- Startseite ›
- Forschung ›
- Rudolf Steiner ›
- Zitate ›
- ›
- Freiheit für Volk durch Individuum statt umgekehrt
Freiheit für Volk durch Individuum statt umgekehrt
Quelle: GA 272, S. 313-319, 4. Ausgabe 1981, 11.09.1916, Dornach
Dieses Erstarken der Persönlichkeit liegt im Sinne der normalen, der guten, der regelrechten Fortentwicklung. Das Verschwächen, Verschwefeln der Persönlichkeit liegt nicht in den Impulsen des Restes der fünften nachatlantischen Zeit; dieses Aufgehen der Persönlichkeit im Nebulosen, das ist ein Rückfall, ein atavistischer Rückfall in alte Zeiten. [...]
Zweierlei wirkt entgegen dem, was notwendig ist zum Fortschritt der Menschheit: ein widersinniges, weil atavistisch gewordenes Nationalitäten-Prinzip; das ist das Erste. Ein widersinniges Nationalitäten-Prinzip, wie es insbesondere im 19. Jahrhundert durch die Napoleons in die Welt gebracht worden ist, ein Nationalitäten-Prinzip, im Namen dessen heute viele Impulse aufgerufen werden gegen den wahren Sinn der menschlichen Entwicklung. Ein benebelndes Nationalitäten-Prinzip, welches die Begriffe umnebelt und verwirrt, die Begriffe in falsche Sphären hineinsetzt. [...]
Wenn ich abstrakt gebrauche das Wort: die Grünheit der Wiese, so muß ich mir dessen klar sein, daß ich nur ein Abstraktum forme, welches zusammenfaßt die einzelnen Konkreta, die grünen Pflanzen. Das ist im eminentesten Sinne notwendig, daß solche Klarheit herrscht in Bezug auf Begriffsbildungen, daß z. B. die Menschen lernen, daß die Worte Freiheit und Recht nur anzuwenden sind in Bezug auf den einzelnen Menschen konkret, wie die Grünheit auf die einzelnen Pflanzen konkret, und daß, wenn ich von Recht und Freiheit der Völker spreche, ich nur meinen kann ein Abstraktum, so wie die Grünheit der Wiese. Heute aber wird die verlogenste Devise, die es geben kann, fast über die halbe Welt hin gestreut, indem geredet wird von etwas, was man erkämpfen will im Namen von Recht und Freiheit der Völker, was solch ein Unsinn, eine solche Torheit ist, wie die Grünheit der Wiese eine Torheit ist, wenn man meint, man könne die ganzen Pflanzen der Wiese anstreichen, statt daß die Wiese grün ist durch die einzelnen Pflanzenindividuen. Dennoch wird durch die heutige Benebelung der Völker mit dem falschen Nationalitätsprinzip geredet von dieser törichten Devise: Recht und Freiheit der Völker. [...]
Und das andere, das in unserer Zeit wirkt gegen die fortschreitenden Prinzipien außer dem widersinnigen Nationalitäten-Prinzip, das ist die Politisierung des Gedankenlebens. [...]
Gerade dasjenige, was rein menschlich ist, was Inhalt der Humanität ist, ist in diesem «Faust» enthalten. Welcher Nation gehört er denn an? Keiner, selbstverständlich. Und er ist der lebendigste Protest gegen das falsche Nationalitätenprinzip unserer Tage, das mit einem Worte Grillparzers, mit einem hart klingenden, aber doch tief wahren Worte Grillparzers gründlich getroffen ist. Grillparzer sprach das Wort aus: Von Humanität durch Nationalität zur Bestialität. Das ist schon der Weg! Die Nationalität führt ab, wenn auf sie gepocht wird, wenn aus ihr die Aspirationen herausgeschöpft werden, von der Humanität und sie führt bald in die Bestialität hinein.