Unmöglich, ohne das Eigentumsverhältnis jeder Mensch zur fruchtbarer Urproduktionsmittel aufnehmen, wertvoll von Preisbildung zu reden ?

Quelle: GA 340, S. 207-213, . Ausgabe 2002, 06.08.1922, Dornach

Dasjenige, um was es sich handelt, hängt durchaus von dem Verhältnis der Bevölkerungsmenge zu der Bodenfläche ab, also auch davon, wieviel aus der Bodenfläche - aus der Bodenfläche kommt zuletzt alles - eine gewisse Bevölkerungszahl herausarbeiten kann. Setzen Sie jetzt den hypothetischen Fall, irgendein Wirtschaftsgebiet (Tafel 12) habe, sagen wir, fünfunddreißig Millionen Einwohner - es ist ja ganz gleichgültig, wieviel. Das, was hier von einem geschlossenen Wirtschaftsgebiet gilt, gilt auch von der Weltwirtschaft. Ein Wirtschaftsgebiet habe fünfunddreißig Millionen Einwohner in irgendeinem Zeitpunkt. Und setzen Sie die Hypothese, das sei so, daß diese fünfunddreißig Millionen Einwohner nun gebracht werden sollen in einen Zustand, der möglichst volkswirtschaftlich gerecht ist. Es ist das nicht ganz genau und deutlich ausgesprochen, aber Sie werden gleich sehen, was ich darunter verstehe. Was müßte man denn da tun, wenn man überhaupt wollte, daß auf diesem Gebiet unter den fünfunddreißig Millionen dasjenige herrscht, was mögliche Preise herbeiführt?

Dann müßten Sie in dem Zeitpunkt, in dem Sie anfangen, das Wirtschaftsleben in ein gesundes überzuführen, jedem einzelnen Menschen so viel geben von der Bodenfläche - aber jetzt auf ein Durchschnittsmaß der Fruchtbarkeit und Bearbeitbarkeit berechnet -, als die gesamte, die Produktion möglich machende Bodenfläche durch fünfunddreißig Millionen dividiert, bedeutet. Denken Sie sich, jedes Kind würde einfach so viel Bodenfläche bei seiner Geburt mitbekommen zur fortwährenden Bearbeitung: wenn jeder Mensch bei seiner Geburt so und so viel mitbekäme, dann würden die Preise entstehen, die überhaupt auf einer solchen Fläche entstehen können; denn die Dinge haben dann ihren selbstverständlichen Austauschwert.

Aber .was ich Ihnen da als eine Sie kurios berührende Hypothese anführe, das ist ja nämlich die Wirklichkeit. Der von dem Menschen unabhängige volkswirtschaftliche Prozeß, der tut das nämlich in der Tat. Er tut es - nun, Sie werden ja nicht glauben, daß ich das, was ich jetzt sage, anders als bildhaft meine -, indem dieser volkswirtschaftliche Prozeß tatsächlich, da ja die Bedingungen da sind, die ganze Bodenfläche auf so und so viel Menschen verteilt, wo dann die Menschen alles das, was sich vom Boden abhebt, entsprechend weiter bearbeiten müssen; Sie können sich denken die ganze Bodenfläche auf die Einwohnerzahl verteilt, und das als reale Tatsache gibt jedem einzelnen Ding seinen Tauschwert, und Sie können irgendwo die Tauschwerte aufschreiben und die Erfahrung kann sehr starke Annäherung an diese Werte geben. Aber wenn Sie das dann vergleichen mit unserer heutigen Wirklichkeit, so werden Sie finden, daß das eine einen Preis hat weit darunter, das andere weit darüber. Nun, Sie können ja, wenn Sie sich vorstellen, daß irgendwo irgendeine Utopia entsteht, in die Sie versetzen können lauter neugeborne Kinder, die von Engeln zunächst besorgt werden — aber Sie geben ihnen jedem sein Stück Land mit —, dann können Sie es dahinbringen, daß, wenn sie zu arbeiten anfangen können, die selbstverständlichen Tauschwerte entstehen. Wenn dann nach einiger Zeit andere Preise da sind, dann muß der eine dem anderen die Sache weggenommen haben. Und das ist dasjenige, was die verschiedenen Unzufriedenheiten eben gibt, daß das dunkel gefühlt wird, daß hier in den volkswirtschaftlichen Prozeß etwas hineinspielen kann, was den realen Preisen gar nicht entspricht.

