Die Freiheit des Erziehungswesens im Zusammenhang mit seiner Finanzierung

I

In verschiedenen Aufsätzen ist im Dezemberheft 1960 der „Beiträge zur Dreigliederung des sozialen Organismus“ [1] die Frage der Finanzierung des Erziehungswesens z.T. von der prinzipiellen Seite aus, behandelt worden.

„Prinzipielle“ Gedanken über die Finanzierung eines freien Schulwesens müssen ganz gewiss im Einklang mit dem Freiheitscharakter des Kultur- und Geisteslebens in einem dreigegliederten sozialen Organismus stehen; und für diesen Bereich gilt ohne Zweifel die Forderung, dass die Freiheit - unter anderem - auch durch die Form der Finanzierung keine Beschränkung erfahren darf. - Aber Dreigliederung ist keine Drei-Teilung. - Wäre sie durch die Vorstellung der Teilung definiert, so wäre sie die einfachste Sache der Welt; denn dann wären die wesensverschiedenen Grundprinzipien der drei Teile jeweils nur für ihr eigenes Teilgebiet und nur in diesem gültig; ihr Prinzip wäre dann auch uneingeschränkt und gleichermassen über die ganze Breite des jeweiligen Gebietes auf alle Einrichtungen und ihre Funktionen darin anzuwenden. - So ist es in der Drei-Gliederung nicht. Diese ist bekanntlich so zu verstehen, dass die charakteristische Wesensart jedes der drei Glieder auch in jedem der beiden anderen Glieder wirksam und als solche tätig ist [2].

Erst durch „Gliederung“ - weil sie sowohl Ausgliederung wie Eingliederung ist - wird der soziale Organismus zu einer zusammenhängenden Einheit oder Ganzheit; „Teilung“ müsste ihn sprengen; „Gliederung“ ist als das zusammenhaltende soziale Band erst dann vorhanden, wenn alle drei Organisationsprinzipien in unendlichen Abstufungen in allen drei Gliedern wirksam sind. - Dreigliederung kann erst Praxis werden, wenn dieses Ineinandergreifen in der Idee bis in die konkreteste Einzelheit geschaut werden kann. - Das gilt auch für die Problematik der Finanzierung des Geisteslebens und innerhalb dieses Gebietes speziell des Erziehungswesens.

Die „prinzipiell“ zwar richtige, d.h. die legitime Existenzform jedes der drei wesensverschiedenen Glieder des sozialen Organismus wird in ihrem eigenen Gebiet über die ganze Breite seiner sozialen Erscheinungen hinweg durch die gleichzeitige Wirksamkeit der Grundprinzipien der anderen beiden Glieder mehr oder weniger differenziert. Differenzierung ist ein Ergebnis richtiger sozialer „Gliederung“; sie ist „richtig“, wenn und soweit die Überformung des einen - legitimen - Prinzips in einem Glied des sozialen Organismus durch die aus einem anderen Glied hereinwirkende - andere - Formkraft legal ist, obwohl sie hier nicht legitim, d.h. zuständig, ist.

[Beiträge, Jahrgang 6, Heft 3-4, Seite 22]

 

Ob sie „legal“, d.h. in dem anderen Bereich zu wirken berechtigt ist, lässt sich nicht für immer, d.h. prinzipiell, festlegen; „Legalität“ ist zeit- und entwicklungsbestimmt. - Diese Behauptung soll die nachfolgende Gegenüberstellung von Erziehungswesen und Goetheanum als Institutionen eines freien Geisteslebens und die Differenzierung ihrer Finanzierungsformen in der Dreigliederung bestätigen.

II

Lassen sich „Grenzsituationen“, als welche Goetheanum einerseits und allgemeines Erziehungswesen andererseits (als Institutionen im Kulturbereich) einer konkreten Betrachtung erscheinen, gewissermassen „pauschaliter“ einem allgemeinen, abstrakten „Prinzip“ des Geisteslebens unterwerfen?

In Bezug auf seinen sozialen Standort ist das Goetheanum mit der darin vertretenen, anthroposophisch orientierten Geisteswissenschaft am allernächsten „beim Geiste gebaut“; vom staatsbürgerlichen und sozialwissenschaftlichen Aspekt aus angeschaut, gilt hier das für den Geist auf der heutigen Entwicklungsstufe der Ich-Entfaltung legitime Freiheitsprinzip (32) absolut; eine Pflicht oder Nötigung oder auch nur eine Einwirkung zur Teilnahme an dieser Geisteswissenschaft oder gar zu ihrer Annahme wäre heute nicht „legal“, sondern ein Übergriff (ein nicht mehr berechtigter Atavismus in soziologischer Beurteilung). Hier gilt in der Tat das Freiheitsprinzip als soziale Kategorie des Kulturlebens uneingeschränkt; denn hier und im reinen Geistesleben überhaupt liegt das gestaltende (Organisations-)Zentrum dieses sozialen Gliedes mit seinem Ur-Prinzip der persönlichen Freiheit; es ist der zentrale und legitime Ort, von wo aus dieses Freiheitsprinzip überhaupt seine soziale Berechtigung erhält, von wo aus es unmittelbar im Kulturleben und mittelbar auch in den beiden anderen Gliedern wirken darf; Freiheit als dynamische Qualität in der Sozialstruktur schafft sich von da aus ihre eigene soziale Lebensform; sie formt aber auch an der sozialen Gestaltung der beiden anderen Glieder.

Dieses sozial-organische Geschehen wird ganz deutlich, wenn man die Grenzsituation des allgemeinen Erziehungswesens ins Auge fasst. Hier sind wir nicht mehr unmittelbar im organisierenden Zentrum des Geisteslebens (sozialwissenschaftlich in Bezug auf den Standort im sozialen Ganzen gesehen), sondern nahe am sozialen Kraftfeld des Rechtslebens. Denn für das Erziehungswesen gilt in dieser Blickrichtung (die wir gerade im Hinblick auf die richtige Finanzierungsmethode einnehmen müssen) in unserer Zeit das Freiheitsprinzip nicht mehr uneingeschränkt, insofern als Erziehung nicht mehr reine Privatsache ist. - Die heutige Entwicklungsstufe verlangt ein allgemeines Erziehungs- und Bildungsprinzip - nicht nur aus Gründen äusserer Zweckmässigkeit, sondern als die unausweichliche Grundbedingung auch für die gesellschaftliche Existenz des Menschen als geistiges, seelisches und physisches Wesen. So unterliegt - obwohl ein Bestandteil des kulturellen Gliedes - das allgemeine Erziehungswesen (sozialwissenschaftlich betrachtet) mit allgemeiner Zustimmung der gesetzlichen Ordnung; aus dem allgemein menschlichen Recht auf Erziehung ist die Schulpflicht entstanden, die zuerst als Schulzwang in Erscheinung trat. Dadurch tritt heute das Freiheitsprinzip im Schulwesen noch gar nicht so sehr in den Vordergrund - weil das kulturelle soziale Glied gegenwärtig noch ganz „verkümmert“ und unaktiv ist -, sondern vorwiegend dasjenige der Gleichheit infolge des Übergewichtes des Rechts- und Staatsprinzips.

An diesem „sozialen Grenzort“ Schule haben alle Eltern gleichermassen die Pflicht, ihren Kindern in bestimmtem Umfange eine Schulbildung zuteil werden zu lassen; Schulzwang ist die Vorderseite des Erziehungswesens. Dahinter erst liegt das Freiheitsproblem. Und weil das so ist, muss die Freiheit zu einem Problem werden, das nicht einfacher wird dadurch, dass man sich vorstellt, man könne über die Finanzierung des Schulwesens durch „freie“ Gelder gewissermassen die Problematik dieser „Freiheit“ auflösen. Die „Freiheit“ bliebe trotzdem - vom rein geistigen Zentrum ausgesehen, in dem sie als sozialer Impuls beheimatet ist - als eine speziell auch für das Erziehungswesen gestellte und hier für die

[Beiträge, Jahrgang 6, Heft 3-4, Seite 23]

 

besondere soziale Situation in Angriff zu nehmende Aufgabe bestehen. Sie wird uns noch Jahrhunderte als eine Frage der kollegialen Schulverfassung und der Ordnung und Funktion des Schulwesens als des wichtigsten Zweiges im sozialen Ganzen zu beschäftigen haben. - Es wird sich zeigen müssen, ob in diesem Zusammenhang die sogenannte freie Finanzierung des Schulwesens so verkoppelt ist mit der Freiheit des Erziehungswesens überhaupt und ob sie die Rolle spielt, die ihr in dem genannten Beitrag zugewiesen wird.

III

Es ist aber die Frage, ob nicht das Gleichheitsprinzip im Erziehungswesen, insofern es als allgemeines Recht auf Erziehung und als allgemeine Schulpflicht erscheint, insoweit im Bereich des Kulturlebens auch „legal“ ist, so dass man daraufhin auch das Finanzierungsverfahren im Erziehungswesen differenziert zu betrachten hat gegenüber der Finanzierung des „reinen“ Geisteslebens, welch letztere zugegebenermassen nur auf der Grundlage der Freiwilligkeit erfolgen kann, die aus dem individuellen Interesse impulsiert, also nicht durch Rechtsverhältnisse erzwungen wird. - Oder schafft man sich nur prinzipielle Stolperdrähte, wenn man beide in dieser Hinsicht über den gleichen Leisten schlägt?

