Nicanor Perlas - Ein Portrait

01.09.2003

Die Selbständigkeit der Zivilgesellschaft sichern

Während Staaten seit den neunziger Jahren die Globalisierung zuhnehmend als unvermeidbares Schicksal hinnehmen, hat sich innerhalb der Zivilgesellschaft der Widerstand formiert. Nicanor Perlas hat als Wortführer philipinnischer Bürgerbewegungen zu dieser Entwicklung beigetragen, nachdem er zusehen mußte, wie hart erkämpfte Umweltgesetze gegen Pestiziden von der Welthandelsorganisation zu Handelshemmnissen erklärt und unwirksam gemacht wurden.

Nachdem es 1999 in Seattle der Zivilgesellschaft gelungen ist, ein Treffen der Welthandelsorganisation zum Scheitern zu bringen, arbeitet Nicanor Perlas in seinem Buch Die Globalisierung gestalten - Zivilgesellschaft, Kulturkraft und Dreigliederung aus, unter welchen Bedingungen die Zivilgesellschaft weiterhin Erfolg haben kann.

Laut Nicanor Perlas wird sich die Zivilgesellschaft nur dann vor Vereinnahmungen schützen können, wenn sie sich ihrer eigenen kulturellen Natur bewußt wird und daher konsequent auf ihre Unabhängigkeit von Staat und Politik besteht. Nur dann ist eine bewußte Dreigliederung, d.h. eine Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaft, Staat und Wirtschaft als gleichberechtigten Partnern möglich. Aus dieser Einsicht ist das Netzwerk Globenet3 entstanden, das inzwischen in 9 Ländern aktiv ist (siehe www.globenet3.org). Seit 2001 ist Nicanor Perlas darüber hinaus verstärkt im Bereich der alternativen Wirtschaft aktiv.

Eine solidarische Wirtschaft von unten aufbauen

Durch das Weltsozialforum ist es der Zivilgesellschaft inzwischen gelungen zu zeigen, daß sie nicht nur kritisieren, sondern auch Alternativen anbieten kann. Diesen Alternativen fehlt es aber noch an Gewicht. An dieser Stelle setzt Nicanor Perlas an. Als Direktor der Lifebank hat er ein Kleinstkreditprogramm initiiert, der nicht nur den Armen - insbesondere Bauern - die Gründung kleiner Unternehmen ermöglicht, sondern versucht, diese Unternehmen untereinander und mit den Konsumenten vor Ort zu vernetzen.

Dieses Programm unterstützt schon mehr als 3000 Familien und soll innerhalb der nächsten 10 Jahren auf eine Million Familien ausgedehnt werden. Ziel ist es, lokale Assoziationen aufzubauen, die stark genug sind, um an der Welthandelsorganisation vorbei wirtschaften zu können. Erst dann wird es möglich, strenge nationale Umwelt- und Sozialgesetze ohne Rücksicht auf den Weltmarkt umzusetzen. Wird die Zahl von 10.000 Familien erreicht, sollen medizinische und Bildungseinrichtungen errichtet werden.

Der Korruption in der Politik Einhalt gebieten

Durch einen Volksaufstand (Power People II) war es möglich, den korrupten Präsidenten Estrada zu stürzen. Nicanor Perlas ist Mitglied von Pagabago@Pilipinas, eines Forums aus Vertretern von Wirtschaft, Regierung und Zivilgesellschaft, das zum Kern von Power People II gehört. Angesichts der wieder wachsenden Korruption bleibt dieses Forum weiter aktiv. Um Verfilzungen bei sich selber zu vermeiden, hat sich das Forum auf Anraten von Nicanor Perlas in drei selbständige, aber interagierende Bewegungen gegliedert. Diese Dreigliederung in eine kulturelle, eine politische und eine ökonomische Bewegung soll zur Erneuerung der Gesellschaft beitragen.

Ein Zitat

Nicanor Perlas in einem Vortrag am 10.01.2003 im Haus der Wirtschaft Stuttgart im Rahmen der Reihe "Unsere Welt ist keine Ware!":

"Die Frage ist also: Wie kann diese Macht, die sich auf globaler Ebene entfaltet, auch auf nationaler Ebene wirksam werden? Da ist eine sehr interessante Lücke. Wir können zwar wirklich wirksam werden – die Globale Zivilgesellschaft auf globaler Ebene begründen – aber in vielen unserer Länder geht der Alltag des Regierens weiter wie bisher. Das ist also die Frage: Wenn wir bei einem WTO Treffen versuchen, Veränderungen zu bewirken, oder wenn wir zum WSSD (World Summit on Sustainable Development in Johannesburg, August 2002) oder zur UN gehen, können wir letztendlich nur Vorschläge machen und versuchen, Einfluss zu nehmen, aber die eigentliche Entscheidung fällen die Staatsmänner, die in diesen Organisationen vertreten sind. Deshalb erfordert diese Situation einen neuen Grad der Zusammenarbeit innerhalb der Zivilgesellschaft, nicht nur global, sondern auch national auf der ganzen Welt. Und ich glaube, dass das eine große Herausforderung ist, eine der dritten Generation, wenn wir unser Handeln in dieser Welt wirklich verändern wollen. Wenn wir dies nicht tun, wenn wir auf der nationalen Ebene nicht ebenso erfolgreich sind wie auf der globalen, dann werden wir den fortgesetzten Niedergang des Politikverhaltens, und ähnlich destruktive Grundsatzentscheidungen auch in Zukunft erleben. Um das zu erreichen, müssen die Zivilgesellschaft und die verschiedenen Bewegungen, die Teil dieses Prozesses sind, neue Arbeitsweisen, neue Allianzen, neue Bewegungen schaffen, die die Kraft haben, unangemessene Staats- und Finanzmacht zu neutralisieren, wie das auf globaler Ebene schon möglich ist."

Kurzbiographie

Nicanor Perlas ist Direktor des Center for Alternative Development Initiatives (CADI) und hat als Berater im Präsidialamt der Philippinen an der nationalen Agenda 21 mitgewirkt. In einer Studie entwickelte Perlas unter Auswertung langjähriger Erfahrungen mit Organen der Zivilgesellschaft, im Blick auf brisante zeitgeschichtliche Phänomene und in Diskussion mit aktuellen sozialwissenschaftlichen Ansätzen eine innovative Metamorphose der sozialen Reformideen die Rudolf Steiners nach dem ersten Weltkrieg propagierte und heute zunehmend wieder aufgegriffen werden.

Nicanor Perlas unterstützt außerdem viele Aktivitäten im Bereich von Dreigliederung und Nachhaltiger Entwicklung. Gegenwärtig leitet er mehrere Landes-Organisationen und Netzwerke der Philippinischen Zivilgesellschaft, u.a. im Präsidentenbüro des Rates für Nachhaltige Entwicklung. Er ist Gründer der ersten kommerziellen Bio-dynamischen Farm des Landes und koordiniert mit US Universitäten das Welt Ökologie Programm.

Neben mehreren Veröffentlichungen und umfangreicher Vortragstätigkeit weltweit ist er Berater für Nachhaltige Entwicklung bei der UN, Landesregierungen und globalen Organisationen. In Anerkennung der nationalen und internationalen Erfolge seiner Arbeit wurde ihm der Preis für Nachhaltige Landwirtschaft des globalen Umweltprogramms der UN verliehen.

Sylvain Coiplet


Quelle: Trigolog Berlin 9/2003 unter dem Titel "Wieviel Macht hat die Zivilgesellschaft? Beispiel Philippinen", vom Autor überarbeiteten Nachdruck.