Waldorfschule keine Organisation, sondern Organismus

Quelle: GA 305, S. 128-136, 2. Ausgabe 1979, 23.08.1922, Oxford

Wenn von Organisation gesprochen wird, so meint man heute gewöhnlich, daß man irgend etwas organisieren soll, irgend etwas einrichten soll. Wenn ich heute sprechen möchte von der Organisation der Waldorfschule, so ist es und kann es nicht in diesem Sinne gemeint sein, denn organisieren kann man eigentlich nur dasjenige, was in einem gewissen Sinne mechanisch ist. Man kann die Einrichtung einer Fabrik, irgendeine andere Institution organisieren, wo die Teile zu einem Ganzen durch den Gedanken, den man hineinprägt, zusammengehalten werden sollen. Aber denken Sie sich nur, wie absurd es sein würde, wenn man verlangen würde, man solle den menschlichen Organismus organisieren. Er ist organisiert, er ist da, und man muß ihn als einen Organismus hinnehmen. Man muß ihn studieren. Man muß seine Einrichtungen als die eines Organismus, als einer Organisation kennenlernen.

In diesem Sinne ist eine Schule, wie sie die Waldorfschule ist, von vornherein ein Organismus und kann nicht dadurch organisiert werden, daß man - ich habe das schon angedeutet - ein Programm entwirft, wie nun die Schule eingerichtet sein soll: Paragraph 1, Paragraph 2 und so weiter. Ich habe schon gesagt, ich bin von vornherein völlig überzeugt, ohne Ironie, daß, wenn sich heute 5 oder 12 Menschen zusammensetzen - und heute sind ja die Menschen alle sehr klug, sehr gescheit -, sie werden ein ideales Schulprogramm ausarbeiten können, worinnen gar nichts zu verbessern ist: Paragraph 1, Paragraph 2 und so weiter. Paragraph 12 und so weiter; und die Frage entsteht dann bloß: Kann man das in der Praxis durchführen? - Und da wird sich sehr bald herausstellen, daß sehr schöne Programme gemacht werden können, aber in der Praxis hat man einen vollendeten Organismus vor sich, wenn man eine Schule einrichtet.

Diese Schule besteht dann aus einer Lehrerschaft, die man ja nicht aus Wachs knetet. Paragraph 1 oder Paragraph 5 würde vielleicht heißen: der Lehrer soll so oder so sein. Die Lehrerschaft besteht ja nicht aus etwas, was man aus Wachs knetet, sondern man muß den einzelnen Lehrer suchen; man muß ihn hinnehmen mit den Fähigkeiten, die er hat. Man muß vor allen Dingen verstehen, welche Fähigkeiten er hat. Man muß verstehen, ob er zunächst ein guter Elementarlehrer ist, oder ob er ein guter Lehrer für die höheren Klassen ist. Es handelt sich also darum, geradeso wie man beim menschlichen Organismus, um ihn zu verstehen, die Nase oder das Ohr verstehen muß, so muß man den einzelnen Lehrer verstehen, wenn man überhaupt etwas machen will. Auf abstrakte Programmgrundsätze kommt es nicht an, sondern auf die Realitäten, die man vor sich hat. Könnte man die Lehrer aus Wachs kneten, so könnte man Programme machen. Aber das kann man nicht. So hat man zunächst als die eine Realität das Lehrerkollegium vor sich. Das muß man genau kennen. Das ist vor allen Dingen der erste Grundsatz in der Organisation der Waldorfschule, daß das Lehrerkollegium mir selbst, da ich die Waldorfschule geistig zu leiten habe, in allen seinen einzelnen Individualitäten genau bekannt ist.

