Das Geld wird sich nicht allmählich, sondern plötzlich abnützen

Quelle: GA 341, S. 077-083, 3. Ausgabe 1986, 05.08.1922, Dornach

Frage nach der Abnützung des Geldes: Wird es sich allmählich abnützen? Auch als Kaufgeld?

Rudolf Steiner: Als Kaufgeld hat es bis zuletzt denselben Wert. Diese Frage ist eine mehr technische des Verkehrs, eine Frage des Wie. Die allmähliche Abnützung des Geldes ist nicht leicht vorzustellen. Sie würde einen außerordentlich bürokratischen Apparat erforderlich machen.

Ich betone, daß ich nicht programmatisch vorgehen möchte, sondern daß ich nur das sagen möchte, was ist. Denn meine Erkenntnis geht dahin, daß wir ein Paradies auf Erden nicht herstellen können auf ökonomischem Wege. Das würde nicht gehen, sondern es läßt sich nur der bestmögliche Zustand herstellen. Nun hat man sich zu fragen, worauf das Heruntersinken unter den bestmöglichen Zustand beruht. Darauf, daß die einzelnen Faktoren der Volkswirtschaft ihren richtigen Wert nicht geltend machen können an der einen oder anderen Stelle, daß es also heute möglich ist, daß der geistig Arbeitende durchaus nicht in der Weise bezahlt wird, wie es für die Gesamtvolkswirtschaft notwendig ist. Er wird entweder zu hoch oder zu niedrig bezahlt. Es kommt beides vor. Dadurch aber gibt er sofort Veranlassung, wenn er zu niedrig bezahlt wird, daß sich die Preise durch seine niedrige Bezahlung in ungesunder Weise ändern. Ebenso wenn er zu hoch bezahlt wird. Daran müssen Korrekturen angebracht werden, und es handelt sich nur darum - ohne daß man auf Foerstersche Dinge Rücksicht nimmt -, welche Faktoren im volkswirtschaftlichen Leben diese Umlagerung, diesen Verkehr möglich machen. Also einen Verkehr, bei dem die erträglichen gegenseitigen Preise herauskommen, nicht bloß für Waren, sondern eben auch für die geistige Organisierung, und auch für das notwendige freie Geistesleben.

Daraus folgt unmittelbar, daß das Geld alt werden muß. Es handelt sich lediglich darum, auf welche Weise man das technisch ausführen kann. Und Sie würden ein allmähliches Abnützen des Geldes auf keine andere Weise ausführen können als dadurch, daß Sie den Scheinen Coupons anhängen, die abgerissen werden müssen zu bestimmten Zeiten, und zwar von einem Amt. Dadurch würde ein sehr komplizierter bürokratischer Apparat herauskommen. Aber es handelt sich wirklich niemals darum, daß man die Abnützung durch solche äußeren Zeichen herbeiführt, sondern daß der reale Verlauf der Dinge von selbst diese Wertigkeit bewirkt. Das geschieht, wenn Sie einfach dem Geld, allen Arten von Geld, mehr oder weniger den Wechselcharakter geben, also ich meine insofern den Wechselcharakter, als ein Endtermin da ist. Dieser läßt sich natürlich nicht in abstracto berechnen, sondern, in Voraussetzung eines bestimmten Augenblicks, anfangs nur annähernd festsetzen. Dann muß man korrigieren, bis die Sache zu einem eventuell möglichen Termin kommt.

Es würde sich dann darum handeln, daß wiederum für die Weltwirtschaft dasjenige herausgefunden wird, was ja für eine im Grunde genommen als lokale Wirtschaft sehr weitgehende Ökonomie schon da war. Das ist nämlich die Handhabung des Jubeljahres im Alten Testament. Das ist etwas ganz Ähnliches wie das Altwerden des Geldes: das Nachlassen sämtlicher Schulden. Mit einem radikalen Nachlassen aller Schulden fallen auch alle volkswirtschaftlich schädlichen Vermögen beziehungsweise Kapitalien weg. Es ist immerhin - Sie erinnern sich wohl, wie lange die Zeit war bis zu einem Jubeljahr - alle siebzig Jahre. Nun dieses Jubeljahr, das ist ja gegenüber dem, was heute im Hinblick auf die Weltwirtschaft notwendig wäre, a priori bestimmt worden, indem man einfach das Patriarchenalter festgelegt hat. Es ist mir im Augenblick nicht erinnerlich, ob es in der Bibel ebenso steht, aber jedenfalls der Usus war ursprünglich so, das menschliche Lebensalter festzustellen, weil man ganz richtig gerechnet hat: wenn man den Zeitenverlauf eines ganzen Menschenlebens nimmt, so liegt darin alles angelegt, was an Schenkungskapital in der Jugend da ist, dann an Leihkapital und an Handelskapital, also Verkehrskapital. Es wurde angenommen, daß der Mensch das Recht hat, dasjenige in der Jugend zu verzehren, was er später als reifer Mensch verdient, und dann etwas weniger verdient, wenn es gegen das Ende zugeht. Man hat das dazumal als eine Art von Leihen angesehen.

