wie es jetzt ist, nämlich in einem Stadium völligen Verfalls, in dem niemand mehr Lehrer mehr werden wil und gerade aufgeweckte Kinder eigentlich gar nicht mehr in die Schule gehen mögen, weil sie dort nichts lernen.

S.: Steiner wehrte sich streng oder stark gegen diese Unterscheidung, daß es also kein Nähr-, Lehr- und Wehrstand sei, wie im alten Sinne Platons.

Ullmann: Ja, ich glaube schon, da hat er sich mit Recht gewehrt, das ist auch tatsächlich so.

S.: Sondern, daß eben jeder Mensch in allen drei Bereichen...

Ullmann: Ja, jaja, nein, das finde ich auch äußerst eindrucksvoll an Steiners entsprechenden Ausführungen, sie sind durch und durch demokratisch, und das ist etwas, was mir geradezu wohltut in einem Zeitalter, wo von allen Seiten eigentlich Angriffe gegen die Demokratie gestartet werden. Ich will nur noch anmerken zu Ihrem Schulprojekt, es läuft natürlich ganz gegen die in Deutschland, jetzt ja eben auch im Rahmen der Verfassungskommission wieder zu bemerkende Tendenz zum staatlichen zentralismus. Die Union, im gegensatz zur CSU hat ihre Zustimmung zu der Neuformulierung des Artikels 74 und 75 rüvckgängig gemacht, weil dort die Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes im Bereich alte Hochschulen auf ein Minimum zurückgeschnitten worden ist zugunsten der Länder, was die Bayern freudig bejaht haben, was ich auch sehr gut finde, was aber immernoch in Deutschland auf heftigen Widerspruch trifft. Übrigens sowohl in der CDU - ich habe also mit Herrn Glotz darüber gesprochen, der auch gar nicht erfreut ist von dieser Entwicklung, naja. Also da muß man, wenn man also solche Projekte verfolgt, wie sie sie gerade vorgeschlagen haben, sich zur Zeit noch auf einen ziemlich heftigen politischen Widerstand gefaßt machen.

S.: Aber das Problem wäre wohl auch nicht gelöst, wenn jetzt die (die) Landeskultusminister für alle Zöglinge ihres Bundeslandes zentral vorgibt, also...

Ullmann: Kann ich nur sagen, wie wahr, stimme ich Ihnen völlig zu. Die Schulautonomie ist meines Erachtens genau das, was wir politisch anstreben müssen.

S.: Aber das Problem bei der Schulautonomie wäre, also, könnte entstehen, daß vielleicht wieder so ein Gruppenmechanismus für seine Schüler vorbestimmt, daß also nicht der Einzelne...

Ullmann: Jaja, jaja, jaja. Deswegen muß ich also auch strengen Minen gewärtig sein im Bereich von Bündnis 90 / Die Grünen, wenn ich mich dafür einsetze. Marianne Birtler ist ja eine entschiedene Vertreterin der Einheitsschule.

S.: Vielleicht können Sie nochmal was, also, auf die Trinität, ob Sie da eine Beziehung sehen zwischen der sozialen Dreigliederung vielleicht der menschlichen Dreigliederung nach leib, Seele und geist, und zu dieser Vater, Sohn, heiliger geist.