Das zweite sind die Kinder, und in dieser Richtung war es mit einigen praktischen Schwierigkeiten verknüpft, aus der Waldorfschule etwas zu machen. Denn diese Waldorfschule wurde zunächst aus all den Emotionen heraus, die im Jahre 1918, 1919 da waren, nachdem der Krieg beendet war, von Emil Molt in Stuttgart begründet. Sie wurde begründet, weil man glaubte, damit zunächst eine soziale Tat zu tun. Man sah, mit den Erwachsenen ist in sozialer Beziehung nicht außerordentlich viel anzufangen; die verstanden sich ein paar Wochen lang in Mitteleuropa nach der Beendigung des Krieges. Nachher verfielen sie sogleich wiederum in diejenigen Urteile, die aus den verschiedenen Klassen sich herausgebildet haben. Daher kam man auf den Gedanken, zunächst für die nächste Generation zu sorgen. Und man brauchte, weil gerade eben Emil Molt, ein Industrieller in Stuttgart, die Schule begründete, zunächst nicht hausieren zu gehen, um Kinder zu bekommen, sondern man bekam die Kinder seiner Fabrik. Es waren also im wesentlichen zunächst Proletarierkinder, etwa 150 Kinder aus der Moltschen Fabrik, die wir bekamen. Diese etwa 150 Kinder wurden dann ergänzt durch weitaus die meisten Kinder aus der Anthroposophischen Gesellschaft in Stuttgart und Umgebung; so daß wir also etwa mit gegen 200 Kindern im Beginne zu arbeiten hatten.

Nun war damit aber zugleich ein Moment gegeben, das die Schule im idealen Sinne zu einer Einheitsschule machte. Denn wir hatten einen Grundstock von Proletarierkindern, und die Anthroposophenkinder waren zunächst nicht Proletarierkinder, sondern aus allen möglichen Ständen, von den untersten bis zu den obersten. Es war also von vornherein alles Standesmäßige, Klassenmäßige ausgeschaltet auch durch die soziale Grundlage in der Waldorfschule. Und das wurde ja auch durchaus angestrebt und wird weiter angestrebt, daß in Betracht kommt allein, ganz allein das allgemein Menschliche. Nur pädagogisch-didaktische Grundsätze gibt es für die Waldorfschule, gar keine Rücksicht darauf, ob ein Kind ein Proletarierkind ist, oder ob es selbst das Kind des ehemaligen Kaisers gewesen wäre, wenn es die Aufnahme in die Waldorfschule gesucht hätte. Bloß pädagogisch-didaktische Grundsätze galten und werden gelten. So war die Waldorfschule von Anfang an als eine Einheitsschule gedacht.

Aber damit waren natürlich auch Schwierigkeiten gegeben, denn das Proletarierkind bekommt man mit anderen Lebensgewohnheiten im 6., 7. Jahre in die Schule herein als das Kind aus anderen Ständen. Aber in dieser Beziehung zeigten sich sehr bald die Gegensätze als sogar außerordentlich wohltuend, wenn auch von Kleinigkeiten natürlich dabei abgesehen werden muß, die mit einer gewissen Mühe dann zu überbrücken sind. Diese Kleinigkeiten können Sie sich ja auch leicht denken; sie beziehen sich zumeist auf äußere Lebensgewohnheiten, und es ist manchmal nicht leicht, alles dasjenige aus den Kindern herauszubringen, was sie in die Schule mit hereinbringen. Aber auch das ist mit einigem gutem Willen durchaus ja zu erreichen, obwohl manche Kinder aus sogenannten höheren Ständen, die nicht gewöhnt sind, das eine oder das andere an sich zu tragen, dann das Unangenehme nach Hause bringen und das von den Eltern in unangenehmer Weise zu Hause bemerkt wird.

Nun, so hatte man also die Kinderschaft auf der anderen Seite. Das waren zunächst, ich möchte sagen, die kleineren Schwierigkeiten. Die größere Schwierigkeit entstand daraus, daß für die Waldorfschule das Ideal vorlag, rein im Sinne der Menschenerkenntnis zu erziehen, jede Woche das an das Kind heranzubringen, was das Kind selber forderte.

Nun richteten wir aber die Waldorfschule sogleich ein als eine achtklassige Elementarschule, so daß wir Kinder drinnen hatten vom 6. oder 7. bis zum 14., 15. Jahre. Diese Kinder bekamen wir zunächst aus den verschiedensten Schulen heraus. Sie hatten die allerverschiedensten Vorbildungen, durchaus nicht diejenige immer, die wir etwa für ein acht- oder elfjähriges Kind für die richtige ansehen mußten. So daß wir also in dem ersten Jahre durchaus nicht mit dem völlig rechnen konnten, was wir als das Ideal der Erziehung ansehen. Da konnte wiederum nicht nach Paragraph 1, Paragraph 2 gegangen werden, sondern da mußte nach den Individualitäten der Kinder, die man in jede einzelne Klasse hereinbekam, vorgegangen werden. Und trotzdem, dieses wäre noch die geringere Schwierigkeit gewesen.

