Die Post als "Anwalt" des Germanentums

01.01.1901

Die Post als "Anwalt" des Germanentums

Quelle: Mitteilungen aus dem Verein zur Abwehr des Antisemitismus 1901, II. Jahrgang, Nr.39

Ein Herr der seinen Namen verschweigt, hat in der « Post » vom 23. September eine Erwiderung geschrieben gegen meinen mit voller Namensnennung veröffentlichten Artikel über Herrn Bartels, den Literarhistoriker. Auch meinen Namen unterschlägt der Herr. Seine Auslassungen sind charakteristisch für die Auffassungen der Angehörigen einer gewissen Presse von ihren journalistischen Pflichten. Entweder ist nämlich dieser Herr so ungebildet, daß er einen einfachen Gedankengang nicht verstehen kann, oder er faßt seine journalistische Pflicht dahin auf, daß er einen Artikel, den er bekämpft, nicht erst ordentlich zu lesen braucht. Denn seine Erwiderung ist nichts anderes als eine Kette von Verdrehungen dessen, was ich gesagt habe. Ich habe behauptet, Herr Bartels urteile lediglich von seinem persönlichen Standpunkte aus und dekretiere diesen Standpunkt zu einem « germanischen ». Darin liege etwas Unwahres. Und das werde für Herrn Bartels gefährlich, weil er sich dadurch zu Engherzigkeiten und Ungerechtigkeiten hinreißen läßt. Die « Post » behauptet, ich hätte Herrn Bartels wegen seines germanischen Standpunktes angegriffen. Für jeden vernünftigen Menschen ist klar, daß ich gerade zu beweisen suchte, daß Herr Bartels mit Unrecht seinen Standpunkt einen « germanischen » nennt. Es wäre nutzlos, sich mit Leuten herumzuschlagen, die nicht kämpfen gegen das, was man gesagt hat, sondern gegen die Verdrehungen, die sie erst zurechtgezimmert haben. Der Kritiker der « Post » ist nicht verständig genug, um ihm zu sagen, daß ich - nach meinen Darlegungen - genau dasselbe vorzubringen hätte, wenn ein anderer Literarhistoriker von seinem persönlichen Standpunkte aus urteilte und dann behaupten wollte, er hätte vom « jüdischen » Standpunkte aus geurteilt.

Wie der Artikelschreiber der « Post » liest, das geht aus einer anderen Stelle deutlich hervor. Er sagt, ich hätte Herrn Bartels vorgeworfen, daß er in Schillers Lyrik etwas Ungermanisches finden wollte. An der betreffenden Stelle meines Aufsatzes ist nicht von Schillers Lyrik, sondern von dessen Dramatik die Rede.

Jedem, der Einwendungen gegen das macht, was ich wirklich gesagt habe, stehe ich mit dem Beweis zur Verfügung, daß ich nicht, wie die « Post » mich verdächtigt, « den philosemitischen Heerbann gegen Bartels mobilzumachen und mit Alarmrufen ganz Israel und seine Schildknappen auf die Schanzen zu bringen » bemüht war, sondern daß ich lediglich den « gesunden Menschenverstand » gegen einzelne Bartelssche Behauptungen zu verteidigen gesucht habe. Einen Kampf zu führen gegen Verdrehungen der Worte des Angegriffenen überlasse ich der « Post » und dem Verteidiger des - Germanentums. Ich empfinde zwar Herrn Bartels Standpunkt nicht als « deutsch » oder « germanisch »; aber ich empfinde gewissenloses Lesen entschieden als « undeutsch ». Es « deutsch » zu empfinden, vermögen nur die - Antisemiten.

Rudolf Steiner