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Arbeitsgemeinschaft für Dreigliederung
Auf der Suche nach Formen für den Umgang mit der Dreigliederungsidee
Quelle
Sozial handeln – aus der Erkenntnis des sozial Ganzen
Verlag Reinhard Giese (Selbstverlag), Rabel, 1980, S. 182–184
Bibliographische Notiz und Zusammenfassung
Die Arbeitsgemeinschaft für Dreigliederung des sozialen Organismus ist ein loser Zusammenschluß von etwa 700 Mitgliedern aus der Schweiz, Frankreich, den Niederlanden, Belgien, den skandinavischen Ländern und Deutschland. Etwa die Hälfte der Mitglieder stammen aus Deutschland, ein weiteres Drittel aus den Niederlanden.
Die Gründung der Arbeitsgemeinschaft erfolgte 1972 in Achberg. Vorausgegangen waren über mehrere Jahre hinweg Zusammenkünfte von Menschen, denen es ein besonderes Anliegen war, mit der Dreigliederungsidee umzugehen und sie in der Lebenspraxis anzuwenden. Dabei mußte berücksichtigt werden, daß in dieser Zeit die Arbeit der Sozialwissen-
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schaftlichen Sektion der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft ruhte.
Die Gründung der Arbeitsgemeinschaft war insofern ein bedeutsames Ereignis, als nahezu alle Vertreter der divergierenden Verständnisrichtungen der Idee von der Dreigliederung des sozialen Organismus zusammentrafen. Es kann hier in der Kürze keine Analyse der Gründungsimpulse von 1972 erfolgen. Ein Anliegen trat damals jedoch deutlich hervor: die politische Ideenbildung.
Beobachter und Mitwirkende der außerparlamentarischen Opposition hatten das Versagen marxistisch tingierter Denkgewohnheiten für die Lösung der gesellschaftlichen Problematik erlebt. Die Aufbruchstimmung dieser Jahre fand bei den Dreigliedlern u. a. Ausdruck in der Gründung des »Internationalen Kulturzentrums Achberg« durch einen Menschenkreis aus der Dreigliederungsbewegung. Die Erkenntnis von der Notwendigkeit tragender sozialer Ideen und ihrer Verbreitung kann als einer der wesentlichen Gründungsimpulse der Arbeitsgemeinschaft bezeichnet werden.
Die Phase nach der Gründung war gekennzeichnet vom Bemühen, die Arbeitsfähigkeit des Zusammenschlusses herzustellen. Die Versammlung der Mitglieder wurde als »Ständige Konferenz« konzipiert, für den Gedankenaustausch unter den Mitgliedern wurde die »Ständige Korrespondenz« eingerichtet. Die wissenschaftliche Seite der Arbeit fand Ausdruck in der Belebung der Zeitschrift »Beiträge zur Dreigliederung« und sollte in einem Seminar für Grundlagenarbeit und Austausch der bestehenden »Schulen« seine Fortsetzung finden.
Es zeigte sich sehr schnell nach dem Abklingen der Gründungseuphorie, daß arbeitsfähige Gremien nicht durch progressiv klingende Bezeichnungen zu schaffen sind. Es soll hier nicht die Entwicklung der Arbeitsgemeinschaft zum eingetragenen Verein deutschen Rechts und anschließend zu einer Vereinigung ohne straffe Rechtsform und Repräsentativorgane geschildert werden. Dazu wäre eine genaue Analyse des individuellen Verständnisses der Dreigliederungsidee erforderlich. Einige charakteristische Beobachtungen sollen nur genügen, um einen Eindruck von der Entwicklung der Arbeitsgemeinschaft zu vermitteln. Die Vorstellungen von gesellschaftlichen Veränderungen waren im Vergleich zu den gewohnten Handlungsfeldern wie Mitarbeit in einer Waldorfschule oder im biologisch-dynamischen Landbau recht abstrakt. So betätigten sich die einzelnen Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft auf unterschiedlichen Feldern wie Bürgerinitiativen (Kernkraft, Arzneimittelgesetzgebung), Gestalten der Bewegung des Dritten Weges, Einrichten von Teestuben usw. Die Zusammenkünfte der Arbeitsgemeinschaft wurden dann dazu benutzt, die Anwesenden von der Notwendigkeit der konkreten Mitarbeit an dieser oder jener Stelle zu überzeugen, um gesellschaftliche Veränderungen im kleinen herbeizuführen. Es konnte nicht ausbleiben, daß jeweils ein Teil der Anwesenden den Aktionen der Engagierten recht hilflos gegenüberstand. Darüber hinaus trugen nicht ganz altersspezifisch verlaufende Generationskonflikte – ist Gesprächsleitung als solche autoritär oder nicht? – dazu bei, daß sich die alten Hasen der anthroposophischen Institutionen, soweit sie sich überhaupt dem Keime der Arbeitsgemeinschaft zugewandt hatten, schnell wieder zurückzogen. Die breite Mitgliedschaft beschränkte sich auf das Lesen der Publikationen. Ein kleinerer Kreis von Menschen versuchte auf den seelischen Trümmern einiger Versammlungen einen neuen Stil: Soziales Gestalten aus einer übenden Haltung heraus, kein Beurteilen des anderen, sondern Verständnis entwickeln. In diesem Sinne wurde eine weitere Gestaltung versucht. Die ganze Sache verlor jedoch zusehends an Inhalt und Schwung, da die auf den verschiedenen Feldern der Lebenspraxis Tätigen die Arbeitsgemeinschaft nicht mehr sonderlich ernst nahmen. So kam es dazu, daß eine Gruppe jüngerer Leute, »der Arbeitskreis für Sozialgestaltung«, sich der Arbeitsgemeinschaft annahm. Da man nicht autoritär sein wollte, auch der Jugend entsprechend kein sonderlich klares Konzept hatte, oder, sofern vorhanden, diesem nicht recht traute, wurde zunächst begonnen, die Interessen und Bedürfnisse der Mitglieder zu erforschen.
Dabei stellte sich schnell heraus, daß die Arbeitsgemeinschaft von den Mitgliedern mehr als eine Art Zeitschriftenherausgeberanstalt (»Geschäftsstelle«) verstanden wurde. Die Mitglieder an ihren Orten waren und sind durch Familienleben, Berufsarbeit, das Betreiben irgendwelcher Institutionen oder Bürgerinitiativen so absorbiert, daß sie sich der Arbeitsgemeinschaft eigentlich nur in Konsumentenhaltung zuwenden. Dazu kam mit der Wiederbelebung der sozialwissenschaftlichen Sektion der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft in Dornach ein schwindendes Interesse der in der anthroposophischen Arbeit
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stärker engagierten Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft. Aufgabe der sozialwissenschaftlichen Sektion ist die geistige Forschung auf sozialem Felde, d. h. die durch das meditative Erarbeiten der von Rudolf Steiner aufgezeigten sozialen Gesetzmäßigkeiten unterstützte Erarbeitung eines Wissens über die im Sozialen wirkenden Kräfte. Diese, bildlich gesprochen, nach »innen« gerichtete Arbeit hätte durch eine nach »außen« in die Öffentlichkeit gerichtete Arbeit der Arbeitsgemeinschaft ergänzt werden können.
Gerade diese Sichtweise bereitet den an der Arbeitsgemeinschaft beteiligten jüngeren Leuten allerhand Schwierigkeiten: Einerseits ist ja nicht so viel an anthroposophischer Sozialwissenschaft entwickelt, was mitgeteilt und verbreitet werden könnte, andererseits erschien die Haltung eines »Öffentlichkeitsarbeiters« von vornherein problematisch. Haben wir denn überhaupt eine Mission? Haben wir etwas mitzuteilen, das von den anderen aufgenommen werden sollte und könnte? Bringt die Aufgabenstellung »Öffentlichkeitsarbeit« nicht zwangsläufig die Tendenz zur Ideologie, zu Verbreitung von »Konzepten« mit sich? Und hat nicht schon Rudolf Steiner dazu allerhand gesagt?