Die größere Schwierigkeit ist diese, daß keine noch so ideale Erziehungsmethode den Menschen herausreißen darf aus dem Leben. Der Mensch ist ja nicht irgend etwas Abstraktes, was man durch die Erziehung hinstellen kann und dann ist es fertig, sondern der Mensch ist das Kind gewisser Eltern. Er ist herausgewachsen aus der sozialen Ordnung. Er muß, nachdem er erzogen worden ist, wieder hinein in diese soziale Ordnung. Sehen Sie, wenn Sie ein Kind so erziehen wollten, wie es absolut der Idee entspricht, so werden Sie es mit 14, 15 Jahren so haben, daß das allerdings sehr ideal sein kann, aber das Kind findet sich nicht zurecht im heutigen Leben, es weiß nichts anzufangen. So daß also nicht bloß ein Ideal zu verwirklichen war und auch jetzt noch nicht ist in der Waldorfschule, sondern es handelt sich darum, das Kind so zu erziehen, daß es immer den Anschluß findet an das heutige Leben, an die heutige soziale Ordnung. Da nützt es nichts, zu sagen, diese soziale Ordnung ist schlecht. Wir müssen doch, ob sie nun gut oder schlecht ist, darinnen einfach leben. Und darum handelt es sich, daß wir darinnen leben müssen, daß wir also die Kinder nicht einfach aus ihr herausziehen dürfen. So hatte ich also die außerordentlich schwere Aufgabe vor mir, auf der einen Seite eine Idee der Erziehung zu erfüllen, auf der anderen Seite mit dem vollen Leben der Gegenwart zu rechnen.

Selbstverständlich mußten die Schulbehörden dasjenige, was in den anderen Schulen geleistet wird, als eine Art Ideal ansehen. Sie sagen zwar immer: das Ideal kann man nicht erreichen, man kann nur das Möglichste tun, die Lebenspraxis fordert das oder jenes. Aber gerade in der Praxis, wenn man mit ihnen zu tun hat, dann sehen sie doch alles dasjenige, was schon eingerichtet ist von seiten der Staatsbehörden oder der entsprechenden Behörden, als etwas außerordentlich Gutes an, und dasjenige, was so eingerichtet wird wie die Waldorfschule, für eine Art Schrulle, für etwas, was man macht, wenn man nicht ganz besonnen ist unter dem Hute !

Nun, nicht wahr, man läßt manchmal solch eine Schrulle gewähren, weil man sich sagt: Na, das wird sich schon zeigen, was es ist. - Aber immerhin, man muß auch damit rechnen, und so versuchte ich durch folgenden Kompromiß zurechtzukommen. Ich schlug vor in einem Memorandum, mir für dasjenige, was meine Schrulle ist, jeweilig drei Jahre Zeit zu lassen, um dann die Kinder so weit zu haben, daß sie den Anschluß an die gewöhnlichen Schulen finden können. So also arbeitete ich ein Memorandum aus dahingehend, daß die Kinder, wenn sie aufgenommen werden, bis zur Vollendung der 3. Elementarklasse, also dem 9. Jahre, das Ziel erreicht haben, daß sie in einer anderen Schule in die 4. Klasse eintreten können. Nur für die Zwischenzeit, sagte ich, wolle ich absolute Freiheit haben, jede Woche dasjenige den Kindern geben zu können, was aus Menschenerkenntnis folgt. Dann wiederum verlangte ich Freiheit vom 9. bis zum 12. Jahre. Nach der Vollendung des 12. Jahres sollten die Kinder wiederum ein solches Ziel erreicht haben, daß sie in die gewöhnliche äußere Schule eintreten können, und wiederum, wenn sie die Schule verlassen haben. Ebenso wird es sein, wenn nun die Kinder, ja, wie gesagt, die jungen Damen und die jungen Herren die Schule verlassen, um an die Universität oder eine andere Hochschule zu kommen, für die Zeit der Geschlechtsreife bis zum Beginn der Hochschulzeit soll völlige Freiheit sein; dann aber sollen sie so weit sein, daß sie in eine beliebige Hochschule, Universität, übertreten können, denn die Dornacher Freie Hochschule wird noch lange nicht als etwas anerkannt sein, in das übergetreten werden kann, wenn die Leute ins Leben hinaus wollen, selbstverständlich.

