Quelle: GA 300c, S. 013-014, 4. Ausgabe 1975, 30.03.1923, Stuttgart
Die obigen zeigen, daß alle pädagogische Kunst auf eine Seelenerkenntnis gebaut sein muß, die an die Persönlichkeit des Lehrers eng gebunden ist. Diese Persönlichkeit muß sich in ihrem pädagogischen Schaffen frei ausleben können. Das ist nur möglich, wenn die gesamte Verwaltung des Schulwesens autonom auf sich selbst gestellt ist. Wenn der ausübende Lehrer in bezug auf die Verwaltung nur wieder mit ausübenden Lehrern zu tun hat. Ein nicht ausübender Pädagoge ist in der Schulverwaltung ein Fremdkörper wie ein nicht künstlerisch Schaffender, dem obliegen würde, künstlerisch Schaffenden die Richtung vorzuzeichnen. Das Wesen der pädagogischen Kunst fordert, daß die Lehrerschaft sich teilt zwischen Erziehen und Unterrichten und der Verwaltung des Schulwesens. Dadurch wird in der Verwaltung voll walten der Gesamtgeist, der sich aus der geistigen Haltung aller einzelnen zu einer Unterrichts- und Erziehungsgemeinschaft vereinigten Lehrer gestaltet. Und es wird in dieser Gemeinschaft nur das Geltung haben, was aus der Seelenerkenntnis sich ergibt. Eine solche Gemeinschaft ist nur möglich in dem dreigliedrigen sozialen Organismus, der ein freies Geistesleben neben einem demokratisch orientierten Staats-und einem selbständigen Wirtschaftsleben hat. Ein Geistesleben, das seine Direktiven von der politischen Verwaltung oder von den Mächten des Wirtschaftslebens erhält, kann nicht eine Schule in seinem Schoße pflegen, deren Impulse von der Lehrerschaft selbst restlos ausgehen. Eine freie Schule wird aber Menschen in das Leben hineinstellen, die im Staate und in der Wirtschaft ihre volle Kraft entfalten können, weil diese in ihnen entwickelt wird.