Nach Götte ist „freie geistige Tätigkeit und freie Finanzierung derselben im Grunde unauflöslich miteinander verbunden“ (32 u. 33). - Auch für das Erziehungswesen fordert er, dass „die Finanzierung aus freiem Verständnis derer, die als Einzelpersonen am sozialen Organismus beteiligt sind“ erfolge, wie „von R. Steiner angedeutet“ wird „in Bezug auf die Finanzierung geistiger Unternehmungen“ -(31). - Die für das freie Geistesleben geforderte „Sicherstellung der wirtschaftlichen Grundlagen“ aus der „Einsicht“ (32 oben) wird auch für das Schulwesen geltend gemacht, da andernfalls „eine Lebensbedingung für das Wirken freier Schulen untergraben würde“. Es wird Unmittelbarkeit zwischen der pädagogischen Leistung und der finanziellen Gegenleistung gefordert: „Dass eine freie Schule durch Vorweisen „von Leistungen das freie Verständnis erkämpft für die Notwendigkeit in der Sicherung ihrer wirtschaftlichen Existenz“. Ähnlich wird die nach R. Steiner „in der geistigen Organisation“ frei konkurrierende „individuelle Initiative“ auf das Schulwesen übertragen und wird da zu einem „Konkurrenzkampf um das Geld“. (32) -

Bevor das Erziehungsprinzip allgemein wurde, war Erziehung und Bildung das Vorrecht der privilegierten Stände. Da weder Recht auf Erziehung noch Zwang dazu bestand, sondern Freiwilligkeit, verstand es sich von selbst, dass die Beteiligten den wirtschaftlichen Ausgleich unmittelbar unter sich regeln konnten. Man könnte diese historische Form des Erziehungswesens die aristokratische nennen, weil sie einer Gesellschaftsordnung entsprach, die auf feudalen oder sonstwelchen Standesprivilegien ruhte. Hier ist der (wie gesagt wurde: „unauflösliche“) „Zusammenhang erzieherisch-geistiger Tätigkeit und frei aus individueller Einsicht gegebenen Mitteln“ (33) noch vorhanden gewesen. - Also wäre heute wieder eine solche „aristokratische“ Verfassung des Erziehungswesens anzustreben, die, wenn auch nicht so ausgesprochen, doch dem Wesen nach dem entspricht, was Götte für das freie Schulwesen fordert. Der Einwand, dass damals die geistige Tätigkeit nicht „frei“ war (weil es ein auf Freiheit gestelltes Geistesleben nicht gab), wiegt weniger schwer, als dass dieses aristokratische Prinzip heute nicht mehr brauchbar ist, weil ein „allgemeines“ Erziehungswesen demokratisch sein muss. Wie ein wirklich demokratisches Erziehungswesen, das wir zugegebenermassen heute noch nicht haben, aussehen müsste, lässt sich allerdings vorerst nicht erkennen. Unsere Bemühungen zielen darauf, es zunächst gedanklich in den Griff zu bekommen.

Wie immer, schleppt die fortschreitende Entwicklung offene oder versteckte Anachronismen mit sich. Das heutige Privatschulwesen hat die Tendenz - gerade wegen der Unmittelbarkeit von pädagogischer Leistung und wirtschaftlicher Gegenleistung -, solche „aristokratischen“ Erziehungsformen zu konservieren (nicht nur in England!). Die Formulierung im Grundgesetz über die Zulassung von privaten Schulen will dem gerade entgegenwirken, [3] was man gewiss als berechtigt ansehen muss.

[Beiträge, Jahrgang 6, Heft 3-4, Seite 24

 

Die Waldorfpädagogik ist nicht eine solche privilegierte Erziehungsform der Vergangenheit für „einsichtige Eltern“, die im Stande sind, „die Erkenntnisse“ über den Zusammenhang von freier Finanzierung und freier Schule in einen „moralischen Fonds“ zu verwandeln (33), sondern sie ist die allgemeine Schule für das Volk, weil sie die Bedingungen für eine wirkliche Menschenerziehung in unserer Zeit voll und einzigartig erfüllt. - Mit Gedanken, wie sie aus dem Beitrag Göttes zitiert wurden, wird dieser Tatsache m.E. nicht Rechnung getragen. Im Zeitalter des allgemeinen Erziehungsprinzips und der allgemeinen Schulpflicht soll Eltern auferlegt werden - nachdem sie sich ein Urteil gebildet haben über die richtige Erziehungsmethode -, diese „aus Einsicht“ prinzipiell voll zu finanzieren, weil nur durch diesen „unauflöslichen Zusammenhang“ die Freiheit dieser Pädagogik gewährleistet sei! - Damit beschränkt man die Waldorfpädagogik auf den engen Kreis derer, die willens und fähig sind, sich nicht nur ein Urteil über pädagogische Systeme zu bilden, sondern auch bereit und imstande sind, diese, d.h. nur die Waldorfschule, finanziell zu tragen!

Denn für das allgemeine Schulwesen könnte man das doch nicht prinzipiell fordern! - Tatsächlich kann man diesen Gedanken nur im Umkreis der Waldorfschule propagieren, d.h, das für das reine Geistesleben in der Tat richtige aristokratische Prinzip auf das allgemeine Erziehungswesen übertragen. Im Rahmen allgemeiner Diskussionen über die richtige Konstitution des Schulwesens fände eine solche Gedankenverbindung heute gar keinen Widerhall: Im Zeitalter der Schulgeldfreiheit ist sie für das landläufige Bewusstsein fremdartig, ja weltfremd.

Ohne zu wollen, geht man so doch zum historischen aristokratischen Erziehungswesen zurück, um damit aber der Waldorfpädaogik den Weg ins allgemeine Erziehungswesen zu versperren, während für unsere in die Dekadenz versinkende Kultur gerade der Durchbruch dieser Pädagogik in das allgemeine Erziehungswesen eine Zeitforderung ist! - Man diskutiere in dieser Weise nur das Finanzierungsproblem in den Kreisen unserer Schuleltern, um zu sehen, welche „Einsicht“ und „Bereitschaft“ dafür zu mobilisieren ist! - Die Freiheitsfrage so mit der Geldfrage zu verketten, ist eine unzulässige Vereinfachung, mit der man die Gedanken und Willenseinsätze in die falsche Richtung lenkt und sie zur Unwirksamkeit verurteilt. -

[Beiträge, Jahrgang 6, Heft 3-4, Seite 25]

 

IV

Das aristokratische oder antidemokratische Erziehungsprinzip der verflossenen feudal-ständischen Gesellschaft ist mit dem Heraufkommen der politischen demokratischen Ordnungsstrukturen unter dem Einfluss des sich herausbildenden allgemeinen Erziehungsprinzips abgelöst worden durch ein Staatsschulwesen, das als das demokratische gelten möchte, sich aber bei näherer Betrachtung als das legitime Kind der bürgerlichen Epoche erweist; als solches ist es nicht das heute geforderte wahre demokratische oder freie Schulwesen, sondern, am Bilde eines solchen beurteilt, ist es seinem Wesen nach pseudodemokratisch. Wahre demokratische Pädagogik wäre Volkspädagogik; diese täuscht das Staatsschulwesen vorläufig nur vor. Hinter diesem schönen Aushängeschild sind die ursprünglichen Kräfte noch leicht zu erkennen, die zu dieser Form des allgemeinen Schulwesens geführt haben: „Opportunistische staatliche und utilitarisch-wirtschaftliche Erwägungen und Ziele“. Das bricht immer wieder durch in den Lehrplänen, den Unterrichtszielen, dem Berechtigungswesen, dem ganzen Habitus der öffentlichen Schule, aber von da aus auch der Privatschulen. Würde sich am Privatschulwesen als solchem unter solchen pseudodemokratischen Antrieben wirklich etwas grundlegend ändern, nur dadurch, dass es mit Hilfe staatsfreier Gelder finanziert werden könnte?

Die wahre Form der Volkspädagogik, d.h. die demokratische Schule, wäre die Schule in einem von Grund auf verwandelten Schulwesen. Die einzelne Waldorfschule ist so heute auch nicht „frei“, auch wenn sie keinen Pfennig an Staatsgeldern brauchte. Auch dann wäre es, vom radikalen, rein pädagogischen Standpunkt aus gesehen, eine Kompromissform; denn die Pädagogik als Disziplin müsste sich allgemein erst selbst freimachen.

Man erkennt aus der Diskussion über die Problematik der „freien“ Schule, dass wir noch nicht wissen, was das im Konkreten bedeutet. Um dahin zu gelangen, müssen - wie von Götte mit Recht gefordert wird - die Vorstellungen von einem freien Schulwesen zunächst mehr zu anschaulichen Vorstellungen verdichtet werden; dazu gehört auch, dass wir uns nicht in Bezug auf die Finanzierungsfrage in Illusionen bewegen.