So also wurde schon mit diesem Parallelismus mit dem gewöhnlichen Schulwesen versucht, dasjenige, was eigentlich gewollt werden muß, mit demjenigen, was eben da ist, in Einklang zu bringen, in eine gewisse Harmonie zu bringen. Denn in keinem Punkte wird in der Waldorfschule irgend etwas angestrebt, was unpraktisch ist, sondern überall in jedem Punkte wird durch diese Schrulle zu verwirklichen versucht dasjenige, was wirklich lebenspraktisch ist.

Daher kann es sich auch nicht darum handeln, aus irgendeinem gescheiten Einfall im Kopfe die Schule nun zu konstruieren - denn eine Konstruktion, nicht eine Organisation würde entstehen -, sondern es kann sich nur darum handeln, dasjenige, was man schon als einen Organismus hat, wirklich von Woche zu Woche zu studieren. Und da ergeben sich in der Tat für denjenigen, der nun Menschenbeobachtung, das heißt auch Kinderbeobachtung hat, die konkretesten Erziehungsmaßregeln von Monat zu Monat. So wie schließlich auch der Arzt, wenn er einen Menschen vor sich hat, nicht bei der ersten Untersuchung gleich sagen kann, was alles geschehen soll, sondern erst nach und nach den Menschen studieren muß, weil der Mensch ein Organismus ist, so handelt es sich also auch darum, daß man einen solchen Organismus, wie es die Schule ist, aber noch mehr fortwährend studiert. Denn es kann zum Beispiel sein, daß man durch die besondere Art von Lehrerschaft und Kinderschaft, die man, sagen wir, im Jahre 1920 vor sich hat, ganz anders vorgehen muß als bei der Lehrerschaft und Schülerschaft, die man im Jahre 1924 vor sich hat, weil unter Umständen die Lehrerschaft eine andere sein kann durch Zuwachs, und die Kinderschaft wird schon ganz gewiß eine andere sein. Demgegenüber könnten Paragraph 1 bis Paragraph 12 so schön wie möglich sein, aber sie taugten nichts; es taugt nur das, was man wirklich durch die Beobachtung eines jeden Tages aus der Klasse herausträgt.

Und deshalb ist das Herz der Waldorfschule, wenn ich von ihrer Organisation spreche, die Lehrerkonferenz, es sind die Lehrerkonferenzen, die von Zeit zu Zeit immer abgehalten werden. Wenn ich selbst in Stuttgart sein kann, geschieht sie unter meiner Leitung, sonst aber finden diese Lehrerkonferenzen auch in verhältnismäßig sehr kurzen Zwischenräumen statt. Da wird wirklich bis ins Einzelnste hinein alles vor der gesamten Lehrerschaft verhandelt über die gesamte Schule, was der einzelne Lehrer in seiner Klasse an Erfahrungen machen kann. So daß fortwährend diese Lehrerkonferenzen die Tendenz haben, die Schule so als einen ganzen Organismus zu gestalten, wie der menschliche Leib ein Organismus ist dadurch, daß er ein Herz hat. Da handelt es sich allerdings bei diesen Lehrerkonferenzen viel weniger um abstrakte Grundsätze, sondern überall bei den Lehrern um den guten Willen zum Zusammenleben, um das Hintanhalten jeder Art von Rivalität. Und vor allen Dingen handelt es sich darum, daß man etwas, was dem anderen nützt, nur vorbringen kann, wenn man die entsprechende Liebe zu jedem einzelnen Kinde hat. Aber ich meine dabei nicht jene Liebe, von der man oft spricht, sondern jene Liebe, die man gerade als artistischer Lehrer hat.

