Wie kann die Waldorfschule ein Beispiel werden?

Quelle: GA 334, S. 159, 1. Ausgabe 1983, 19.03.1920, Zürich

Noch immer breitet sich aus über der europäischen Menschheit, überhaupt über der modernen zivilisierten Menschheit etwas wie eine Schläfrigkeit der Seelen, und wenn auch diejenigen, die heute schon wirken in der Bewegung für die Dreigliederung des sozialen Organismus, das eine oder andere aus ihren Überzeugungen getan haben, sie wissen: das Richtige wird erst kommen, wenn eine genügend große Anzahl von Menschen sich auf die Einzelheiten der Sache einläßt.

Wir haben ja schon die Möglichkeit gehabt, in der Waldorfschule in Stuttgart eine Freie Schule zu begründen, in der Kinder zwischen dem sechsten, siebenten und dem vierzehnten und fünfzehnten Lebensjahre in einer achtklassigen Volksschule nach den Grundsätzen eines freien Geisteslebens unterrichtet werden, so daß sie aus einem freien Geistesleben heraus in eine soziale Ordnung hineinwachsen. Wir haben das Verschiedenste auf diesem Gebiet versucht, und auch wirtschaftliche Dinge sind in Aussicht genommen, wo wir versuchen wollen, die verschiedensten Zweige des wirtschaftlichen Lebens unter die Gesichtspunkte der Dreigliederung zu stellen, sie zu organisieren, sie zu finanzieren nach diesen Gesichtspunkten; denn es wird vielleicht ganz besonders notwendig sein, um überzeugend zu wirken, daß das Vorbild, daß das Beispiel dastehe. Aber um dieses Beispiel in genügendem Maße zur Wirkung zu bringen, um es überhaupt in die Wirklichkeit hineinzustellen, ist eben vor allen Dingen notwendig, daß eine genügend große Anzahl von Menschen sich an der Diskussion darüber beteiligt, was der Impuls für die Dreigliederung des sozialen Organismus eigentlich will.