Ullmann: Sehr gerne, sehr gerne. Und zwar, freilich, tut mir leid, eine negative Antwort geben zu müssen, die Sie vielleicht nicht erwartet haben. (das ganze) Der ganze zweite Teil (von) des Heiligen Augustinus großem Werk "15 Bücher über die Trinität" handelt genau von dieser frage. Und - wobei Augustinus nun nicht so eine Dreigliederung des sozialen Organismus, sondern des Menschen im Ganzen unter diesem gesichtspunkt überprüft, und der auch zu einer negativen Antwort. Und das hängt (nun aber, das hängt) an zwei Dingen, denke ich, aber im Grunde genommen gar nicht negativ zu bewerten sidn. Einmal, daß es keinerlei Analogie gibt zwischen Gott, und gerade dem drweieinigen Gott des christlichen Glaubensbekenntnisses, und innerweltlichen Seiendem und Seins-Strukturen, aber gerade deswegen ist es möglich, weil das so ist, daß jedes einzelene Menschenwesen, ob Mann oder Frau oder Kind voll als Ebenbild Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes angesprochen wird. Das ist eine der - einer der bewegendsten Passagen für mich in Buch Sechs, Kapitel Zwölf von "De trinitate", wo Augustinus die Frage prüft, ist es vielleicht so, daß das Bild, die Gottebenbildlichkeit trinitarisch gesheen werden muß - mann, Frau, Kind, und das wird mit größter theologischer Präzision durchdacht mit dem Ergebnis nein, so ist es nicht, sonder jeder mann, jede Frau, jedes Kind, ist im Ganzen Ebenbild Gottes, des Vaters, des Sohners und des Heiligen Geistes. Das ist eine Passage, von der ich immer sage, sollten mal die feministischen Theologinnen nachdenken über diese Stelle, denn das Ganze wird nämlich von Augustinus durchgeführt, weil er sich die Frage stellt, ist die Frau als solche auch Ebenbild Gottes, eben in dieser patriarchalischen, antiken Gesellschaft eine tiefgehende Frage, und er prüft also gerade die berüchtigsten Paulusstellen die die entgegengesetzte Richtung tendieren und sagt, nein, auch wenn man diese Stellen genau liest, kommt da raus, auch die Frau ist voll eingeschlossen in die Eigenschaft, Ebenbild Gottes zu sein. Die Analogielosigkeit zwischen Gott und dem geschöpflichen Sein hat aber nun etwas, hat aber auch noch eine andere, ganz positive Fiolge, die ich immer den Athropozentrikern in der Verfassungskommission entgegengehalten habe: Es gibt keine Wesensgleichheit zwischen Gott und Kreaturen, aber weil der mensch und alles andere in die Welt der Kreaturen voll einbezogen sind, gibt es eine Homolusie, eine Wesensgleichheit des Menschen mit allen Kreaturen, bis hin auf die materielle Ebene. Und das finde ich doch ist eine wunderbare Einsicht, wenn man sie sich mal erbnsthaft vor Augen führt.

S.: Sie sagen, (eine) da sei eine Analogielosigkeit, aber das widerspricht doch eigentlich dem Gedanken, daß der Mensch ein Ebenbild Gottes sei.

Ullmann: Könnte man sagen, wenn man eben meint, Ebenbild Gottes sein könnte nur per Analogie ausgesagt werden, und das kannnes eben nicht. Das hängt eben damit zusammen, daß - auch unser Zugang zu Gott nicht über uirgendein (ein) Geschöpf vermittelt ist, selbst nicht über Jesus. Er sagt ja da mal als ihn jemand anredet, guter Meister, sagt Jesus: Niemand ist gut, denn Gott allein. Das sagt er, von dem die Kirche mit Recht sagt, er sei der Sohn Got5tes. Aber das hängt damit zusammen, daß eben wahre Gotteserkenntnis an ihm allein hängt, und zwar in uneingeschränkter Ausschließlichkeit. Das wiederum hängt aber nun damit zusammen, nicht daß die Christen nun die einzig schlauen Menschen auf der ganzen Welt sind, sondern das hängt damit zusammen, daß es so ist, wie es im Johannes-Prolog ist, die Schöpfung ist eben etwas anderes als wie es vielen Karikaturen oder auch naiven religiösen Bildern zu sehen ist, daß Gott wie so ein Handwerker da irgendwo sitzt und dann Geschöpfe zusammenbaut, sondern die Schöpfung ist ein Akt, in dem alles - er spricht, so steh jetzt da, so heißt es wunderbar im 30. Psalm, und verstehen Sie, wir kommen immer hinterher hinter diesem Akt. Er spricht, so steh jetzt da. So stehen wir da, so stehen die Bäume da, und die (die) Ebenbildlichkeit besteht darin, daß wir das wahrnehmen können, mehr aber nicht. Nicht, die Ebenbildlichkeit ist eine theologische Eigenschaft von ungeheurer ontologischer Relevanz, abner die ontologische Relevanz ist eben ihrerseits nicht mehr ontologisch faßbar, das ist...

