Volksbildung als Verbeugung vor Demokratie

Quelle: GA 330, S. 086, 2. Ausgabe 1983, 25.04.1919, Stuttgart

Was ist denn zur Besserung geschehen im Laufe der neueren Zeit? Weil es nicht anders ging, als der Demokratie gewisse Verbeugungen zu machen, hat man einige Brocken in allen möglichen Formen von der sogenannten neueren Bildung an das Volk abgegeben; Volkshochschulen wurden errichtet, Volkskurse abgehalten, Künstlerisches dem Volke gezeigt, so wohlwollend: Es soll auch das Volk etwas haben davon. Was man damit erreicht hat, mit alledem, was ist es denn eigentlich? Nichts ist es, als eine furchtbare Kulturlüge. Es hat alles das die Kluft nur noch bedeutsamer aufgerichtet. Denn wann könnte denn der Proletarier mit einem aufrechten, ehrlichen Empfinden aus dem ganzen Herzen, aus der ganzen Seele heraus hinschauen auf das, was innerhalb der bürgerlichen Klasse gemalt, auf dasjenige, was innerhalb der bürgerlichen Klasse als Wissenschaft fabriziert wird, wie könnte er darauf hinschauen? Wenn er mit denjenigen, die es hervorbringen, ein gemeinsames soziales Leben hätte, wenn kein Klassenunterschied bestünde! Denn es ist unmöglich, ein gemeinsames Geistesleben zu haben mit denjenigen, zu denen man nicht sozial gehört. Das ist es, was geistig vor allen Dingen die große Kluft gezogen hat. Das ist es, was einen geistig hinweist auf dasjenige, was zu geschehen hat.