Das Schulwesen kann von der Geldseite her nicht zu einem „freien“ gemacht werden. Wer dies unterstellt, läuft Gefahr, Ressentiments zu schaffen. Die Befreiung kann nur aus dem Zentrum eines Geisteslebens kommen, das eine Realität, eine aktive Potenz ist, so dass es gegenüber den beiden anderen Potenzen: Staat und Wirtschaft, eine gewichtige Stimme hat, wenn es um die Frage geht, welche Ziele die heutige Pädagogik haben muss und welcher Weg zur Volkspädagogik führt. - Der geschichtliche Weg zum allgemeinen Bildungswesen ist nun einmal über den Staat gelaufen. Kann man sagen, dass es anders hätte sein können? - Auch heute ist ja das Geistesleben noch keine soziale Realität. Wie hätte man im Zuge der geschichtlichen Entwicklung zum allgemeinen Schulwesen verhindern können, dass der Staat, der allein über die entsprechenden allgemeinen Finanzierungsmöglichkeiten für die Volksschule verfügte, dadurch sein Stiefvater wurde und heute noch sein Vormund ist? - Auf solchen Gedankenwegen kommt man zu der Erkenntnis, dass der von R. Steiner geforderte „Weltschulverein“ genau das Instrument hätte werden können, welches aus dem Zentral-Pädagogischen, den Tendenzen des bürgerlich-liberalistischen, pseudodemokratischen, des heutigen öffentlichen Schulwesens ein Gegenwicht hätte entgegensetzen können. Denn ein solcher Weltschulverein für Waldorfpädagogik stände im Zentrum des freien Geisteslebens, um von da aus nicht die „freie“ Finanzierung, sondern die Freiheit der Lehrmethode und der Erziehungsgrundsätze von Staat, Wirtschaft und Weltanschauung zu vertreten (und zwar unmittelbar aus pädagogischer Einsicht), auf die es doch allein hinausläuft bei der Freiheit im Erziehungswesen. Aber diese Gründung unterblieb; sie wäre heute noch aktuell, wenn man sich auf ein klares Konzept einigen könnte, wie die Freiheit des Schulwesens in der Öffentlichkeit vertreten werden könnte. Darin kann die Finanzierungsfrage zwar eine wichtige Rolle spielen, aber erst als die einleuchtende Konsequenz für die Schaffung eines echten demokratischen Schulwesens.

[Beiträge, Jahrgang 6, Heft 3-4, Seite 26]

 

V

Unterstellt man so, dass die Freiheit zum Ausbau einer Volkspädagogik auf der Grundlage wahrer Menschenerkenntnis, wenn sie über einen Weltschulverein aus dem Zentrum des freien Geisteslebens mit denjenigen Argumenten vertreten würde, die aus den Quellen der Anthroposophie in reichem Masse fliessen können, heute durchaus Gehör finden würde [4], so müssten die Gesichtspunkte für die Finanzierung des Schulwesens auf solcher Grundlage an der Peripherie gefunden werden, wo das Schulwesen an das Rechtsleben und das Wirtschaftsleben angrenzt.-

Götte beruft sich für seine Auffassung von der Notwendigkeit „freier Gelder“ für die Schule auf zwei Sätze aus R. Steiners „Kernpunkten“, die hier wiederholt werden sollen: „...Alles, was zum Unterhalt der geistigen Organisation nötig ist, wird dieser zufliessen durch die aus freiem Verständnis für sie erfolgende Vergütung von Seiten der Einzelpersonen, die am sozialen Organismus beteiligt sind.“ Und: „Diese geistige Organisation wird ihre gesunde Grundlage durch die in freier Konkurrenz sich geltend machende individuelle Initiative der zu geistiger Arbeit fähigen Einzelpersonen haben.“ (Hervorhebungen von F. Götte). -

Diese beiden Sätze stehen wie eine Präambel über einem Kapitel, das die Seiten 88 - 91 der „Kernpunkte“ umfasst und erst als Ganzes gesehen Aufschluss gibt über die Frage des finanziellen Ausgleichs zwischen denjenigen Personen, welche im sozialen Organismus die Verbrauchsgüter schaffen, und denjenigen, die - im Rahmen von Warenproduktion, -zirkulation und -konsumtion gesehen – nur Verbraucher solcher Waren sind - also nur auf der Konsumseite stehen. Die Gesichtspunkte, die aus der angeführten Gesamtdarstellung in den „Kernpunkten“ speziell für das Erziehungswesen gelten, möchte der Verfasser dieser Replik zunächst mit eigenen Worten ausdrücken, um sie zuletzt mit dem Duktus in den „Kernpunkten“ zu verbinden.

Zu dem Personenkreis, der auf der Konsumseite des Wirtschaftslebens steht, gehören: Die geistig Produzierenden, die überhaupt nicht Produzierenden (Kinder, Altgewordene, Invalide, Witwen, Kranke ...) und die Bedürfnisse der Allgemeinheit. In allen drei Kategorien ist das Erziehungswesen vertreten durch Lehrer, Kinder und die allgemeinen Erziehungs- und Kulturbedürfnisse. - Wenn wir drei Geldkategorien unterscheiden, das Kaufgeld, das Leihgeld und das Schenkungsgeld, so sind unmittelbare Kaufgeldinhaber nur diejenigen, die aus ihrer Tätigkeit in der wirtschaftlichen Produktion ihr Einkommen beziehen; die anderen beziehen ihr Kaufgeld mittelbar; also diejenigen, die zum Produzieren Kapital benötigen, mittelbar über das Leihgeld (das soll uns hier weniger interessieren) und alle, die auf der Konsumseite stehen (die wir hier geldwirtschaftlich mit dem Sammelbegriff „Rentenseite“ bezeichnen sollten), mittelbar über die Kategorie Schenkungsgeld (im weitesten Sinne). - In unserer abstrakten Geldordnung ist „Geld“ an sich nur „Schein“; - vielleicht sollte man den (Geld-)Schein einen „Titel“ nennen, der zu etwas berechtigt, einen Anspruch gewährt.

Die drei Geldarten lassen sich so unterscheiden: Kaufgeld berechtigt den Inhaber Anspruch auf einen Teil der Warenproduktion zu erheben; Leihgeld begründet Zahlung oder Empfang von Zins; Schenkungsgeld ist der Titel einer Anweisung, die dem Inhaber (im weitesten Sinne) Anspruch auf einen Teil der Warenproduktion gibt. „Freies“ Geld für „freie“ Finanzierung ist keine vierte sozialwissenschaftliche Geldkategorie; Mit diesem Begriff lässt sich keine Vorstellung gewinnen, wie im Grenzbezirk des Geisteslebens, dem Erziehungswesen, das Recht der Kinder auf Erziehung („Kernpunkte“. S.89) zu einem legalen Geldanspruch des Erziehungswesens auf der Rentenseite des Geldwesens wird.

[Beiträge, Jahrgang 6, Heft 3-4, Seite 27]

 

- Das ist sofort anders, wenn man für die ganze Kategorie des Schenkungsgeldes diejenige Differenzierung vollzieht, die durch das Zusammenwirken der drei Prinzipien des sozialen Organismus allenthalben eintritt: Schenkungstitel treten in der verschiedensten Form auf. Nennen wir einige:

1.) Bar- oder Kauf-(Geld-)Schenkung oder unmittelbare Schenkung; sie ist gekennzeichnet dadurch, dass ein unmittelbarer Willensentschluss zum Verzicht auf die eigennützige Verwendung von Kauf-(Geld-)Titeln damit verbunden ist. Die unmittelbare Schenkung in Verbindung mit einem Konsumverzicht des schenkenden Subjektes hat dazu geführt - oder verführt -, meist nur in diesem Vorgang den Begriff des Schenkungsgeldes zusehen. Das würde bedeuten, dass beim Schenkungsgeld immer ein individueller Entschluss zusammengehen müsse mit einem persönlichen Opfer. - Dafür wäre wohl „freies“ Geld nur ein anderer Ausdruck, wobei „frei“ wohl nichts anderes bedeuten soll als „freiwillig“ gegebenes Geld. Aber „individuelles Schenkungsgeld“ hat alle Farben, wie der Regenbogen; es kann ebenso mit eigennützigen Gefühlen geschenkt sein, wie sie mit dem Kaufgeld normalerweise verbunden sind; es kann aber auch für grosse und ideale Ziele im Zentrum des Geisteslebens geschenkt werden aus unmittelbar individueller Einsicht in die Notwendigkeit geistiger Impulse für den Fortgang der Kultur. - Ist in unseren Schulzusammenhängen Gewähr dafür gegeben, dass es sich beim Schulgeld wirklich um freiwillig gegebenes und zugleich nicht „auf wer weiss welche Weise“ verdientes Geld (33) handelt? - Auch bei den Privatschulen einschliesslich Waldorfschule handelt es sich in vielen Fällen um erzieherische Zwangssituationen, die Eltern veranlassen, in den saueren Apfel zu beissen und Schulgeld zu zahlen; wollte oder könnte man sie ausschliessen? Und wollen Eltern nicht oft genug dort aus Eigennutz eine bessere Erziehung für ihre Kinder, wenn sie scheinbar „frei“, aber nur weil es nicht anders geht, das Schulgeld zahlen?

