Lehrerrepublik kann Schulverwaltung delegieren

Quelle: GA 300b, S. 235-238, 4. Ausgabe 1975, 23.01.1923, Stuttgart

Es wird die Frage gestellt nach der Schulverwaltung. Es müßten viele Dinge der Verwaltung von allen mitgetragen werden.

Dr. Steiner: Das ist ein penibles Kapitel. Ich habe viel über dieses penible Kapitel nachgedacht. Aus dem Grunde ist es schwierig, weil wirklich nur durchführbar ist, was hier gemeint ist, wenn es im Einklange mit den Willensmeinungen eigentlich des ganzen Kollegiums oder doch der überwiegenden Majorität des Kollegiums inauguriert wird. Auf der anderen Seite wiederum ist natürlich das so, daß der Modus, wie das organisiert werden soll, sehr stark wirkt auf die Art, wie es aufgenommen wird.

Zuallererst bitte ich Sie dabei zu berücksichtigen, was in dieses neu zu organisierende Gebiet der Verwaltung einzubeziehen ist. Denn es sind eine ganze Menge laufender Geschäfte, die einfach derjenige ausführen muß, der im Schulhause ist. Diese müssen davon ausgenommen werden, die daran gebunden sind, daß der Betreffende im Hause ist. Für alles das, was diejenige Verwaltung betrifft, die zu gleicher Zeit Repräsentation der Schule nach außen ist, da würde sich empfehlen, in der Zukunft an die Stelle von einem zu setzen ein kleines Kollegium von drei bis vier Persönlichkeiten. Dieses Kollegium wird nicht anders wirken können als alternierend, so daß die, trotzdem es jeweils einer ist, sich hintereinander abwechseln und nur in bezug auf wichtige Sachen oder für solche Sachen, die man wert hält einer gemeinsamen Behandlung, man sich mit den anderen verständigt. Um ein solches Kollegium - damit nicht die republikanische Verfassung durchbrochen wird - würde es sich schon handeln. Ich bitte sich jetzt zu äußern, frank und frei, was Sie darüber meinen, jeder, der etwas zu sagen hat. Selbst wenn jemand etwas zu sagen hat, von dem er glaubt, daß es im weitesten Umfang mißfallen könnte, bitte ich, auch diese Sache vorzubringen.

X.: Es gibt gewisse Dinge, von denen man weiß, daß sie nur Y. machen kann, und daß gewisse Dinge da sind, die andere besser machen könnten.

Dr. Steiner: Ich meinte, wenn ein Kollegium da ist, so wird eine beständige Repräsentanz dadurch vorhanden sein, daß sich die Mitglieder des Kollegiums alternieren für Aufgaben, die begrenzt werden. Das, was Sie jetzt gesagt haben, kann voll Fall zu Fall gemacht werden, daß derjenige von diesem kleinen Kollegium designiert wird, den der eine oder andere für befähigt hält. Immerhin Meinungsverschiedenheiten wird es geben.

X.: Ich würde in einer solchen Regelung eine Hilfe finden. Es könnte dadurch der Schule sehr genützt werden.

Dr. Steiner: Es kann noch weiter gedacht werden. Daß sich ein solches Kollegium bildet, und daß sich das ganze Kollegium einverstanden erklärt, daß, wenn dieses Kollegium findet, daß irgendein Mitglied des Lehrerkollegiums für eine Angelegenheit designiert werden sollte, daß dies auch geschehen sollte.

Es kann auch die Vorbereitung der Konferenz zu den Agenden des betreffenden Leiters der Verwaltung in der betreffenden Zeit gehören. Es wird die Aufgabe dadurch eitle ziemlich schwierige. Es kann die Vorbereitung der Konferenz durchaus in die Aufgaben desjenigen hineingehören, der für die betreffende Zeit die Aufgabe hat, aus dem kleinen Kollegium heraus die Führung der Schule innezuhaben. Es handelt sich darum, daß diese Sache in voller Harmonie mit dem gesamten Kollegium gemacht wird.

Es hatte sich ein Komitee von sieben Lehrern für gewisse Fragen der Anthroposophischen Gesellschaft gebildet.

