Weltschulverein als Möglichkeit, eine Musterschule zu tragen

Quelle: GA 259, S. 355-357, 1. Ausgabe 1991, 24.02.1923

Es wird über die Freie Schule und den Weltschulverein gesprochen. Dr. Hahn und Frl. Dr. von Heydebrand sprechen darüber.

Dr. Steiner(?): Gesundes Selbstbewußstein könnte der Gesellschaft bekommen.

Louis Werbeck: Die Gesellschaft sollte sich für die Zentralschule interessieren.

Dr. Steiner: Die Schwierigkeit ist diese, daß zunächst für den ersten Anschub die Leute, die irgendwo leben, nicht ein unmittelbares Interesse daran haben, eine Schule in Stuttgart zu unterstützen, in die sie ihre Kinder nicht schicken können, so daß sie sich sagen müssen: Wir unterstützen eine Schule, aber die Wohltat der Schule können wir unseren Kindern nicht angedeihen lassen. Das ist nicht anders zu überbrücken als dadurch, daß man die Sache zur allgemeinen Menschheitsangelegenheit macht. Daß man etwas fördert, was von mir schon oft betont worden ist: Die Idee der Freien Schule in der Form eines Weltschulvereins zu propagieren. Dann würden die Leute ihr primäres Urteil erweitern und sich sagen: Wir sehen ein, durch diese Methode können die Schulen besser werden, eine solche Schule als Musterschule muß dasein. - Dann würde man nicht so sehr auf die Detail-Wirksamkeit, sondern auf den großen Gedanken der Freien Schule bauen. So etwas müßte populär gemacht werden, an die Zweige herangebracht werden. Das müßte als eine allgemeine anthroposophische Angelegenheit aufgefaßt werden, daß die freie Pädagogik behandelt würde. Dann würde sich wirklich etwas erreichen lassen.

Dann würde man durch Beiträge die eine Schule halten können, und die anderen Schulen würde man so behandeln, daß man sagen würde: Ihr könnt sie gründen, wenn ihr das Geld habt, sie auf private Weise zu halten. Aber eine Angelegenheit der Anthroposophischen Gesellschaft ist die eine Musterschule, durch die einfach demonstriert werden soll das Praktische dieser Methodik. Es kommt bei allen Dingen darauf an, daß man sie vor die ganze Welt hinstellt. Dann würde es gehen. Aber die Begründung des Weltschulvereins ist in den Wind geschlagen worden. Ich sehe nicht ein, warum dieser nicht hätte gefördert werden können. Ich sehe nicht ein, warum der Weltschulverein nicht hätte entstehen sollen. Aber wenn es sich darum handelt, die Genialität in die Tat überzuführen, dann versagen die Kräfte.

In Hamburg ist die Sache verhudelt worden. Was war der Ausgangspunkt ? Pohlmann war gekommen und hatte gesagt, er wolle eine Schule begründen. In dieser Sache ist er allein voll verantwortlich. Heute müßte Pohlmann verpflichtet werden, seinen Verpflichtungen nachzukommen: Er sollte als Privatmann seine Schule gründen. Ich dachte, diese Gemeinschaft würde eine gute sein, denn diese Gemeinschaft Pohlmann und Kändler scheint mir ganz gut zu passen, und das würde gegangen sein. Wenn man nur so etwas in unserer Mitgliedschaft gerade und nicht immer schief nehmen würde ! Ich weiß nicht, warum diese Privatschule, die der Pohlmann als Steckenpferd haben will, warum man diese Schule als Zweigangelegenheit haben wollte. Diese Schule hat Herr Pohlmann übernommen, also soll er sie auch durchführen.

Es ist nicht möglich gewesen, den Weltschulverein zu begründen. Denn die Stuttgarter Untugend trat auch außerhalb Deutschlands zutage.

Es ist auch nicht eine Animierung der ausländischen Freunde von Deutschland aus geschehen. Die Schwierigkeit ist die, daß die Leute sich sagen: Wir können unsere Kinder nicht nach Stuttgart schicken. Deshalb müßte man diese Sache auf eine andere Karte setzen.

Louis Werbeck: Die Leute empfinden es als eine Weltangelegenheit.

Dr. Steiner: Sie können sicher sein: Wären dieselben Verhältnisse heute möglich wie vor dem Kriege - daß nämlich eine große Anzahl von Leuten mit Leichtigkeit ihre Kinder hergeben könnten -, dann würde eine große Anzahl von Eltern an verschiedenen Orten verstreut sein, und die Leute würden viel mehr Herz für die Waldorfschule aus primären Gründen haben. Man muß den sekundären Grund populärer machen: den Gedanken der Freien Schule. Für pädagogische Ideen sind die Menschen leicht zu begeistern. Von einzelnem Lobenswerten abgesehen, herrscht in unserer Gesellschaft das nicht, was Begeisterung genannt werden muß. Wie oft habe ich hier in solcher Terminologierungsweise meine Verzweiflung ausgedrückt, wie schwer so ein Dreißigerausschuß in Schwung zu bringen ist ! Es herrscht da eine Zähigkeit wie in einem Strudelteig. Es wird alles herausgewürgt. Höchstens wenn geschimpft werden kann, dann herrscht Schwung. In den idealen Dingen fehlt der Schwung. Wenn dieser Schwung doch da hineinkommen könnte ! Genialität ist da, aber Schwung und Begeisterung müßte in diese Genialität hineinkommen! Man urteilt nicht zu streng, wenn man sagt, daß Begeisterung und Schwung hier zu vermissen sind. Die Leute tragen den kurulischen Stuhl mit sich, auch wenn sie gehen. Es werden die Dinge so grenzenlos gescheit erörtert. Diese grenzenlose Gescheitheit, die herrscht auch in der Beurteilung des andern.