2.) Wenn aufgrund allgemeiner gesetzlich-rechtlicher Festlegungen Zahlungen aus den Einnahmen der Wirtschaftsproduktion zugunsten der Rentenseite des Geldwesens erfolgen (auch Steuern), so sind diese Zahlungen auch Schenkungsgelder, die wir dann gewohnt sind, „soziale“ zu nennen. Das bedeutet, dass hier dem Vorgang nicht ein einzelner Willensentschluss, sondern ein „brüderlicher“, d.h. ein sozial-ethischer zugrundeliegt, der durch die Anerkennung allgemein menschlicher Rechte und Ansprüche zustandegekommen ist. Will man den Opferbegriff dabei noch einbeziehen, so handelt es sich hier nicht mehr um ein persönliches Opfer, sondern um einen der vielen Vorgänge, bei denen der Einzelverzicht in einen alle treffenden Verzicht auf persönliche Konsummöglichkeiten einbezogen ist. - Ist ein solches Schenkungsgeld weniger wertvoll als das persönliche Schenkungsgeld, wenn es unter dem Zwang allgemein anerkannter Rechtsgrundlagen dahingelangt, wo es die soziale Ordnung fordert? Wären unsere Alten, Invaliden, Kranken besser bedient, wenn sie auf die persönliche Unterhaltsschenkung angewiesen wären wie früher? - Man kann einsehen, dass dies auf dem Gebiete des Alters-, Invaliden-, Krankenversorgung heute bei der entwicklungsgeschichtlich notwendigen Auflösung der Blutszusammenhänge gar nicht mehr möglich wäre. - Ebenso wie hier eine Gesamtverantwortung für solche Schenkungsgeldbereiche notwendig ist, so ist dies auch durch das Erziehungsrecht auf dem Gebiet des Schulwesens. - Auch hier ist

[Beiträge, Jahrgang 6, Heft 3-4, Seite 28]

 

die „Abzweigung“ von Schenkungsgeld aus dem Bereich des Wirtschaftslebens nötig, um die auf dem Rechtsgebiet allgemein beschlossenen Aufgaben zu erfüllen. Diesen Beschluss muss das Geldwesen vollziehen in seinem Bereich - der Wirtschaft. - Es wird sich später herausstellen, wie das geschehen kann.

3.) Auf zwei Schenkungsgeldvorgänge sei noch hingewiesen, weil sich daran eine Besonderheit des Schenkungsgeldes zeigt.

Es sammeln sich in der Wirtschaft ununterbrochen Kapitalien an, auf welche diejenigen keinen legitimen Anspruch erheben können, bei denen sie sich ansammeln. In seinem Buch „Selbstgestaltung der Wirtschaft“ nennt Prof. Wilken dieses gerade „freies Kapital“. Solches Kapital, das z.B. auch seinen Ursprung in besonderen Marktvorgängen oder aussermenschlichen Einflüssen haben kann, ist „frei“ verfügbar; es gehört eigentlich der Gesamtheit. Deshalb kann es „frei“ delegiert oder bestimmten Zwecken (z.B. auch dem Schulwesen) zugeleitet werden. Hier kann man dann wirklich von „freiem Geld“ sprechen, weil es frei verfügbar ist. Die Verfügung ist hier nur denkbar als ein Rechtsvorgang, der durch die Beschlüsse bestimmter Körperschaften ausgelöst wird. Diesem „abgelagerten“ Schenkungsgeld kommt in einer neuen Geldordnung eine grosse Bedeutung zu. Im Sinne des Beitrages von Götte müsste derartiges „abgelagertes“ Geld für das Erziehungswesen doch wohl auch „ungutes“ Geld sein? - Ungut kann es nur wirken, wenn es in die falschen Hände kommt. Es liegt also nicht am Geld, ob es ungut wirkt, sondern ob der Einsicht derjenigen, die darüber verfügen.

Auch mit dem Altwerden des Leihgeldes ist eine Verfügungsberechtigung dadurch verbunden, dass der Verleiher von Kapital berechtigt ist, nach Ablauf seines Anspruchs auf Verzinsung den Betrag einer Institution des Kulturlebens zu schenken [5].

Bei diesen Formen der Verfügung über freies Geld kommt es - da der Verfügende aus materiellen Gesichtspunkten heraus selbst kein Interesse daran haben kann - darauf an, wer als Verfügungsberechtigter für die Schenkung den Titel in Händen hat. Er kommt dadurch persönlich zu dem die Schenkung Empfangenden in eine rein ideelle Beziehung; gerade weil kein materielles Interesse vorliegen kann, ist erst die Möglichkeit frei, dass nichtmaterielle Aufgaben und Ziele mit Hilfe des Geldes verfolgt werden. -

Das Wort vom „moralischen Fonds“ den pädagogischen Aufgaben gegenüber, das am Schluss des Beitrages von Götte auftaucht, ist schon berechtigt; es ist nur nicht so motiviert, dass es realisiert werden könnte. Was sollen die Eltern mit dem Begriff anfangen, da es hier doch um ihr Geld geht, an dem sie konkret und materiell interessiert sind; können sie dann wirklich „frei“ für diese Pädagogik eintreten, wenn sie so „frei“ sein sollen, dafür grosse materielle Leistungen zu vollbringen, von denen die öffentliche Schule frei ist?

[Beiträge, Jahrgang 6, Heft 3-4, Seite 29]

 

Man prüfe den Begriff des Schenkungsgeldes für das Erziehungswesen: Dieses Schenkungsgeld kann für die Allgemeinheit der Eltern nur dann eine moralische Kraft im Erziehungswesen zur Wirksamkeit bringen, wenn es als solches für den Geber oder Verfügungsberechtigten materiell neutral, d.h. uninteressant ist. Im Einzelfalle können natürlich Einsicht und Idealismus das materielle Interesse paralysieren und persönliche Schenkung als Schulgeld motivieren; in diesem Falle handelt dieser einzelne dem Schulwesen gegenüber allerdings wie im Falle des „reinen“ Geisteslebens, für das er persönlich eintritt. Damit bleibt diese Schenkung auf Einzelfälle beschränkt und mit dem Begriff des Weltanschaulichen allzuleicht verknüpft. - Um diesen Fall kann es bei „prinzipiellen“ Untersuchungen nicht gehen, sondern um den allgemeinen Fall – nämlich den prinzipiellen, und dieser ist hier mit von der Rechtsphäre aus zu betrachten.

Nur wenn keine Gegenleistung erwartet wird, ist eine Leistung moralisch. - Aber gerade das ist es, was Götte hier hereinbringt: Daß das „Vorweisen von Leistungen“ die wirtschaftliche Existenz der Schule sichern müsse, daß Subventionierung auf die Startbedingungen korrumpierend wirke wie im wirtschaftlichen Bereich“ (32). - Hier soll also, wie in der Wirtschaft, die individuelle Fähigkeit nach dem Konkurrenzprinzip bezahlt werden (33): Sie würde aber dann, ebenso wie heute noch die Arbeitskraft in der Wirtschaft, Warencharakter erhalten! [6]

VI

Hier ist der entscheidende Gesichtspunkt in dem Satz der „Kernpunkte“ enthalten, daß, was der Lehrer an seinen Schülern leistet, für den Wirtschaftskreislauf Ware ist („Kernpunkte“ S. 90). Dadurch, daß durch die Leistung des Lehrers Arbeit in der Wirtschaftsproduktion erspart wird, bekommt auch die Tätigkeit des Lehrers einen bestimmten volkswirtschaftlichen Wert. Das Geistesleben kann also nur durch das Wirtschaftsleben finanziert werden (ebenso wie das Rechtsleben) [7]. Das wahre Geistesleben ist auch kein Luxus, sondern für das Wirtschaftsleben eine Lebensnotwendigkeit. Eine Wirtschaft, die sich die Ausgaben für ein Geistesleben ersparen möchte, würde bald verödet sein. - Auch das Erziehungswesen kann seinen Unterhalt nur aus der wirtschaftlichen Organisation beziehen. Diese ist nicht auf den Bereich der Wirtschaft beschränkt, sondern, wie Geistes- und Rechtsleben, in jedem der drei Glieder des sozialen Organismus vertreten. (Auch der Betrag, den ein Lehrer als Schulgeld für sein eigenes Kind zahlt, stammt aus der wirtschaftlichen Organisation.) R. Steiner macht im Nationalökonomischen Kurs an dem Beispiel der „einfachen Dorfwirtschaft“ klar,

[Beiträge, Jahrgang 6, Heft 3-4, Seite 30]

 

dass die Dorfbewohner, wenn sie einen Lehrer haben wollen, für den Unterhalt des Lehrers einen Teil ihrer Erzeugnisse abgeben müssen. Die Leistung des Lehrers für die Bauern hat also hier ihre Auswirkung im Gebiet des wirtschaftlichen Geschehens in dem Dorfe. Beschliessen die Bauern eine Umlage für die Unterhaltung von Lehrer und Pfarrer, so ist dadurch innerhalb dieser primitiven Form der Privatwirtschaft eine Art Rechtsglied zustande gekommen. - Es kommt nun darauf an, wie der Vorgang weiter verläuft. - Wenn der Dorfschuhe bestimmt wird, die Unterhaltsmittel einzuziehen und seinerseits an Lehrer und Pfarrer auszukehren, dann verläuft der Vorgang wie heute, wenn der Staat mit den Steuern auch die Kosten für das Erziehungswesen einzieht und verteilt.