Dr. Steiner: Nun würde ich natürlich fragen müssen, was das Kollegium sagt zu diesem Komitee, das sozusagen aus sich selbst heraus sich gebildet hat.

Zweitens würde es sich darum handeln, daß wir zu dem Modus kommen, wie diese Sache endgültig geregelt werden könnte. - Dieses Komitee scheint ein sehr regsames zu sein und man könnte die Hypothese aufstellen, daß es durch seine Bemühungen für die Neuorganisation der Anthroposophischen Gesellschaft sich hat vorbereiten wollen für die Verwaltung der Schule. Denn natürlich, wenn dieses Komitee das volle Vertrauen des Lehrerkollegiums hat, dann würden wir die Sache leicht leisten.

X. schlägt vor, das Komitee zu erweitern.

Dr. Steiner: Ich hatte nur gemeint, wenn sich schon ein Kreis von Menschen mit dieser Frage befaßt hat, so ist es am besten, wenn dieser Kreis die Arbeit fortsetzt, weil es Zeit erspart.

X.: ...

Dr. Steiner: Sie verwechseln zwei Fragen. Ich wollte zuerst einfach fragen, weil mir bekannt war, daß ein solcher Kreis existiert, welcher dieser Kreis ist. Dieser Kreis hat sich mit diesen Fragen anscheinend beschäftigt, und da ja von vorneherein betont werden muß, daß die Sache aus der vollen Harmonie kommen muß, so wollte ich als Primärfrage die gestellt haben, ob dieser Kreis das Vertrauen des Kollegiums genießt, daß er in dieser Angelegenheit Vorschläge macht für die definitive Gestaltung. Wir können uns besprechen, welche die definitive Gestaltung sein sollte. Es würde uns heute schwer werden, geradezu aus einem Urkeim heraus die Sache zu holen. Es würde besser sein, wenn die Sache so sein könnte - da ich vermutlich bald wiederum werde da sein müssen -, wenn wir heute die Frage beantworten: Hat dieser oder ein erweiterter Kreis das Vertrauen des gesamten Kollegiums soweit, daß er für die eigentliche Regelung für eine nächste Konferenz Vorschläge machen könnte ? Das ist das, was wir heute beantworten müssen. Da bitte ich einfach um Wortmeldungen bezüglich dieser Vertrauensfrage.

X.: Es macht den Eindruck, als ob sich Waldorflehrer erster und zweiter Verantwortlichkeit gebildet hätten. Es beruht vielleicht dieses Gefühl auf falscher Voraussetzung.

Dr. Steiner: Daß ein Kreis sich bildet, das ist seine Sache. Weil er sich beschäftigt hat mit den Fragen, könnte man, falls das Vertrauen zu diesem Kreis besteht, meinen, daß man ihn mit der Ausarbeitung dieser Sache betraut. Im Kollegium diese Frage zu behandeln, ist komplizierter, als sie von einem Kreis behandeln zu lassen, der das Vertrauen des Kollegiums hat.

Einige Lehrer stimmen dem zu.

X: Ich habe ein peinliches Gefühl für diese Kreisbildung. Gerade die Menschen, welche den Kreis gebildet haben, sind die, welchen die bisherige Führung der Geschäfte auf die Nerven gegangen ist.

Y.: Ich habe beobachtet, es standen gewisse Gruppen beisammen, und ging man vorbei, hörte man schwerwiegende Worte, so daß es mir ganz unheimlich geworden ist, und ich zu einem Kollegen gesagt habe, da ist eine Cliquenbildung. Ich habe direkt Angst gehabt, es scheidet sich das Kollegium in Gesinnungstüchtige und weniger Gesinnungstüchtige.