S.: Was heißt Ontologie auf deutsch?

Ullmann: Seins-, Seinskategorien betreffend.

(Kamera: Stop.)

S.: Können Sie die nationale Frage, die Rassismusfrage irgendwie weiterbringen. Ich hoffe nicht. Ich habe höchstens die Absicht, die zu stoppen. Weil der Rassismus nicht nur eine Frage ist, sondern ein eine fantastiscxhe Antwort stammend aus der, ja, aus einer Verunsicherung angesichts der schwindenden Autorität der Nationalstaaten, und das führt natürlich zu großen Verunsicherungen der menschlichen und staatsbürgerlichen Autorität, und da verfällt man natürlich leicht auch auf einen materialistischen Ausweg und sucht sich dann irgendein materielles Substrat, an dem das hängt, und das sol dann die Rasse oder die Nation oder irgendsoetwas sein, und was ein reines Fantasieprodukt ist. Und wenn jemand sagt, ja, aber die Frage der Nation, dann kann ich immer nur sagen, die Nationen sind keine Fragen, sondern sie sind Realitäten. Und die Leute, die also nun in Rassismus und Chauvinismus machen, das sind also nun meist diejenigen, die von der Realität ihrer Nation die geringste Ahnung haben. Die am schlechtesten Deutsch können, die die deutsche Kultur längst hinter sich gelassen haben, ja, und vieles andere auch.

S.: Liegt das Problem vielleicht auch da, daß die Menschen vielleicht einer verschiedenen Kultur sich angehörig und dann die Kulturfrage eben auch vielleicht auch in der Europäischen Union eben vereinheitlicht wird, daß also...

Ullmann: Das - dem werde ich auf jeden Fall meinen Widerstand entegegensetzen. Europa, das ist eine Vielheit von KUlturen immer gewesen, von der Antike an, und es ist überhaupt nur existenzfähig, wenn wir diesen Reichtumg, den wir brauchen, einsetzen. Ich bin also ein schroffer Gegner irgendsolcher Esperantokonzeptionen oder so etwas. Wir können uns natürlich auf eine gemeinsame Sprache einigen. Sowas hat es im römischen Reich gegebn. Da sprach man Griechisch von der heutigen Türkei bis an den Atlantik, sogar in griechischen - Verzeihung - in irischen Klöstern konnte man griechisch dmalas, so wie man heute eben englisch kann, und so kann man sich denke ich auch und bis jetzt ist das der richtige WEeg,, den man auch auf der europäischen Ebene gegangen ist, alle Sprachen der Mitgliedsländer sind prinzipiell gleichberechtigt, und ich denke, das ist richtig. Das schließt nicht aus, daß man sich mal bei verhandlungen einigt, alle sprechen englisch, aber es wird eben immer übersetzt, und daß die Dikumente in bestimmten Sprachen verfaßt sind.

S.: Jestzt sprechen Sie aber von dem Bereich...

(Kamera: Stop, stop.)

S.: ...das jetzt in die Richtung politische Union, und ich fürchte, daß es ganauso, oder ich empfinde, da bin ich nicht so ganz akut informiert, aber ich denke, daß es eigentlich auch in Kulturvereinheitlichung mündet.