Aber gerade durch ein Durchdringen des volkswirtschaftlichen Organismus mit einer Denkweise, die in dem Stile gehalten ist, den wir hier in diesen Betrachtungen angeschlagen haben, wird durch die Maßnahmen selber das herbeigeführt, was ich angeführt habe. Das ist es, worauf es ankommt. Und so werden wir finden, daß auf diesem, ich möchte sagen, die fliegende Buchhaltung der Weltwirtschaft darstellenden Geld, so etwas Ähnliches wird stehen müssen wie auf einer so und so viel Quadratmeter großen Bodenfläche herstellbarer Weizen, der dann mit den anderen Dingen verglichen wird. Es lassen sich am leichtesten Bodenprodukte miteinander vergleichen. Und Sie sehen also, wovon man ausgehen muß. Man muß von etwas ausgehen, die Zahlen müssen etwas bedeuten. Es führt schlechterdings eben weg von der Wirklichkeit, wenn wir auf unserem Geld stehen haben so und so viel Goldgehalt; aber es führt zur Wirklichkeit hin, wenn wir darauf stehen haben : Das bedeutet so und so viel Arbeit an einem bestimmten Naturprodukt. Dann würden wir sagen können: Nehmen wir also zum Beispiel an, dadrauf steht X-Weizen, auf allem Geld steht X-Weizen, Y-Weizen, Z-Weizen — und es würde klar sein, worauf die ganze Volkswirtschaft zurückführt. Damit haben Sie zurückgeführt die Währung auf die brauchbaren Produktionsmittel, an denen körperliche Arbeit geleistet wird — Produktionsmittel irgendeines Wirtschaftsgebietes —, und das ist die einzige gesunde Währung : die Summe der brauchbaren Produktionsmittel.

Für den, der unbefangen in die Wirklichkeit hineinschauen kann, für den ergibt sich diese Sache so aus der Anschauung, obgleich vielleicht jemand sagen kann: Ganz genau läßt sich auch nicht mit so etwas vergleichen irgendein anderer Wert. Bis zu einem hohen Grad genau wird es sich vergleichen lassen. Denn im allgemeinen unterscheiden sich, weil bei dieser Bewertung zum Schluß alles durch den Konsum bewertet ist, die Werte der Leistungen nicht allzusehr. -- Sei ich ein noch so geistiger Arbeiter, ich brauche so viel ersparte Arbeit in jedem Jahr, als ich eben brauche, um mich als Mensch zu erhalten. Und es wird ohne weiteres durch so etwas klarwerden dann, auf welche Weise ein Geistesarbeiter eben noch etwas hinzu braucht zu dein, was ein Handarbeiter braucht. Und wenn die Sache so durchsichtig ist, wird das dann auch überall anerkannt werden, weil es durchsichtig ist. Es gibt immerhin in geschlossenen Wirtschaften Zustände, die ja immer seltener und seltener werden, die aber doch immerhin heute noch da sind, wo die Geistesarbeiter eigentlich reichlich das bekommen, was sie brauchen, wo die Leute es ihnen gerne geben, ohne daß sie es erst auf Zettel schreiben. Das sage ich nicht, weil ich zurückführen möchte ein Volkswirtschaftliches auf ein Sentimentales, sondern ich sage das, weil das auch in die Realitäten der Volkswirtschaft hineingehört und weil man überall dennoch innerhalb der Volkswirtschaft auf den Menschen stößt.

Vor allen Dingen wird dadurch erreicht ein wirklich überschaubares Verhältnis innerhalb der einzelnen Glieder eines wirtschaftlichen Ganzen. Es wird erreicht die Möglichkeit, daß jeder in jedem Augenblick seinen Zusammenhang mit der Natur auch im Gelde noch hat. Und das ist ja dasjenige, was alle unsere Verhältnisse so ungesund macht, daß sie sich so viel abheben von der Natur, der Zusammenhang mit der Natur gar nicht mehr da ist. Wenn wir es dazu bringen — und die Beantwortung der Frage ist ja nur eine Sache der Technik, die man eben im assoziativen Leben sich bilden kann —, tatsächlich statt des undefinierbaren Goldwertes den Naturwert zu haben auf unserem Papier, dann werden wir unmittelbar einsehen, im gewöhnlichen Verkehr einsehen, wieviel auch irgendeine geistige Leistung wert ist; denn ich weiß dann: Wenn ich ein Bild male, so müssen, weil ich das Bild gemalt habe, so und so viel, sagen wir, Landarbeiter so und so viel Monate oder Jahre arbeiten an Weizen, an Hafer und so weiter. Denken Sie sich, wie übersichtlich dadurch der wirtschaftliche Prozeß würde. Man würde ja nach dem heutigen Sprachgebrauch eben dann sagen: Es ist dann eben eine Naturwährung statt einer Goldwährung da. Das würde auch gerade das Richtige sein. Das würde dasjenige sein, was einen wirtschaftlichen Zustand wirklich gibt.