Diese Liebe, die hat noch eine andere Nuance als die gewöhnliche Liebe. Es ist ja wiederum eine andere Nuance, aber dennoch, wer mit kranken Menschen als Menschen innig Mitleid haben kann, hat zunächst die allgemeine Menschenliebe. Aber um einen Kranken zu behandeln, muß man auch - bitte, mißverstehen Sie das nicht, aber es ist so - die Liebe zur Krankheit haben können. Man muß auch sprechen können von einer schönen Krankheit. Die ist natürlich sehr schlimm für den Patienten, aber sie ist für denjenigen, der sie behandeln muß, eine schöne Krankheit. Eine prachtvolle Krankheit kann sie unter Umständen sein. Sie mag sehr schlimm sein für den Patienten, sie ist aber für den, der sich hineinversetzen muß, der sie mit Liebe behandeln können muß, eine prachtvolle Krankheit. Und so ist auch ein völlig nichtsnutziger Knabe, ein Strick, wie man im Deutschen sagt, der ist unter Umständen durch die Art, wie er sein Stricktum auslebt, wie er schlimm ist, wie er nichtsnutzig ist, zuweilen so außerordentlich interessant, daß man ihn außerordentlich lieben kann. Zum Beispiel, wir haben einen sehr interessanten Fall in der Waldorfschule, einen jungen, der sehr abnorm ist. Er saß von Anfang an in der Waldorfschule, er kam gleich in die erste Klasse. Er hatte die Eigentümlichkeit, daß, wenn sich der Lehrer umdrehte, so lief er auf den Lehrer zu und gab ihm einen Schlag. Der Lehrer behandelte mit einer außerordentlichen Liebe und mit einem außerordentlichen Interesse diesen Nichtsnutz. Er streichelte ihn, führte ihn an seinen Platz zurück, tat gar nicht, als ob er es bemerkt hätte, daß der ihm hinten einen Schlag gegeben hatte. Dieser Knabe kann nur dadurch behandelt werden, daß man seine ganze Genesis ins Auge faßt. Man muß kennen, aus welchem elterlichen Milieu er herausgewachsen ist und muß seine Pathologie kennen. Aber dann kommt man auch mit ihm trotz seiner Nichtsnutzigkeit vorwärts, wenn man gerade diese Art von Nichtsnutzigkeit lieben kann. Es hat etwas Liebenswürdiges, wenn jemand ganz besonders stark nichtsnutzig ist.

Das ist also für den Erzieher ganz anders, als es ist für denjenigen, der mehr von außen die Dinge betrachtet. Und so handelt es sich wirklich darum, daß man diese besondere Liebe entwickle, von der ich jetzt gesprochen habe. Dann weiß man auch in der Lehrerkonferenz etwas Entsprechendes zu sagen. Denn nichts ist nützlicher für die Maßnahmen, die man bei gesunden Kindern zu ergreifen hat, als dasjenige, was man bei abnormen Kindern beobachten kann.

Sehen Sie, gesunde Kinder sind verhältnismäßig schwer zu studieren, weil bei ihnen alle Eigenschaften verwaschen sind. Man kommt nicht so leicht darauf, wie die einzelne Eigenschaft da drinnen sitzt, und wie sie sich mit der anderen zusammenschließt. Bei einem kranken Kinde, wo ein Eigenschaftskomplex vorliegt, da kommt man sehr bald darauf, den besonderen Eigenschaftskomplex auch pathologisch zu behandeln. Das kann man dann anwenden bei gesunden Kindern.

Durch solch eine Organisation haben wir es immerhin dazu gebracht, daß die besondere Art der Waldorfschule in kurzer Zeit gewürdigt worden ist dadurch, daß die Zahl der Kinder, die wir im Beginne hatten - gegen 200 sagte ich -, rasch wuchs, und nun haben wir bereits die Zahl von gegen 700 Kindern erreicht, die nun aber aus allen Klassen sind (bis zur 12.), so daß die Waldorfschule jetzt wirklich im besten Sinne des Wortes als eine Einheitsschule organisiert dasteht. Wir mußten für die meisten Klassen, namentlich für die unteren, Parallelklassen errichten, so daß wir eine 1. Klasse A, eine 1. Klasse B und so weiter haben, weil wir eben nach und nach zuviel Kinder für die eine Klasse bekommen haben. Dadurch werden ja natürlich immer größere Aufgaben an die Waldorfschule gestellt. Denn wenn man versucht, die ganze Organisation aus dem Leben heraus zu denken, so gibt jedes Kind, das man bekommt, eine neue Lektion und eine neue Art, in welche man sich hineinfinden muß, um wiederum mit dem Organismus, der ein neues Glied bekommen hat, durch das entsprechende Menschenstudium zurechtzukommen.