Ullmann: Ja, einerseits ist das ja wahr, aber das haben wir ja schon längst, also da gibt es, kann natürlich das nicht Kultur nennen, also McDonalds von SF bis nach Kyoto, das sind diue selben Imbißbuden von McDonals, die gibts auch in Moskau mittlerweile, und die klassische Musik des 18. 19. Jahrhunderts, die wird heute auch auf der ganzen Welt gespielt, und bestimmte Klassiker oder Bestseller liest man auch überall, soweit so gut, aber diese Art globaler Kultur ist doch eben eine Integration aus vielen Kulturen, und darin hat sie auch ihren Lebenssinn. Sie ist in hohem Maße Kommunikation, und ich glaube, anders kann es auch auf europäischer Ebeen nicht sein. Freilich, das eine würde ich schon in Ihrem Sinne beantworten. Es gibt eine Spaltung noch in Europa zwischen Osteuropa und Westeuropa. Was ich gerade als Kirchengeschichtler immer wieder betonen muß, und auch gerade angesichts des Bosnien-Konfliktes. Es ist doch kein Zufall, daß die Fronten in diesem krieg zwischen der lateinischen Christenheit und der nicht lateinischen, orthodoxen Christenheit hier verlaufen. Und das ist natürlich auch eine Kulturverschiedenheit, die mit einem tiefen Kulturgegensatz verbunden ist, zu dessen Aspekten es ztum Beispiel gehört, daß es heute noch ein eine westliche Arrioganz gibt, die der Meinung ist, der Westen ist (die) natürlich die herrschende Kultur, und die Orthodoxie, das ist also Erstarrung, das ist Balkan, das ist finsterster Orient, was natürlich ein pures Vorurteil ist, und - aber solche Vorurteile sind eben auch ihrerseits Ausdruck einer Kultur, in diesem Fall eines kulturellen Schismas, das wir auch überwinden müssen, und das wird noch große Schwierigkeiten machen, schätze ich, aber eben deswegen trete ich mit der Mehrheit der EU-Politiker für eine baldige Osterweiterung der Europäischen Union ein, die ja vorläufig, wenn man also an die vier (??)-Staaten Polen, Tschechische und Slowakische Republik und Ungarn sowioeso nocxh im Bereich der lateinischen Christenheit verbliebe, aber da Griechenland efreulicherweise schon dabei ist, hätten wir eben schon eine - sozusagen eine Brücke in die andere Ökumene, in die andere europäische Kultur hin, denn das muß man doch glaube ich zur Geltung bringen. Es gibt ja im Westen Theoretiker wie, ich glaube Steven, Huntington, ich weiß nicht ob Sie diesen berühmten Essay von ihm gelesen haben über die drei Formen weltgeschichtlicher Kämpfe. Erste der Religionskrieg, bis einschließlich des Mittelalters, zweite Stufe der Nationenkrieg bis zu den Weltkriegen, und jetzt seien wir in der mit dem wahrscheinlich mit em dritten jahrtausend in die Ära der Kulturkriege eingetreten,. Und ich glaube, wie es mit der berechtigung dieser Phänomenologie stehen mag, das mwill ich dahingestellt sein lassen, aber auf jeden Fall darf duiese Vorstellugn eines west-östlsichen Kulturkrieges nicht die Grundkategorie (unserer) einer neuen gesamteuropäischen Außenpolitik werden.

S.: Ist es nicht eher ein Wirtschaftskrieg, die dritte Kategorie?

Ullmann: Das glaube ich deswegen nicht, weil,es ja im Grunde genommen eben doch, also da, das ist die Grundvoraussetzung von so etwas wie GATT, es eben doch schon eine Weltwirtschaft gibt, und das sind dann interne Auseinandersetzungen.

S.: Können Sie etwas Grundsätzliches - Können Sie etwas Grundsättzliches zur Entwicklungsfrage sagen? Also: Menschliche Entwicklung, Gesellschaftsentwicklung und Welt?