Will man nun herausschälen, was das Verkehrte an diesem Vorgang ist, wenn das legale, d.h. durch Gesetzgebung (im Haushaltsplan) festgelegte Schenkungsgeld für das Erziehungswesen in Form und zusammen mit der Steuer (notfalls „zwangsweise“) „eingezogen“ und „widerwillig“ gezahlt (33) wird, so wäre es unrichtig, den Steuerzwang verantwortlich zu machen. Wenn heute viele bei dieser Vorstellung sogleich rot sehen, so liegt das nicht an der Steuer, sondern an dem abstrakten Steuersystem. - Jeder Erziehungsbeitrag, der heute - im Hinblick auf Erziehungsrecht und Schulzwang - ihrer in Form einer gesetzlichen Auflage, d.h. notfalls „vollstreckbar verhängt“ (31) werden muss, ist in diesem Sinne eine „Steuer“. (Auch eine Waldorfschule kommt nicht selten in die Lage, das Schulgeld eintreiben zu müssen.) Entscheidend ist, dass dieser Erziehungsbeitrag - sachlich dasselbe wie eine Steuer - durch das „Wie“ der sozialen Einrichtungen. als allgemeine Schenkungsgeldkategorie erscheint und dadurch den odiösen Charakter der Steuer verliert. - Das Verkehrte ist nicht der Zwangscharakter des Schulbeitrages, sondern dass er vom Staat allein festgesetzt, von ihm eingezogen und von ihm auch an das Schulwesen gegeben wird. Es kommt beim Schenkungsgeld jeder Art darauf an, wer über den Schenkungstitel verfügt. Nicht das Geld als solches bringt auf mysteriöse Weise dämonische Mitesser in den Bereich des Geisteslebens, sondern die Hand, die darüber verfügt.

VII

Der Erziehungsbeitrag muss ein Bestandteil des Einkommens werden. Man kann Erhebungen darüber anstellen, wieviel Geld monatlich einem Ehepaar für ein schulpflichtiges Kind zur Verfügung stehen muss. Die staatlichen Schulverwaltungen wissen dies für den heutigen Stand des öffentlichen Schulwesens ganz genau, denn das Geld kommt heute auf dem Steuerwege bereits auf. - Wenn derselbe Betrag, aufgeteilt auf die Zahl aller Kinder im schulpflichtigen Alter im ganzen Gemeinwesen, Einkommensbestandteil wird und Kraft Gesetzes zum Arbeitsentgelt zusätzlich zu zahlen ist, so entsteht - insoweit heute bereits Schulgeldfreiheit besteht - keine zusätzliche Belastung der Wirtschaft oder der einzelnen Eltern, wenn das Steuersoll um denselben Betrag herabgesetzt wird. Materiell ändert sich nichts, nur der Vorgang ändert sich. - Wir sind uns klar gewesen darüber, dass es sich um einen Schenkungs-Geld-Titel handelt, dass dieser Betrag nicht als Kauf - oder Konsumgeld den Eltern zusteht. Das Einkommen zerfällt dadurch in zwei Kategorien: in konsumierbares Einkommen und in einen nicht-konsumierbaren, aber - delegierbaren Schenkungs-Geld-Titel. Dieser Titel ist Geld nur dann, wenn er an eine Schulverwaltung gegeben wird. Die Verfügung darüber, an welche Schulverwaltung er gehen soll, hat der Vater (oder das Ehepaar). Er kann nun ohne materielle Nachteile, nach Interesse und Einsicht ideelle, moralische Impulse dabei entscheiden lassen, wie er verfügt. Er ist in gewissem Sinne äusserlich „frei“, so dass er sich auch freie Einsicht wirtschaftlich leisten kann. - Ob dieses Geld eine gute Wirkung oder eine weniger gute innerhalb des Erziehungswesens ausübt, hängt nicht von dem Schein ab, sondern von der Entscheidung der Eltern, wohin sie ihn geben, aber es ist immer eine unmittelbare Beziehung gerade über diesen Geld-Titel zwischen Schule und Eltern hergestellt, weil dieser den Eltern Veranlassung gibt, sich mit der Frage des geeigneten Erziehungssystems für ihre Kinder zu befassen. Eine bedeutende Wirkung könnte von Elternseite auf die Pädagogik erst unter solchen „freilassenden“ Umständen erwartet werden gegenüber dem heutigen Zustand, der sich in einer Art Zwangsläufigkeit und Unentrinnbarkeit den Eltern darstellt und sie fast unzugänglich macht für Erziehungsfragen als Probleme der Charakterbildung und Persönlichkeitsentwicklung, wie sie der „Weltschulverein“ für Waldorfpädagogik vertreten würde.

[Beiträge, Jahrgang 6, Heft 3-4, Seite 31]

 

Eine solche Ordnung lässt auch die Lehrerschaft einer Privatschule freier, als sie es ist, wenn sie das Schenkungsgeld als persönliches Opfer beanspruchen und fordern muss. Man muss mit diesen Vorgängen recht nahe Berührung haben (in der verkrampften Form, wie heute die Unterhaltsfrage im Privatschulwesen „gelöst“ ist), um das Befreiende solcher Vorstellungen von einem allgemeinen Erziehungseinkommen zu empfinden. - Es ist doch sozial ungerecht, wenn durch Rechtskraft über die Steuer allgemeine Unterhaltsbeiträge des Erziehungswesens erhoben werden und wenn dann für das Privatschulwesen nach Artikel 7 des Grundgesetzes darüber hinaus ein wesentlicher Teil des Unterhaltsgeldes für diese Schulen den Eltern auferlegt wird! - Wenn für die Schulbildung allgemeine Gesetze, nicht individuelle Bedingungen gelten, muss gefordert werden, dass der Staat, wenn er „das Recht zur Errichtung von privaten Schulen gewährleistet“, auch die Pflicht anerkennt, als Verwalter der allgemeinen Schulgelder „die finanzielle Grundlage dieser Schulen zu garantieren“. Dieses Prinzip ist selbstverständliche demokratische Rechtsgrundlage. - Das „Problem“ liegt woanders, und das „Unglück“, das der Verfasser befürchtet, „wenn eine solche Staatsgarantie für die wirtschaftliche Existenz freier Schulen in die Verfassung käme“ (32), ist bereits auf dem Wege: die CDU hat auf ihrer Kulturtagung schon ihr „Ja“ zur vollfinanzierten Privatschule gegeben! - Das Unglück ist nicht die wirtschaftliche Garantie, sondern die Tatsache, dass die Tendenz zur „freien“ Schule von konfessionellen, d.h. Weltanschauungsgruppen, ausgeht - nicht von den Enthusiasten für eine „humane“ Erziehung, d.h. für eine Schule, die sich von denjenigen Einflüssen freihält, die auf dem Felde der Pädagogik heute nicht mehr legal sind, — also vom Staate und von allen kollektiven ideologischen, weltanschaulich gebundenen Gruppen. Diese Einflüsse machen die Schule und das Erziehungswesen unfrei - nicht das Geld.

Wenn wir als Vorkämpfer der Waldorfpädagogik mit nur wenigen Experimentatoren auf diesem Gebiet aus rein pädagogischem Interesse und echtem Bildungsanliegen die private Schule fordern, so wäre es nicht die Vollfinanzierung durch den Staat, die der Freiheit gefährlich werden müsste, weil sie vom Staate kommt, sondern weil unsere Mitkämpfer für die Privatschule diese Vollfinanzierung aus ganz anderen Motiven (im Hinblick auf die religiösen oder weltanschaulichen Nebenabsichten) durchsetzen wollen, weil sie mit Hilfe der vollfinanzierten Privatschule diese Ziele leichter erreichen können als bei der heutigen Teilfinanzierung. Dadurch erst könnte das Erziehungswesen als solches in die Gefahrenzone der Unfreiheit von aussen neu hineinkommen, „wenn der Staat grundsätzlich auch die wirtschaftliche Existenz der privaten Schule garantiert“.

Wer zahlt nun das Erziehungseinkommen? Jeweils die Stelle, von der der Erziehungsberechtigte sein Arbeitseinkommen bezieht! - Dagegen wird natürlich sofort eingewendet, dass dann ein kinderreicher Vater nicht so leicht Arbeit in einem wirtschaftlichen Unternehmen finden würde wie ein Kinderloser. - Dieser Einwand gilt nur, wenn man sich den Erziehungsbeitrag in die heutige Wettbewerbswirtschaft hineingestellt denkt. Aber auch heute schon könnte sich die Wirtschaft ohne Schwierigkeit eine überbetriebliche Ausgleichskasse für die Einzelbetriebe für ein gesetzlich verankertes Erziehungseinkommen schaffen, durch welche Differenzen ausgeglichen werden, wenn Einzelbetriebe mit ihren Erziehungslasten über oder unter dem Gesamtdurchschnitt liegen. (Das könnte das sich selbst verwaltende Schulwesen ebenso einrichten.) - Es ist weitaus rationeller, diesen Ausgleich die Wirtschaft machen zu lassen, als den Staat heranzuziehen, damit er, wie heute beim Kindergeld, über den Gesamtbetrag verfügt und ihn auszahlen lässt, anstatt die zahlende Wirtschaft unmittelbar an den Empfänger auszahlen und den Spitzenausgleich im eigenen Bereich bewerkstelligen zu lassen.