Dr. Steiner: Das ist eine solche Sache. Gedeihen kann die Waldorfschule nur dann, wenn das Kollegium harmoniert in sich. Es ist nicht möglich, daß jeder jedem ganz gleich sympathisch ist. Aber das ist seine Privatsache. Das ist etwas, was nicht ins Kollegium hineingehört. Aber insofern das Kollegium repräsentiert den Gesamtstatus der Waldorfschule, hängt das Gedeihen der Waldorfschule von der inneren Harmonie im Kollegium ab. Es ist ein großer Unterschied, ob irgend jemand jemandem draußen sagt, "das geht mir auf die Nerven", oder wenn das Wort hier in der Konferenz fällt. Hier in der Konferenz und in der ganzen Verwaltung der Waldorfschule gibt es nur Lehrer der Waldorfschule, und die Schwierigkeiten tauchen nur auf wegen der üblichen demokratischen Verfassung der Schule. Aber natürlich treten Schwierigkeiten auf. Ich wende mich dagegen, wenn im Kollegium das Wort gebraucht wird: erste und zweite Verantwortlichkeit. Es würde das der Anfang von schlimmen Dingen sein können, wenn in unsere Verhandlungen so etwas hineinspielt wie erste und zweite Verantwortlichkeit, Kollegium und Kollegen-Cliquenbildung. Diese Dinge sind etwas, was streng ausgeschlossen sein muß.

Im Grunde genommen müßte das so sein, wenn sich irgendein Kreis bildet, daß man die Tatsache dieses Kreises nimmt und keine Veranlassung hat, über ihn böse Dinge zu sagen. Denn hat man dazu Veranlassung, dann beginnen schlimme Zeiten im Lehrerkollegium. Solange der Kreis sich gebildet hat und als solcher da war, möchte ich einmal fragen, inwiefern es bemerkt zu werden braucht, daß dieser Kreis sich gebildet hat. Es wäre vielleicht gar nicht nötig gewesen, es zu bemerken. jetzt liegt die Sache so, daß man die Frage stellt aus dem Grunde, weil er einen offiziellen Auftrag bekommt, weil sich dieser Kreis mit Vorschlägen beschäftigen soll. ich kann nicht einsehen, falls nicht darin eine Missetat ist, warum es von Bedeutung sein sollte, daß dieser Kreis es ist oder ein ganz anderer kleinerer. Es kommt ja auf gar nichts weiter an, als auf eine reine Zweckmäßigkeitsfrage, und behandelt wird das, was als Vorschlag vorgelegt wird, dann doch im Kollegium. Es handelt sich nur darum, die Vertrauensfrage zu stellen, ob man den Kreis für befähigt hält, Vorschläge zu machen. Wenn solche Worte fallen, da würde man nicht sagen, daß auch nur im Winzigsten ein Lehrerkollegium im Bilden begriffen ist. Das darf nicht sein. Hier muß lautere Harmonie herrschen.

X.: Ich habe das volle Vertrauen zu dem Kreis, aber ich wollte zum Ausdruck bringen, es sind Kollegen da, die es vielleicht nicht haben.

Dr. Steiner: Wenn ich den Ausdruck «auf die Nerven gehen» nehme, dann würde das bedeuten, daß einem ein anderer auf die Nerven geht. Dieser Kreis würde sich damit beschäftigen, wie die Verwaltung zu ordnen ist. So gehen Sie auch sich auf die Nerven.

X.: Ich habe kein Mißtrauen gegen einen aus dem Kreis.

Z.: Ich habe nicht das Empfinden, daß ein Kollegium im Kollegium besteht. Ich glaube, daß alle Kollegen mit diesem Kreis einverstanden sein können.

Dr. Steiner: Es sind gewisse Dinge ausgesprochen worden, die nicht zurückgenommen worden sind, Und so könnte man annehmen, daß die Sache doch nicht geht, wenn man es in der Weise macht, wie es ursprünglich gemeint war. Ebensogut könnte ich meinen, nach den Impulsen, nach denen die Schule und ihr Lehrkörper entstanden ist, daß in einer solchen Frage ich einen solchen Kreis aufstellen könnte. Ich tue es aus dem Grunde nicht, weil gewisse Soupçons bemerkbar geworden sind. Ich möchte warten mit solchen Dingen, bis sich die Dinge geklärt haben. Es erscheinen solche Antagonismen.

Das Komitee, das diese Fragen ausarbeitet, muß diese Dinge studieren, um Vorschläge für die Verwaltung zu machen, und da würde ich meinen, daß sechs Köpfe genügen.

Dr. Steiner läßt durch Zettelwahl ein solches vorbereitendes Komitee von sechs Mitgliedern wählen.

Dr. Steiner: Dann möchte ich bitten, daß das Komitee Persönlichkeiten vorschlägt, die dann die Sache erledigen.