Ullmann: Hier muß man auch mit Analogien vorsichtig sein, weil Individuum und Gesellschaft denke ich zwei völlig verschiedene Dimensionen sind, die man nicht kommensurabel aufeinender beziehen kann und die einen so als Untersystem der anderen betrachten kann. Die Hauptschwierigkeit, vor der wir stehen, ist meines Erachtens die, uns klarzumachen, wir haben in der früheren gespräcxhsphase das schon einmal angedeutet, die Entwicklung heute eben nicht mehr so gehen kann, wie sie man könnte beinahe sagen, seit dem Auftreten Jesu in der Weltzgeschichte verlaufen ist, daß also immer mehr Kulturen miteinander koordiniert wurden, nicht, also durch die Entstehung des Christentums der ganze Orient mit Rom und Athen, und dann im Laufe der Geschichte nach Christus die Einbeziehung zunächst der amerikanischen Kontinente, vor allen Dingen des südlichen Subkontinents Lateinamerika, und dann schließlich seit dem 17. Jahrhundert Ostasiens und man kann sagen seit dem 19. Jahrhundert Afrika. So - diese Epoche ist abgelaufen. Da gibt es nichts Neues mehr auf der Welt, was noch dazukommen könnte, das heißt, die Entwicklung kann jetzt nur noch eine interne Entwicllung sein, und da - es wird darauf ankommen,m daß sie friedlich ist und daß sie die Lebensgrundlagen schont und daß wir uns immer bewußt bleiben, was ich jetzt mal rein äußerlich, historisch gesagt habe, daß das auich in einem viel umfassenderen Sinne gilt, nämlich dem des Clob of Rome Berichtes von 1972, das wir halt die Grenzen des Wachstums eben erreicht haben, daß von einer bestimmten Phase an dervMensch auch nicht mehr wachsen kann, hier, habe ich mir ja verboten, aber eine Analogie gebraucht, vor der ich vorhin gewarnt habe, aber zur Veranschaulichung ist sie vielleicht erlaubt und deswegen glaube ist es auch hier wieder der gedanke anzuwenden der ja auch in andern Bereichen einer ökologischen Neuorientierung unserer Kultur Platz greift, daß das Wachstum in künftig eben in erster Linie ein intensives nur noch sein kann. Das heißt, daß die Interdependenzen wachsen, aber auch die Kommunikation.

S.: Und es kann nur noch qualitativ wachsen, eigentlich.

Ullmann: Ja, sehr schön, ja, ja, ja.

S.: Welche Fragen und Aussagen, oder Aussagen, wollen Sie noch anfügen oder weglassen?

Ullmann: Na, da will ich nur noch eine anfügen, die mir wichtig ist, (weil wir) weil wir von Wachstum und Entwicklung gesprochen haben. Ich glaube - das ist natürlich jetzt eine ganz entschieden christliche Aussage - aber ich kann mir nicht vorstellen, daß wir uns noch also lebendige Kräfte im Blick auf die Zukunft mobilisieren können, ohne, daß jedenfalls die Christen und wer auch immer da auch zu ihnen kommen mag noch davon ausgehen, daß es eine Zukunftsdimension gibt, die eben einer ganz anderen Ordnung angehört als die der linearen Verlängerung unserer geschichte ins dritte Jahrtausend, das ist die am Ende unseres Glaubensbekenntnisses von der früher hieß das ja sehr schön Auferstehung des Fleisches, und das ewige Leben oder wie es eben im schönen lateiniachen Form des myzenischen Glaubensbekenntnisses heißt, et vitam venturi saeculi. Und ich glaube, dieses, das ist sehr wichtig für unsere Gesellschaft, gerade am Ende des zweiten und am Anfang des dritten Jahrtausends, daß es in ihr Leute gibt, die auf eine vita venturi saeculi leben. Das ist das, was freilich nicht bloß ein künftiges Jahrtausend ist, sondern eine ganz neue Dimension des Lebens.