Bei diesem allgemeinen Erziehungseinkommen kann es sich nur um den durchschnittlichen Bedarf des Schulwesens an Unterhaltsmitteln handeln. Wo das Gleichheitsprinzip gilt, muss Differenzierung der Unterhaltsmittel auch auf pädagogischem Gebiet unterbleiben. - Das handhabt der Staat heute so,

[Beiträge, Jahrgang 6, Heft 3-4, Seite 32]

 

wenn er - konsequenterweise - die Beihilfe an die Privatschulen nach dem Grundsatz des Vergleichs mit dem Bedarf des öffentlichen-Schulwesens bemisst. - Dagegen ist an sich nichts einzuwenden, wenn von diesem Maßstab alle Zuwendungen, die Eltern darüber hinaus ihrer Schule zukommen lassen, unberührt bleiben. Das ist heute noch nicht der Fall bei dem sogenannten Defizitdeckungsverfahren, nach welchem die staatliche Beihilfe um denjenigen Betrag sinkt, um den die Elternbeiträge den sogenannten Fehlbetrag, der auf Grund des Vergleichsmaßstabes mit der öffentlichen Schule errechnet wird, übersteigen. - Hier zeigt sich - auf finanziellem Gebiet - eine Auswirkung der Tatsache, dass der Staat selbst die Gelder einzieht und verteilt, statt nur die gesetzlichen Bedingungen für die Finanzierung der Schulen zu schaffen, indem er die Auszahlung nur unter dem Aspekt der Gleichheit (Vergleichsmaßstab) stellt, kommt es mittelbar auch zu einer Normierung der Pädagogik selbst - von der Geldseite her - d.h. was die Pädagogik der Staatsschule an Mitteln erfordert, darauf mag sich auch das Privatschulwesen einstellen - wenn es existieren will! Kann es damit nicht auskommen (weil z.B. eine harmonische Erziehung nach Denken, Fühlen und Wollen einen grösseren Aufwand an Lehrkräften und Mitteln erfordert), dann sind das keine Gesichtspunkte, die den Staat bei der Finanzierungsfrage berühren. - Aber eine für die Erziehung zuständige Instanz innerhalb des Kultur- und Geisteslebens ginge das umso mehr an. - Eine solche Instanz könnte Einsicht bei den Eltern für fortschrittliche und neue Erziehungsmethoden erwecken und erwarten, dass dafür aus Einsicht zusätzlich notwendige Zuwendungen von verständigen Eltern geleistet werden, die dann nicht dem Defizitdeckungsverfahren zum Opfer fallen dürften; denn das steht im Widerspruch zum Rechtsempfinden.

VIII

Professor Wilken hat sich in seinem Beitrag in derselben Dreigliederungskorrespondenz für eine Übergangslösung ausgesprochen, die er in der Herauslösung der Körperschaftssteuer in Form eines Kulturetats sieht. - Abgesehen davon, dass es schwierig sein dürfte, eine solche Steuerkategorie aus dem gesamten Steueraufkommen herauszulösen, befürchtet er mit Recht, dass dann diese Gelder in die Hand eines „allmächtigen Kultusministers“ kommen könnten; damit wäre nichts gebessert. Auch würde bei dieser, stark von der Konjunktur abhängigen Steuerart ein starkes Unsicherheitsmoment in die wirtschaftliche Existenz des Schulwesens hineinkommen. Bei dem Erziehungseinkommen liegt die Sache anders. - Dieses wirkt sich unmittelbar in der Preisbildung für die Konsumgüter aus. -

Richtig und gesund sind soziale Einrichtungen erst dann, wenn ihre Funktionen sich gewissermassen mit organischer Vernunft vollziehen können. Das ist der Fall, wenn das Schulwesen sich wirtschaftlich auf diesem Erziehungsbeitrag aufbaut. Dadurch sind alle Konsumenten über die Preise der Konsumgüter – mit Recht an der Finanzierung beteiligt, nicht nur die Eltern oder eine Steuerart. Das schafft die notwendige breite und tragfähige Basis, über die sich selbst in der heutigen Wettbewerbswirtschaft die Unsicherheiten der wirtschaftlichen Entwicklung noch am besten ausgleichen würden. - Wieviel gefestigter wäre noch finanziell das Erziehungswesen auf dieser Grundlage in einer assoziativen Wirtschaftsordnung!

Das Richtige wäre also die individuelle Verfügung des Erziehungsberechtigten über den aus dem Erziehungseinkommen ihm zustehenden Schul-Schenkungs-Titel, aber allgemeine Aufbringung der Titel mittelbar über die Preise der Konsumgüter; von da aus sollten sich auch die zunächst zu ergreifenden Schritte ergeben für die Erringung der Freiheit unserer Schulen von der Geldseite her. -

[Beiträge, Jahrgang 6, Heft 3-4, Seite 33]

 

Das nächste Ziel wäre danach die völlig freie Verfügung für diejenigen Gelder, die der Schule unmittelbar als Schenkungsbeiträge in den Elternbeiträgen zugeflossen sind. Dieses Ziel liesse sich mit den vereinten Kräften des Privatschulwesens wahrscheinlich verhältnismässig leicht erreichen. - Danach kann es sich nicht etwa darum handeln, sogleich die staatlichen Zuschüsse durch höhere Elternbeiträge (weil diese nun uneingeschränkt verfügbar sind) abzubauen; das nächste Ziel sollte vielmehr sein - vordringlicher als die Erhöhung dieser staatlichen Subventionen - die staatliche Sicherstellung der Altersversorgung der Lehrkräfte im Privatschulwesen. Man kann diese Altersversorgung eigentlich nicht auch noch durch Schulgelder der Eltern bewältigen; versucht man es dann bleibt es eine im Hinblick auf die Höhe der berechtigten Ansprüche unserer Lehrer kümmerliche oder verkrampfte Angelegenheit. Diese Schulbeiträge haben ihren Sinn und Wert ja auch nur in der unmittelbaren Gegenwart des Erziehungsvorganges. Diese Unmittelbarkeit zwischen Erziehungsvorgang und Elternbeitrag erlischt mit der Pensionierung. Aber der Staat hat diese Pflicht genauso wie gegenüber seinen Unterrichtsbeamten; auch das ergibt sich aus dem Gleichheitsprinzip. Damit würde man schon den künstlich errichteten Graben zwischen dem beamteten Staatsschullehrer und dem Privatschullehrer teilweise zuzuschütten beginnen. - Für die finanzielle Gleichstellung der Lehrkräfte der Privatschulen, soweit sie vom „Vergleichsmaßstab“ erfasst werden - dafür kämpfen auch schon die weltanschaulich interessierten Gruppen für ihre Schulen. Unser besonderes Anliegen sollte darüber hinaus der Kampf sein um die öffentliche Verbreitung einer neuen Erziehungskunst.- Sollte man da nicht noch heute prüfen, ob es vielleicht doch noch nicht zu spät wäre, den „Weltschulverein“ für die Waldorfpädagogik ins Leben zu rufen?

IX

In den „Kernpunkten der sozialen Frage“ ist ausgeführt, dass alles, was zum Unterhalte der geistigen Organisation nötig ist „dieser zufliessen wird durch die aus freiem Verständnis für die erfolgende Vergütung von Seiten von Einzelpersonen, die am sozialen Organismus beteiligt sind“. - Die geistige Organisation durchdringt ihrerseits auch die beiden anderen Glieder der sozialen Organismus dadurch, dass jeder Mensch durch seine geistig-seelische Verfassung unmittelbar der geistigen Organisation angehört. Insofern ist die „freie Konkurrenz“ als „die gesunde Grundlage“ dieser „geistigen Organisation“ in Form der sich „geltend machenden individuellen Initiative der zur geistigen Arbeit fähigen Einzelpersonen“ überall im gesunden (insbesondere im dreigliedrigen) sozialen Organismus vorhanden, ob es sich dabei um freischaffende Künstler, Lehrer, Ingenieure, Werkmeister, Kaufleute oder einfache Handarbeiter handelt. - Dass sie in der verschiedensten Weise vorhanden ist, muss - als eine Selbstverständlichkeit - bei der wirtschaftlichen Seite bedacht werden. - Der freischaffende Künstler stellt sich „frei“ auf die Spitze dieser „Fähigkeit“ zur geistigen Arbeit innerhalb seiner individuellen Initiative. Für ihn gilt, was auf Seite 60 der „Kernpunkte“ steht: „Auf dem Gebiet des Geisteslebens wird die Möglichkeit entstehen, dass dessen Hervorbringer von Erträgnissen ihrer Leistungen auch leben. Was jemand für sich im Gebiete des Geisteslebens treibt, wird seine engste Privatsache bleiben; was jemand für den sozialen Organismus zu leisten vermag, wird mit der freien Entschädigung derer rechnen können, denen das Geistesgut Bedürfnis ist.“ Wenn dies allgemein für das kulturelle und das Gebiet des Geisteslebens gälte, zu dem wir den Lehrer zählen, dann wäre es ein Widerspruch, wenn Rudolf Steiner im nächsten Abschnitt einen Erziehungsbeitrag fordert, der Bestandteil des Einkommens sein soll nicht auf Grund einer irgendwie gearteten Leistung, sondern mit der sozialen Bestimmung, der Erziehung der in der Familie vorhandenen Kinder zu dienen. Dieses Erziehungseinkommen ist die Folge eines allgemeinen Erziehungsbedürfnisses und der Gegenwert für die Erziehungsleistung, so wie im Falle des Künstlers die freie Entschädigung für die Befriedigung eines individuellen Bedürfnisses. - In diesem Falle (des freischaffenden Künstlers) gilt: „Auf dem Gebiet des Geisteslebens wird die Möglichkeit entstehen, dass dessen Hervorbringer von Erträgnissen ihrer Leistungen auch leben. ...

