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Soll die Waldorfschule Teil der Anthroposophischen Gesellschaft sein?
Quelle: GA 300c, S. 112, 4. Ausgabe 1975, 05.02.1924, Stuttgart
Ich möchte schon die einzelnen Institutionen bitten, das durchaus immer so anzusehen, daß das, was von Dornach ausgeht, immer einen esoterischen Hintergrund hat. Auf der anderen Seite ist ebenso begreiflich, daß gerade die Waldorfschule in ihren Vertretern die Frage aufgeworfen hat, welche Stellung sie nun zu Dornach beziehungsweise zur Freien Dornacher Hochschule nehmen will.
Nun treten da sogleich, wie Sie vielleicht, wenn Sie sich die Frage genauer überlegt haben, schon gefühlt haben werden, es treten sogleich bedeutsame Schwierigkeiten auf. Insbesondere durch den letzten Entschluß in bezug auf den Verwaltungsrat, den Sie im Auftrage des Verwaltungsrates ausgerichtet haben. Die Sache ist nämlich diese: Es ist nötig, erst die Form zu suchen, in der die Waldorfschule diesen Anschluß an die Hochschule vollziehen kann. Unmittelbar formell ist ja die Waldorfschule keine anthroposophische Institution, sondern eine freie Schöpfung, die ja allerdings auf der Grundlage der anthroposophischen Pädagogik aufgebaut ist, aber die sowohl durch die Art, wie sie dem Publikum, wie auch durch die Art, wie sie den gesetzlichen Institutionen gegenübersteht, eben keine anthroposophische Institution ist, sondern eine Schule für sich, die die anthroposophische Pädagogik aufgenommen hat.
Nehmen Sie nun an, die Freie Waldorfschule als solche würde nunmehr in eine Art von offizieller Beziehung als solcher zur Freien Hochschule in Dornach treten, dann würde sofort die Waldorfschule eine anthroposophische Schule werden, auch äußerlich formal eine anthroposophische Schule werden. Selbstverständlich kann es Gesichtspunkte geben, die dazu führen könnten, solch einen Entschluß zu fassen. Aber auf der andern Seite ist es doch notwendig, wiederum zu bedenken, ob nicht die Waldorfschule ihre Kulturaufgabe auch weiter als freie Schule in einer ungehinderteren Form realisieren kann, als wenn sie direkt ein Glied alles desjenigen ist, was von Dornach ausgeht. Denn dasjenige, was von Dornach ausgeht, wird auch in Dornach zusammengefaßt werden. Würde die Freie Waldorfschule unmittelbar in Beziehung zu Dornach treten, so würde dies bedeuten, daß für alle Angelegenheiten der Schule, die dann innerhalb der pädagogischen Sektion der Anthroposophischen Gesellschaft fallen, zu gleicher Zeit die Leitung der Freien Hochschule in Dornach verantwortlich und auch kompetent sein würde. Denn Dornach wird in Zukunft keine Dekoration sein, wie es die anthroposophischen Institutionen oft bisher waren; Dornach wird eine Realität sein. Es würde in der Tat jede Institution, die zu Dornach gehört, auch die Kompetenz der Dornacher Leitung anerkennen müssen. Das würde eine notwendige Folge davon sein. Und zu gleicher Zeit würde dadurch der ganzen Führung der Waldorfschule der Charakter des Esoterischen aufgedrückt werden. [ ... ]
Mit der Weihnachtstagung bin ich Vorsitzender der Anthroposophischen Gesellschaft geworden, und meine Handlungen sind fortan die des Vorsitzenden der Anthroposophischen Gesellschaft. Wenn ich fortan den Verwaltungsrat ernennen würde, so würde er vom Vorsitzenden der Anthroposophischen Gesellschaft ernannt sein. Es würde die oberste Institution der Freien Waldorfschule eingesetzt sein vom Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft. Auch das ist etwas, was durchaus in Erwägung gezogen werden könnte. [ ... ]
Nun gibt es noch andere Formen, in denen die Freie Waldorfschule in Beziehung treten kann zu Dornach. Und das würde sein, wenn nicht die Schule unterstellt würde Dornach, sondern wenn das Lehrerkollegium als solches, oder aber diejenigen Persönlichkeiten innerhalb des Lehrerkollegiums, die das wollen, nicht nur für ihre Person, sondern als Lehrer der Schule in ein Verhältnis treten würden zu Dornach, zum Goetheanum, zur Freien Hochschule für Geisteswissenschaft. Dann würde das der Schule den Charakter nicht nehmen, sondern das würde ja nur der Außenwelt gegenüber betonen, daß fortan auch die Pädagogische Sektion am in Dornach als der Impulsgeber für die Waldorfschul-Pädagogik fortdauernd angesehen wird, wie ja die anthroposopliische Pädagogik bisher auch angesehen worden ist. Der Unterschied wäre der, daß das Verhältnis zur anthroposophischen Pädagogik bisher ein mehr theoretisches war, daß dann in Zukunft das Verhältnis mehr ein lebendiges sein würde, in dem man dann entweder als ganzes Lehrerkollegium oder in einzelnen Persönlichkeiten sich richten würde nach den Impulsen, die sich ergeben, wenn man als Lehrer der Freien Waldorfschule Mitglied der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft ist. Damit würde sich aber dann doch als unmöglich gestalten, daß der Verwaltungsrat gewissermaßen vom Goetheanum aus ernannt wird.