S.: Das heißt wörtlich übersetzt?

Ullmann: Das heißt, vita venturi saeculi: das Leben der künftigen Welt.

S.: Da wurde gerade Auferstehung des Fleisches gesagt: Tut nicht der Geist auferstehen?

Ullmann: Nein, das (das das, das haben) ist ja sehr interessant, daß Sie mir diese Frage stellen. In den 70er-Jahren hat das zu meinem gegen meine Oppositionsstimme die christliche Kirche korrigiert. Das ist eine uralte Formel des apostolischen Glaubensbekenntnisses, und die Aiuferstehung des Fleisches und das ewige Leben. Das hat man ausdrücklich gesagt eben gegen die Vorstellung eben einer solchen, einer nur spirituellen Erneuerung des Lebens. Und da kann man nur an diese merkwürdigen geschichten des Neuen Testaments erinnern, vielleicht, ich weiß nicht, ob sie Ihnen bekannt ist, von den beiden Emaras-Jüngern, die den unbekannten Wanderer treffen nach der Kreuzigung und dann gemeinsam nach Ematr ausziehen und da - das ist dann ihr Quartier da, und wo sie dann diesen Unbekannten einladen, doch mit reinzukommen - der Herr bleibe bei uns, denn es will Abend werden - und dann sitzen sie am Tisch und der spricht das Dankgebet und da erkennen sie, das ist ja Jesus, das ist der Auferstandene, und der ißt mit ihnen, und das ist natürlich eine Herausforderung an unser Denken und unsere Fantasie. Aber ich glaube, es ist eine wichtige Aussage, zumal Paulus das auch ausdrücklich bestätigt und das Johannes-Evangelium auch. Die Auferweckung ist ein Vorgang, der bis in die materielle Welt wirksam ist. Das halte ich für ein ganz wichtige und grundlegende Aussage der christlichen Überlieferung. Und deswegen finde ich das schade, daß ihnen das zu genant war zu sagen, die Auferstehung des Fleisches, daß sie dann nun harmlos gesagt haben Auferstehung der Toten und das ewige Leben. Da ist eigentlich die Pointe genau verfehlt. Finde ich.

S.: Ja. Ist es nicht gerade - kann das nicht total materialistisch verstanden werden?

Ullmann: Jaja, jaja, kann es, kann es. Der Einwand ist auch in der Antike schon gekommen. Hat man auch gesagt, die Christen furchtbare Materialisten, wenn sie so etwas sagen. naja, aber ich denke, dazu gibt es eben auch Theologuie, daß man hier sich klar macht, was Mißverständnis ist, aber was auch andererseits ein Teil des Gehaltes ist, den man nicht unterschätzen darf, weil er also die ganze Sache in Frage stellt.

S.: Gibt es vielleicht drei Stufen der Auferstehung, und zwar im wenn wir das richtige Denken, dann wird das ewig, dann wird das Geistige auferstehen, wenn wir die wenn wir also nicht nur kranke Gefühle haben, die werden nicht ewig, sondern nur die gesunden Gefühle werden ewig sein, und wenn wir auch den Körper vielleicht so bewußt erfassen, daß wir dann eben, so wie vielleicht ein unglaublich, eben wie der größte Eingeweihte, oder der Christus vielleicht, alles von oben bis unten komplett bewußt durchdrungen hat und deswegen auch von oben bis unten komplett auferstehen kann?