[Beiträge, Jahrgang 6, Heft 3-4, Seite 34]

 

Wer durch solche Entschädigung innerhalb der Geistesorganisation das nicht finden kann, was er braucht, wird übergehen müssen zum Gebiet des politischen Staates oder des Wirtschaftslebens.“ („Kernpunkte“, S.60) Künstler, Schriftsteller usw. müssen mit dieser freien Entschädigung für ihre Leistung rechnen. Im anderen Falle, im allgemeinen Erziehungswesen, wirken freie Initiative und Recht von ausserhalb der Wirtschaft zusammen, damit innerhalb des Wirtschaftskreislaufes der Warenwert zustande kommt, der die wirtschaftliche Gegenleistung verlangt. „Für den Wirtschaftskreislauf sind die geistige Organisation bezüglich dessen, was sie beansprucht als wirtschaftliches Erträgnis, und auch der Staat einzelne Warenproduzenten. Nur ist das, was sie produzieren, innerhalb ihres eigenen Gebietes nicht Ware, sondern es wird erst Ware, wenn es von dem Wirtschaftskreislauf aufgenommen wird. Sie wirtschaften nicht in ihren eigenen Gebieten; mit dem von ihnen Geleisteten wirtschaftet die Verwaltung des Wirtschaftsorganismus.“ -(„Kernpunkte“, S.90)

Dem Wirtschaftsorganismus wird man deshalb (wie im Falle der Leistung des frei Schaffenden dem dafür Interessierten) das Recht zugestehen müssen zu sagen, was er für diese (erzieherische) Leistung des geistigen Organismus als Gegenwert (in Form des Erziehungseinkommens) leisten kann. - Die geistige Organisation wird ihre Wünsche für das Erziehungswesen aus der fachlichen Kenntnis und Erfahrung darlegen und daraufhin gutachtlich zur Höhe des Erziehungseinkommens Stellung nehmen können. - Wenn der Rechtsstaat diese Rechte auf Erziehung allgemein für jeden festgesetzt hat, so wird auf dieser Grundlage ein Übereinkommen aller drei sozialen Organisationen zustande kommen müssen, das den Erziehungsbeitrag regelt. - Dieses soll dem Familienvater zufliessen durch die entsprechenden Einrichtungen. - Soweit es den Erziehungsbeitrag betrifft, können diese Einrichtungen nur in Gebiet der wirtschaftlichen Organisation gesucht werden. So wie diese heute dem Staat den richtigen Eingang der Hauptmasse der Steuern zu gewährleisten hat, ist sie auch zuständig für alle Maßnahmen, durch die der Familienvater die Verfügung für den Titel des Erziehungsbeitrages für seine Kinder in die Hand bekommt. - Sache des Erziehungswesens selbst ist es dann, mit den ihm durch die individuelle Entscheidung des Erziehungsberechtigten zugeflossenen Mitteln selbständig zu wirtschaften.

Der Staat (im sozialen Organismus „übergeordnet“) sorgt dafür, dass diese Ordnung rechtlich für alle Kinder zustande kommt; die geistige Organisation (im sozialen Organismus überall eingeordnet) hat die Urteilsgrundlagen zu bilden; die wirtschaftliche Organisation (im sozialen Organismus untergeordnet) ist dann in der Lage, den Erziehungsbeitrag im jeweiligen Einkommen zu leisten und dem Berechtigten als monatlichen Verfügungstitel zugunsten seiner Schule zuzuleiten.

Für das Wirtschaftsleben ist dieser Beitrag zum Erziehungswesen eine „Bringschuld“; d.h. weder der Staat noch das Erziehungswesen ist verpflichtet, diesen Beitrag zu „holen“ oder durch eine besondere Kasse (innerhalb des Staates oder des Erziehungswesens) zu verwalten, sondern er muss dem Verfügungsberechtigten unmittelbar zuggestellt werden. Dadurch wird auch vermieden, dass sich eine Geldinstanz mit eigenen Intentionen in einem Bereich des sozialen Organismus etabliert und zwischen Schule und Elternhaus tritt. Alle Vorstellungen von solchen Institutionen (Sammelkasse wie Arbeitslosenversicherungsanstalt, Invaliden-, Angestelltenversicherung usw.) mit ihren unvermeidlich bürokratisch-abstrakten Verfahrensweisen sind hier weder aus organisatorischen noch aus sachlichen Gründen am Platze. -

Es ist versucht worden, deutlich zu machen, dass es sich im Erziehungswesen, im Gegensatz zum „reinen“ Geistesleben, nicht darum handelt, dass die nötigen finanziellen Leistungen von dem einzelnen Erziehungsberechtigten freiwillig aufgebracht werden - um die Freiheit zu garantieren, - sondern dass die Allgemeinheit dafür in Anspruch genommen werden muss. Würde man das, was für das reine Geistesleben gilt, auch für das Schulwesen fordern, so müßte sich dies

[Beiträge, Jahrgang 6, Heft 3-4, Seite 35]

 

für das reine Geistesleben geradezu verhängnisvoll auswirken, weil dessen Unterhalt umso kärglicher ausfallen müßte, je mehr Mittel dem einzelnen für Leistungen entzogen werden, die gerechterweise aus der Allgemeinheit heraus aufgebracht werden müßten. - Wieviel wird doch heute schon an wirtschaftlichen Möglichkeiten diesem zentralen Geistesleben (z.B. Goetheanum) entzogen - dadurch, daß Schenkungen und Spenden für Aufgaben in Anspruch genommen werden müssen, deren Finanzierung nicht dem einzelnen, sondern der Allgemeinheit obliegt. - So sehr man die Opfer bejahen muß, die seinerzeit zur Einrichtung der ersten Waldorfschule gebracht wurden - weil etwas Neues dieser Art nur durch individuelle Opfer möglich ist -, so falsch wäre es, diese „Durchbruchsform“ eines neuen pädagogischen Impulses hinterher zum Prinzip zu machen. Was für die Pionierleistung nötig war, kann späterhin zum Schaden werden; dagegen sollte man meinen, daß die Erkenntnis der richtigen Ordnungen auch Wege und Möglichkeiten eröffnet, sie herbeizuführen. In diesem Sinne meinen auch wir, daß die offene Diskussion solcher Fragen aufs wärmste zu begrüßen ist.

X

Diese Vorstellungen über die Finanzierung des Erziehungswesens finden ihre Stütze in den „Kernpunkten der sozialen Frage“; diesen ist entnommen, was im Nachfolgenden in Anführungszeichen steht (Hervorhebungen vom Verfasser):

„...im Gegensatz zu vielem, was in der Gegenwart für praktisch gehalten wird, es aber nicht ist, ... das wirklich Praktische ... eine solche Gliederung des sozialen Organismus, daß die Menschen in dieser Gliederung das sozial Zweckmäßige veranlassen.“

„Sozial zweckmäßig“ kann nur sein, was aus der imaginierenden Anschauung dieser Gliederung und ihren organischen Vollzügen abgelesen werden kann. Ein einzelner Satz allein gibt jedoch noch nicht die Gewähr, daß das „Richtige“ sich „dadurch finden“ läßt. In unserem Falle kann mit den Worten Rudolf Steiners gesagt werden,

das Wesentliche bei all diesem ist, daß die Feststellung desjenigen, was ein nicht selbst Verdienender als Einkommen bezieht, nicht aus dem Wirtschaftsleben sich ergeben soll, sondern daß umgekehrt das Wirtschaftsleben abhängig wird von dem, was in dieser Beziehung aus dem Rechtsbewußtsein sich ergibt.“ -

„Wie Kindern das Recht auf Erziehung, so steht Altgewordenen, Invaliden, Witwen, Kranken das Recht auf einen Lebensunterhalt zu, zu dem die Kapitalgrundlage in einer ähnlichen Art dem Kreislauf des sozialen Organismus zufließen muß ... wie für die Erziehung der noch nicht selbst Leistungsfähigen.“

Für den „Lebensunterhalt“ der „Altgewordenen, Invaliden, Witwen, Kranken“ ist dies unmittelbar verständlich, weil sie den Lebensunterhalt selbst beziehen. - Das Kind - unmündig - kann den Beitrag zu seiner Erziehung nicht selbst beziehen; das Kindesverhältnis berechtigt den Vater, an seiner Statt die zweckgebundenen Mittel dem Empfänger (Schule) zuzuleiten; das pädagogische Vormundsverhältnis hat als Konsequenz auch ein finanzielles für Mittel, die dem Kind gehören.

