Nicht-staatliche Rechtssprechung statt Nationalismus

Quelle: GA 338, S. 264-266, 4. Ausgabe 1986, 1921, Stuttgart

Aus dem «Aufruf zur Rettung Oberschlesiens»:

«Nur durch eine solche Gliederung der sozialen Organismen in Europa würde der wirtschaftliche Kreislauf sich unabhängig von politischen Staatsgrenzen, über diese hinweg, nach seiner eigenen Gesetzmäßigkeit sich abspielen können. - Ebenso ist der geistige Austausch zwischen Volksteilen, die durch politische Grenzen getrennt sind, über die Grenzen hinweg in freier, von staatlicher Machtpolitik ungehemmter Weise möglich. Gerade in Oberschlesien schreien die Verhältnisse ganz besonders nach einer solchen Dreigliederung. Hier kämpfen zwei Kulturen, zwei Volksindividualitäten, die einander durchdringen, um die Möglichkeit, sich auszuleben. Schulwesen und richterliche Rechtsprechung sind die wichtigsten Punkte, die zu Reibungen Anlaß geben. Nur durch die Befreiung des Geisteslebens können gerade in Oberschlesien diese brennenden Fragen gelöst werden. Nebeneinander werden sich dann die zwei Kulturen, die deutsche und die polnische, entsprechend ihren Lebenskräften entwickeln können, ohne daß die eine eine Vergewaltigung durch die andere zu befürchten hat, und ohne daß der politische Staat für die eine oder die andere Partei ergreift. Nicht nur eigene Bildungsanstalten, sondern eigene Verwaltungskörperschaften für das Kulturleben wird jede Nationalität errichten, sodaß Reibungen ausgeschlossen sind.».