Nun haben Sie wiederum ein solches Bild hingestellt. Ich muß eben in solchen Bildern sprechen, weil diese Bilder die Wirklichkeit geben; denn das, was gewöhnlich die Leute im Kopfe haben im wirtschaftlichen Verkehr, das ist keine Wirklichkeit. Eine Wirklichkeit hat erst der, der weiß : wenn er für irgendeine Sache ein so und so großes Geldstück kriegt, so bedeutet das so und so viel Bodenbearbeitung beziehungsweise es muß dazu auch verrechnet werden die Arbeit mit anderen Produktionsmitteln, die aber gleichwertig werden mit der Natur, indem sie in dem Augenblick, wo sie verfertigt sind, wo sie also dem Warengebiet entfallen, übergehen in einen Zustand der Entwertung, der Unmöglichkeit, sie zu kaufen oder zu verkaufen; dadurch werden sie gleich den Produktionsmitteln, die wir in der Natur haben. Es ist nur eine Fortsetzung des Prozesses, den wir in der Natur haben, wenn wir sagen, die Produktionsmittel müssen in dieser Weise behandelt werden. Dadurch wird erst ein klarer Begriff geschaffen auch für die Natur selber als Produktionsmittel; denn gegenüber den Begriffen, die Sie sonst an Grund und Boden finden, kann immer noch einiges eingewendet werden, wenn Sie nicht den Begriff des Produktionsmittels so einführen, wie ich das versucht habe in den «Kernpunkten der sozialen Frage ». Denn Sie brauchen sich nur zu überlegen, daß auch ein Gebiet der Natur unter Umständen erst bearbeitet werden muß, bevor es ein brauchbarer Grund und Boden ist,so daß bis zu dem Moment, wo die Natur, wo irgendein Gebiet der Natur ausgerodet ist, wo es dem Gebrauch übergeben werden kann — bis dahin muß ja auch Arbeit darauf verwendet werden —, so daß also am Ende dieser Arbeit, bis diese Arbeit fertig ist, bis dahin ja auch ein Stück Grund und Boden in berechtigter Weise eine Ware ist, ein wirtschaftlicher Wert in dem Sinn, daß Gut verbunden ist mit Arbeit.

Also nur dadurch, daß Sie wirklich in dieser Weise, wie wir es getan haben, sich die Begriffe formulieren, kommen Sie dazu, den Begriff des Produktionsmittels in reiner Anschauung zu haben; dann werden Sie ihn in die verschiedensten Gebiete durchführen können; dann wird Ihnen durchaus im rechten Moment klar aufgehen, daß, wenn einer einen Aufsatz liefert, eben die Hauptsache des Wertes besteht in der ersparten Arbeit, daß man nur das kleine bißchen abzurechnen hat, was die direkte körperliche Arbeit des Schreibens ausmacht. Es differenzieren sich Ihnen nach den verschiedensten Richtungen hin sogleich die Begriffe so, daß sie richtig im Leben drinnenstehen, wenn Sie sie richtig aus dem Leben heraus bilden. Sie können also gar nicht anders, als, wenn Sie irgendwie die Preisfrage behandeln wollen, diese Preisfrage zurückzuverfolgen eben nicht bloß bis zu den Produktionskosten, sondern Sie müssen sie zurückverfolgen bis zu der Urproduktion und müssen sehen, wie die Bedingungen sind der Preisbildung von der Urproduktion an. Dann können Sie erst die Preisbildung bis auf irgendeinen Punkt innerhalb des volkswirtschaftlichen Prozesses verfolgen.

Damit habe ich Ihnen wenigstens vielleicht eine auf den Weg leitende Vorstellung geben können von dem, was für die Hauptfrage der Wirtschaft, die Preisbildung, eigentlich in Betracht kommt. Denn wirtschaften heißt eben: dasjenige, was Erzeugnisse sind, zum Austausch unter Menschen zu bringen; und der Austausch unter Menschen, der lebt sich aus in der Preisbildung. Diese Preisbildung, diemuß zunächst das sein, worauf es ankommt. Und daß wir da nicht zu etwas zurückzugehen brauchen, was ein ganz Unbestimmtes ist, das werden Sie einsehen, wenn Sie eben zurückverfolgen alles bis zu demjenigen Wertverhältnisse, das für die Bodenarbeit herbeigeführt wird durch das Verhältnis der Bevölkerungszahl zu der brauchbaren Bodenfläche. In diesem Verhältnis finden Sie, was ursprünglich eben der Wertbildung zugrunde liegt, weil alle Arbeit, die verrichtet werden kann, nur von der Bevölkerungszahl kommen kann, und alles, womit sich diese Arbeit verbinden kann, aus dem Boden kommen muß; denn das ist das, was jeder braucht, und diejenigen, die es ersparen wegen ihrer geistigen Leistung, für die müssen es eben die anderen mit-leisten; daher kommen wir hier zu dem, was der Volkswirtschaft zugrunde liegt.

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158 David Ricardo, 1772-1823, englischer Nationalökonom. Neben Adam Smith der bedeutendste Theoretiker der klassischen Schule der englischen Volkswirtschaftslehre. Auf dem Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit entwickelte er eine Werttheorie und vor allem seine eigene Grundrententheorie. Hauptwerk: «Grundsätze der Volkswirtschaft und Besteuerung», 1817; deutsch 1923.