„Der Familienvater wird als Arbeiter ein höheres Einkommen haben können als der Einzelnstehende.“ -

Kindergeld wird auch heute schon gegeben - aus bevölkerungspolitischen Gesichtspunkten, nicht aus Gründen einer „gerechten Güterverteilung“. Denn nicht im omnipotenten Staat, sondern

„NUR in dem hier gemeinten sozialen Organismus wird die Verwaltung des Rechtes das notwendige Verständnis finden für eine gerechte Güterverteilung“; denn ein solcher wird „die Mehrleistung, die ein Mensch auf Grund seiner individuellen Fähigkeiten vollbringt, ebenso in die Allgemeinheit überführen, wie er für die Minderleitung der weniger Befähigten den berechtigten Unterhalt aus dieser Allgemeinheit entnehmen wird.“

Es würde dann als gerecht empfunden, daß das „höhere Einkommen“ des Arbeiters, wenn es „Familienvater“ ist, nicht nur aus einer Kinderzulage besteht, sondern auch aus einer Verheiratetenzulage, und daß für schulpflichtige Kinder ein

[Beiträge, Jahrgang 6, Heft 3-4, Seite 36]

 

„Erziehungseinkommen“ hinzukommt. Das „höhere Einkommen“ erscheint also dreifach differenziert; aber das „Mehr“ hat sich nicht nach den „Bedürfnissen“ der Wirtschaft zu richten und ihren von den Konkurrenzverhältnissen abhängigen Preisen und Einnahmen des Gütermarktes (z.B. freiwillige Sozialzulage des Betriebes). -

„Das „Mehr“ wird ihm zufließen durch Einrichtungen, die durch Übereinkommen aller drei sozialen Organisationen begründet werden.“

Da heute Schulgeldfreiheit bereits besteht, sind solche Einrichtungen (als staatlich-steuerliche) auch bereits vorhanden; sie sind nur nicht „durch Übereinkommen aller drei sozialen Organisationen begründet“ worden, sondern einseitig durch den Staat. Sie sind deshalb nicht das „sozial Zweckmäßige“. Es handelt sich indessen nicht etwa darum, gewissermaßen vom Nullpunkte aus ganz neue Einrichtungen zu schaffen, sondern innerhalb der Einrichtungen, die bestehen, „das Richtige zu finden“ ... „durch zielgemäßes Zusammenwirken der drei in sich selbständigen Glieder des sozialen Organismus.“ Das Ziel ist die Erziehung der Kinder. Für diesen speziellen Fäll wird für den Finanzierungsvorgang dieses Zusammenwirken präzisiert:

„Solche Einrichtungen können dem Rechte auf Erziehung dadurch entsprechen, daß nach den allgemeinen Wirtschaftsverhältnissen die wirtschaftliche Organisation die mögliche Höhe des Erziehungseinkommens bemißt und der Rechtsorganismus die Rechte des einzelnen festsetzt nach dem Gutachten der geistigen Organisation.“

Das Gutachten der geistigen Organisation sind die Haushaltspläne für die Schulen, die heute der Staat mit macht und die in einem sich selbst verwaltenden Kulturleben Sache der Schulverwaltung sind. - Dann werden die Mittel auf der Rechtsebene beschlossen. - Das vom „Rechtsbewußtsein abhängige Wirtschaftsleben“ hat nun nur noch danach den Erziehungsbeitrag einzeln zu „bemessen“ und bereitzustellen durch seine Einrichtungen. [8]

Was liegt in diesem Zusammenwirken der drei Organisationen in Sachen Erziehungsbeitrag zum individuellen Einkommen anderes als das, was Rudolf Steiner bezeichnet als „das freie Verständnis“ für das Erziehungswesen (also auf der sozialen Ebene!), für die „Vergütung“, für den Unterhalt der geistigen Organisation, für die es wirklich zum Prinzip gehört, daß ihr „die Vergütung“ (trotz der Verständigung auf sozialer Ebene) unmittelbar „von Seiten der Einzelpersonen zufließt, die am sozialen Organismus beteiligt sind“ (in diesem Falle als pädagogische und finanzielle Vormünder ihrer Kinder)?

Wenn man in diesem Satz [9] das „freie Verständnis“ nur auf die Einzelpersonen bezieht (die in der Tat dem geistigen Organismus die Mittel zuzuführen haben), dann kommt man in Konflikt mit dem Erziehungseinkommen, das nicht auf dem „freien Verständnis“ der Einzelpersonen, sondern auf dem freien - nicht vom Staat erzwungenen (Kollektiv-)Verständnis, d.h. durch Verständigung innerhalb „aller drei Organisationen“ zustanden gekommen ist.

[Beiträge, Jahrgang 6, Heft 3-4, Seite 37]

 

Wenn dieser finanziellen Frage im Zusammenhang mit unseren Waldorfschulen so bis ins Einzelne nachgegangen wurde, so sei dies entschuldigt durch die wirklich nicht zu überschätzende Bedeutung, die richtige Gedanken haben können, wenn es sich darum handelt, Wege zu suchen, um mit der Waldorfschulbewegung aus der Stagnation herauszukommen. Wir dürfen uns nicht differenzieren wollen von den anderen (konfessionellen oder weltanschaulichen) Privatschulen durch ein anderes Finanzierungssystem, sondern dadurch, dass wir die Prinzipien der Erziehung nicht vom Staate nehmen (wie die anderen Privatschulen in der Regel), sondern unmittelbar aus der Einsicht in die Erziehungsbedingungen in unserer Zeit. Deshalb sollten wir alle Kraft darauf verwenden, für diese zu kämpfen - und das Geld vom Staate als unser gutes Recht ohne die geringsten Bedenken nehmen. Je mehr wir das erstere tun, desto weniger wird das letztere die Freiheit unserer Schulen gefährden.

Nachwort der Redaktion der Beiträge

Auf Grund dieses Aufsatzes ist im Redaktionskomittee eine Diskussion entflammt, ob man unterscheiden kann zwischen „Erziehungswesen“ einerseits und „reinem Geistesleben“ andererseits. Vielleicht erfolgt über dieses Problem noch eine Replik im nächsten Heft.

[Beiträge, Jahrgang 6, Heft 3-4, Seite 38]

 

Anmerkungen

[1] Darauf beziehen sich in den folgenden Ausführungen die in runden Klammern gesetzten Seitenzahlen (23 – 37).

[2] Rudolf Steiner: „Von Seelenrätseln“ Abschnitt „Die physischen und die geistigen Abhängigkeiten der Menschen-Wesenheit“: „Vor allem ist scharf ins Auge zu fassen das Verhältnis von Nerventätigkeit, Atmungsrhythmus und Stoffwechseltätigkeit. Denn diese Tätigkeitsformen liegen nicht neben-, sondern ineinander, durchdringen, sich, gehen ineinander über. Stoffwechseltätigkeit ist im ganzen Organismus vorhanden; sie durchdringt die Organe des Rhythmus und diejenigen der Nerventätigkeit. Aber im Rhythmus ist sie nicht die leibliche Grundlage des Fühlens, in der Nerventätigkeit nicht diejenige des Vorstellens; sondern in beiden ist ihr die den Rhythmus und die Nerven durchdringende Willenswirksamkeit zuzueignen,“ - usw. - Das gilt ebenso „für die menschliche wie für die soziale Organisation. -

[3] Wortlaut des Grundgesetzes für die Privatschulen:

§4 Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.

§5 Eine private Volksschule ist nur zugelassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht.

[4] z.B. als konstruktive Gedanken zu den wertvollen kritischen Gesichtspunkten über die „verwaltete Schule“ von Helmut Becker in der Monatszeitschrift „Merkur“ 1957/10.

[5] Wilken: „Selbstgestaltung der Wirtschaft“, siehe auch „Geldordnung und Währung“, Beitrag des Verfassers in „Soziale Zukunft“ 1959, Hefte l/2 und 3/4.

[6] Der Irrtum kommt durch die falsche Auslegung des Satzes S. 88 der „Kernpunkte“: „Diese geistige Organisation wird ihre gesunde Grundlage durch die in freier Konkurrenz sich geltend machende Initiative der zur geistigen Arbeit fähigen Einzelpersonen haben.“ -- Hier ist keine Rede von Geld, sondern nur von der gesunden Grundlage eines Geisteslebens, in dem gerade nicht Stand, Rang, Einkommen entscheidend sind, sondern nur die Fähigkeit zur geistigen Arbeit sich frei, d.h. konkurrierend, ausleben darf. - Denn auf S. 90 steht dann ganz deutlich (mit Hervorhebungen durch den Verfasser): „Dem Lehrer werden seine individuellen Fähigkeiten ebensowenig bezahlt wie dem Arbeiter seine Arbeitskraft.“ - Das Konkurrenzprinzip ist im Geistesleben der Garant der Freiheit, nicht des finanziellen Unterhalts! Wenn es dabei um Geld geht, korrumpiert es das Geistesleben so wie heute die Wirtschaft.

[7] R. Steiner „Nationalökonomischer Kurs“ S. 161 f.

[8] Damit wird der Erziehungsbeitrag zum Preisfaktor; er bestimmt (auf der Grundlage allgemeinen Rechts) mit den Wert der Güter. Nur so wird die soziale Gerechtigkeit verwirklicht, weil nun die Allgemeinheit mit dem Konsum dieser Güter auch die übernommene Verpflichtung für das Erziehungswesen wie durch einen organischen Vollzug trägt. Eine konkursfreie assoziative Wirtschaft rechtfertigt diese Bezeichnung eines "organischen Vollzuges" (d.h. mit einer Art selbsttätiger Vernunft) noch mehr als die heutige Wettbewerbswirtschaft. - Welche wirtschaftliche Solidität würde dies auch für ein „freies“ Schulwesen bedeuten!

[9] „Und alles, was zum Unterhalte der geistigen Organisation nötig ist, wird dieser zufliessen durch die - (aus freiem Verständnis für sie) - erfolgende Vergütung von Seiten der Einzelpersonen.“

Quelle

Beiträge zur sozialen Dreigliederung, Jahrgang 6, Heft 3-4, Dezember 1961, S. 22-38