Ullmann: Naja, also, ich fürchte, daß mein armer Geist hier nicht ganz mitkommt, sage ich völlig unironisch, und ich will das auch nicht abwehren, man muß sich irgendwas auch plausibel machen, und als so einen Versuch würde ich das mal stehen lassen, was sie da entwickelt haben. Ich will nur eine Bemerkung machen. Also die Auferweckung im Sinne Osterns, von der Sie jetzt wahrscheinlich auch gesprochen haben, die ist keine Evolution, und insofern weiß ich eben nicht, inwieweit man die Sache sich so vergegenwärtigen kann, wie Sie das getan haben. Aber icxh will es eben auch nicht abwehren, weil Paulus im ersten Korinther-Briwef im 15. Kapitel auch sich so versucht, das plausibel zu machen. Aber ich denke, das ist wichtig, sich klarzumachen, es ist keine Evolution, nicht, da gibt es doch das schöne Wort im zweiten Korinther-Brief: "Ist jemand ein Christus, ist er eine neue Kreatur. Das alte ist vergangen, siehe, es ist etwas Neues geworden." (??), ist alles neu. Und das sagt Paulus auch im Blick auf das, was er erlebt hat, nicht, wenn ihm da - (der) der Auferweckte vor Damaskus plötzlich, er weiß gar nicht, wer das ist, ihm in den Weg tritt und sein leben völlig aus der bahn schmeißt und dann wird er getauft, und wenn man die Passagen über die Taufe in den Paulus-Briefen liest, Galather 3 und Römer 6, dann merkt man ganz deutlich, das ist nicht ein Weg, den er da hin geführt worden ist, sondern da ist, also er ist sozusagen mit etwas zusammengestoßen, was sich überhaupt nicht im Einklang befand mit seinem bisherigen Leben, und so ist das eigentlich mit der Taufe, bei unserem mißbräuchlichen Taufusus in der Kirche ist das eigentlich heute für kaum noch jemanden nachvollziehbar. Im Römerbrief im sechsten Kapitel, da beschreibt Paulus das ja so, daß er sagt, die Taufe ist eigentlich, ist Sterben, und indem man also aus dem Taufbad wieder herausist, ist es wie die Auferweckung Jesu Christi, und also diesen Gesichtspunkt möchte ich doch sehr stark betonen, wobei ich also ganz offen lasse, (ob) wie weit das mit dem in Einklang steht, was sie eben entwickelt haben.

S.: Dann wäre es auch keine Evolution, wenn ein Blatt, also eine Pflanze, immer von Blatt: Grünzeug, Grünzeug, Grünzeug, plötzlich kommt was ganz neues und da entsteht eine Blume, eine Blüte. Das ist doch auch was...

Ullmann: Ja, das ist - aber ich meine, das ist doch ein Lebenszusammenhang im Rahmen des organischen Lebens. Es ist ja nicht ein Evolutionssprung, (wenn, wenn) wenn eine Pflanze blüht, nicht. Also wenn wir eine Analogie aus dem botanischen Bereich nehmen wollen, da würde ich schon sagen, dann müßten wir schon einen Evolutionssprung nehemn, also wo eine Pflanze plötzlich anders aussieht, andere Farbe hat oder sowas, das wäre dann ein Vergleich. Aber Sie könnten sich auf zwei Stellen berufen im Neuen Testament, im Johannes 12, da ist ja die berühmte Stelle vom Weizenkorn, nicht, aber da wird es interessanterweise eben auch sozusagen gegen den Strich gebürstet, indem dort steht, wenn das Weizenkorn nicht stirbt. Und im ersten Korinther-brief, da ist es also die - ist es auch so, daß also die, daß also davon ausgegangen wird, der Same der stribt, weil also man sieht ja wirklich, der ist ja weg und daraus ist etwas neues geworden. Also das - in diesem Sinne würde ich sagen.

S.: Sonst noch was zu dieser Thematik?

Ullmann: Nein, das ist eigentlich gerade genug.

S.: Ich denke, also wenn wir dann, wenn Sie nichts mehr dazu sagen wollen, wegmachen. (Regieanweisung: Hände zum Einblenden.)

Kameramann: Ich würde das, in einer Frage würde ich das dulden, genau, aber nicht in einer Antwort unterschnitten, da ist es eine Verfälschung, würde ich sagen.

Interviewende