Der Lehrer wird durch das Kind erzogen

Quelle: GA 304a, S. 180-181, 1. Ausgabe 1979, 30.08.1924, London

Nicht jeder Waldorflehrer hat die Hellsichtigkeit, hineinzuschauen; aber jeder hat in sich aufgenommen mit vollem Verständnis, mit voller Seele dasjenige, was die Geistesforschung erforschen kann über den Menschen, und jeder Waldorflehrer wendet es mit voller Seele an, denn das Kind ist selber der größte Lehrer, indem man das Kind vor sich hat Tag für Tag, Woche für Woche, von Jahr zu Jahr diese wunderbare Entwicklung sieht, und durch nichts wird ihnen so geweckt wie durch das Kind, dasjenige, was notwendig ist. Und im täglichen Unterricht, in der Erziehung, im Umgang mit dem Kinde findet der Lehrer für die Lehrpraxis, für die Erziehungspraxis dasjenige, was ihm Geisteswissenschaft gibt, bewahrheitet, bekräftigt jeden Tag; er wächst jeden Tag in immer anschaulicherer Weise hinein. In dieser Art ist Erziehen und Unterrichten selber ein Leben. Die Schule ist ein Organismus, die Lehrerkonferenz die Seele, die aufstrahlt durch das fortwährende liebevolle Studium und Aufgehen in die einzelnen Schüler der einzelnen Klassen und so weiter.