Auswege aus der Globalisierungsfalle

01.07.1999

Auszug aus: Die Dreigliederung des sozialen Organismus
als Weg zu einer zeitgemäßen Sozialgestaltung

Die heutige Globalisierung hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Finanzierbarkeit der Staatstätigkeit und der sozialen Sicherungssysteme. Während der Staat einen anachronistisch gewordenen Machtanspruch gegenüber der Kultur - in modifizierter Form - weiter aufrechterhält, gerät er gegenüber der Wirtschaft, der er doch durch das Recht Grenzen zu setzen hätte, zunehmend in eine Situation der Ohnmacht und der Erpreßbarkeit.

In einer Welt, in der Handelsschranken immer mehr entfallen und die Voraussetzungen entstanden sind, ein Produkt überall auf der Erde fertigen zu lassen, werden die Weltmarktpreise weitgehend von den Löhnen, der Steuerlast der Unternehmen und den sogenannten Sozialkosten bestimmt. Drohende Arbeitsplatzverlagerung in Regionen, in denen diese Belastungen niedrig sind, erzeugt einen wachsenden Druck in Richtung auf Steuer-, Lohn- und Sozialabbau aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft. Ein gnadenloser Konkurrenzkampf der Standorte hat sich entwickelt.

Dadurch ergeben sich düstere Perspektiven für die Zukunft der Gesellschaft. Allein schon durch die Entwicklung der Arbeitsproduktivität wächst die Arbeitslosigkeit stetig, und das heißt, daß immer mehr Menschen ihr Einkommen nicht mehr durch Erwerbsarbeit erlangen können und auf Sozialeinkommen angewiesen sind. Diese Menschen aus der Gesellschaft auszugrenzen, wäre ein mit den Menschenrechten unverträglicher Rückfall in die soziale Kälte des 19. Jahrhunderts. Auch die Finanzierbarkeit von Renten, Gesundheitswesen, Bildung und Umweltschutz gerät durch die skizzierte Entwicklung in Gefahr.

Um aus diesem Teufelskreis zu entkommen, ist guter Wille allein nicht ausreichend. Vielmehr müssen neue gangbare Wege zur Finanzierung der sozialen Sicherheit und der Gemeinaufgaben gefunden werden.

In der Diskussion um diese Fragen ist ein entscheidender Punkt bis heute viel zu wenig beachtet worden: Sowohl die Steuern als auch die Sozialausgaben werden weitgehend am Erwerbseinkommen festgemacht, durch Einkommensteuern auf der einen Seite, Beiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu den Sozialversicherungen (sogenannte Lohnnebenkosten) andererseits. Wenn aber die Produktion weltweit nach den "kostengünstigsten" Standorten suchen darf, dann muß diese Form der Finanzierung brüchig werden, weil die Erwerbsarbeit weniger wird und sich die Einkommen jenseits der Grenze dem staatlichen Zugriff entziehen. Ganz anders wäre es, wenn wir die Finanzierung am Verbrauch festmachen würden. Denn dieser bleibt im Gegensatz zur Produktionsseite standortgebunden. Kein deutsches Unternehmen, das Arbeitsplätze verlagert, würde schließlich damit zugleich den deutschen Markt aufgeben können oder wollen.

Mit einer solchen Umverlagerung der Finanzierung würden die Unternehmen entlastet. Und da sie diese Entlastung im Preis an den Konsumenten weitergeben können, kann der Verbrauch im gleichen Maße - also aufkommensneutral belastet werden, ohne daß eine wesentliche Veränderung im inländischen Preisniveau einträte. Die Exporte müßten nicht mehr die Sozialkosten des Inlandes im Exportpreis weitergeben, sondern würden ihrerseits erst im Importland mit den dort geltenden - d.h. von der dortigen Rechtsgemeinschaft festgelegten - Kosten belastet werden. Weltweit entstünden bessere Bedingungen zur sozialen Sicherung und zur Finanzierung von Gemeinaufgaben.

Man bemerkt an dieser Stelle, wie aktuell heute wieder der Vorschlag Rudolf Steiners wird, an die Stelle der Einkommensteuern verbrauchsbezogene Steuern (er spricht von Ausgabenbesteuerung) zu setzen. Da es sich bei den genannten Themen um langfristige Schlüsselprobleme der gesellschaftlichen Entwicklung handelt, sind tragfähige Lösungsvorschläge von großer Bedeutung. Hier liegt ein weites Aufgabenfeld der anthroposophisch orientierten Sozialwissenschaft.

Sicherlich muß eine solche Entwicklung in einzelnen Schritten erfolgen. In Deutschland könnte beispielsweise mit der Umfinanzierung der Arbeitslosenversicherung durch einen verbrauchsorientierten Sozialausgleich begonnen werden.