In der allgemeinen Ratlosigkeit bildete sich ein neuer Ansatz für das Verständnis von »Arbeitsgemeinschaft für soziale Dreigliederung«. Nicht die Organisation, nicht der vorgegebene Rahmen erschien als das Wesentliche, auch nicht die »Stille«, sondern die aus dem gegenseitigen Wahrnehmungs- und Beratungsbedürfnis entstehenden Verbindungen. Es zeichnet sich ein radikales Verständnis von personenbezogener, evolutionärer Arbeit ab, gegründet auf das Engagement des einzelnen und auf die sich an gemeinsamen konkreten Anliegen bildenden Gruppen, weg von der Trennung zwischen »politischer Arbeit« und »Beruf« hin zu einem Ergreifenwollen der politischen Dimensionen im Alltag und zur Bildung von Menschengemeinschaften, die den dafür nötigen Rückhalt des Erkennens und des Vertrauens bieten. Naturgemäß stößt dieser Ansatz bei vielen auf Unverständnis, Desinteresse und muß sich auch die Frage gefallen lassen, ob er nicht ein Resignieren vor den politischen Aufgaben der Dreigliederungsbewegung darstellt. Jedenfalls wird es im Sinne dieser Bemühungen, neben den in diesem Buch genannten Zeitungen und sonstigen Institutionen, neben der Sozialwissenschaftlichen Sektion am Goetheanum eine Kontaktstelle für die Dreigliederungsarbeit geben, nachdem Ende des Jahres 1980 die Geschäftsstelle der Arbeitsgemeinschaft in Berlin 31, Wilhelmsaue 133, ihre Arbeit einstellen wird.
Die Adresse dieser Kontaktstelle wird vom Herausgeber dieses Buches zu erfahren sein.
Es hat sich gezeigt, daß für eine Geschäftsstelle mit Büro etc. z. Z. kein Bedürfnis vorliegt bzw. die entsprechenden Bedürfnisse von Zeitschriften befriedigt werden können. Es hat sich weiter gezeigt, daß im allgemeinen Bewußtsein der Zeitgenossen die Frage einer gesamtgesellschaftlichen Umwälzung zugunsten der Entwicklung alternativer Lebens- und Arbeitsformen in den Hintergrund getreten ist. Unter diesen Bedingungen erscheint die Formierung der Dreigliederungsbewegung als Organisation, insbesondere auch im Hinblick auf ein öffentliches Auftreten, sehr fragwürdig.
Die Antwort auf nicht formulierte Fragen haben sich als unfähig erwiesen, dem Engagement für eine dem Menschen als geistigem, seelischem und leiblichem Wesen gerecht werdende Sozialordnung zu dienen. Die Tatsache, daß die Berliner Geschäftsstelle der Arbeitsgemeinschaft für Dreigliederung in Auflösung befindlich ist, daß keine Korrespondenz mehr erscheint, entspricht einem am Bedarf orientierten Einsatz von Fähigkeiten und Produktionsmitteln und dem nicht vorhandenen Interesse an derartigen Einrichtungen, wie sicherlich auch der Einfallslosigkeit der gegenwärtigen und potentiellen Betreiber.
Michael Schreyer und Rainer Soeder
Aktueller Nachtrag
Nachdem wir Ende April auf der Versammlung in Stuttgart eine – wenn auch kontroverse – Meinungsbildung zur Weiterführung der Arbeitsgemeinschaft und ihrer Geschäftsstelle durchgeführt haben, ist mittlerweile in vielen Gesprächen völlige Einigkeit der Betroffenen erzielt worden.
Mitte Oktober hat Susann Cojaniz in Übereinstimmung mit der Meinung der Menschen, die sich für die Berliner Geschäftsstelle eingesetzt haben, dem Angebot von Fritz Otto zugestimmt. Demnach wird Fritz Otto ohne irgendeine Organisation, ohne Mitgliedsbeiträge kassieren zu wollen, also lediglich als Anlaufstelle, die Kartei für eventuelle An- und Nachfragen betreuen. Da das Feuer der Ar-
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beitsgemeinschaft erloschen zu sein scheint, kommt es ratsam vor, die Kartei sozusagen als Sparflamme für eventuelle neue Initialzündungen zu behalten. Fritz Otto steht in fast ständiger Verbindung mit Freunden und Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft, die im Wirtschaftsleben und in anderen Bereichen tätig sind sowie mit einer Reihe von Mitarbeitern des ehemaligen Arbeitskreises für Sozialgestaltung. Dadurch sind Wahrnehmungen dessen, was an Dreigliederungsarbeit stattfindet, gewährleistet. Gemäß den Entscheidungen der Vlothoer Mitgliederversammlung 1979 trägt er persönlich die Verantwortung für die übernommene Aufgabe und kann sie gegebenenfalls auch an andere weitergeben. Selbstverständlich will er wichtige Entscheidungen mit anderen abstimmen.
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