Nun, sehen Sie, das war a priori; das würde sich in der Weltwirtschaft nicht so ausnehmen. Es würden die Zeitperioden sich wesentlich verlängern. Aber es ist auch ohne weiteres klar, daß dann- wenn diese allmähliche Abnützung des Geldes eintritt, diese im gegenseitigen Verkehr selber eintritt, weil auf der Banknote das Anfangsjahr stehen würde. Im realen volkswirtschaftlichen Verkehr wird dann das Geld eine geringere, jetzt nicht Kaufkraft, aber eine geringere Verwertungskraft für alles Organisieren haben: je weiter es vorrückt, eine um so geringere Verwertungskraft. So daß es durch die Abnahme seiner Verwertungskraft allmählich in Schenkungsgeld übergehen kann, und daß es dann wiederum rückläuft in junge Geldzeichen, die einfach auf dem Überleitungsweg neu herausgegeben werden können. Das muß nur durch die Assoziationen bewirkt sein. Für Produkte, die möglichst naheliegen den Naturprodukten, hat also dann die Arbeit ihren höchsten Wert, trotzdem der Arbeiter nicht mehr bekommt, als irgend jemand anderer nach der Preisformel; aber es hat die Arbeit dann dort im volkswirtschaftlichen Verkehr den höchsten Wert. Nur geht ein Teil über an den, der arbeitet; der andere geht in den wirtschaftlichen Prozeß restlos hinein. Sie haben dem einzelnen die Möglichkeit entzogen, sich zu bereichern.

Frage: Wie kann das Geld verschieden verwendet werden, wenn es als junges und altes Geld dieselbe Kaufkraft hat?

Rudolf Steiner: Wenn Sie eine Unternehmung mit jungem Geld beginnen, so sind Sie nun in der Lage, dadurch, daß Sie junges Geld hineinstecken, diese Unternehmung auf eine lange Frist hin anzulegen; während Sie mit altem Geld nicht in der gleichen Weise auf lange Frist hin das Unternehmen anstellen könnten.

Frage nicht notiert.

Rudolf Steiner: Sie meinen: wenn ich mir einmal meine Produktionsmittel gekauft habe, dann habe ich statt des Geldes die Produktionsmittel, und das Geld, das ich jetzt weggebe, das hat dann ein anderer.

Das Geld, das nun einmal in die Produktion hineingegangen ist, muß natürlich darin bleiben. Aber, es kann sich dieses Geld unter Umständen verwandeln - es würde sich ja nicht verwandeln, insofern der Betreffende es konsumieren kann - aber was in der Produktion darin ist, ist eine Frage des Verkehrs. Das wird nicht sehr bürokratisch sein, weil durch die Assoziationen dafür gesorgt werden kann, daß innerhalb der Unternehmungen, die auf gleicher Basis beruhen, nichts anderes verwendet wird als bestimmtaltriges Geld.

Das Geld ist also in Produktionsmitteln aufgegangen. Dem kommt zu Hilfe die andere Maßregel, daß die Produktionsmittel ihren Wert verlieren, wenn sie Produktionsmittel geworden sind. Diese zwei Dinge schließen sich zusammen zu einem. Heute haben Sie es nämlich auch so, nur kaschiert. Das Geld, das für die Produktion verliehen ist, geht nicht wiederum zurück, bleibt in der Produktion stecken. Nur wird es dadurch festgehalten, daß die Produktionsmittel wiederum verkauft werden können. Dadurch wird es fortwährend wieder jung gemacht. Denken Sie sich aber, die Produktionsmittel können nicht verkauft werden, so bleibt das Geld in seinem Alter darin. Man muß real denken, dann wird die Frage niemals so entstehen: Wie macht man das, daß das Geld sein Alter da drinnen behält? Sondern man wird sagen: Das muß geschehen - also muß einfach die Maßregel geschehen! Das ist eine äußerlich technische Frage.

Natürlich könnten Sie das eine sagen: Es wäre eine gewisse Möglichkeit vorhanden, daß solche Dinge durch die Spekulation umgangen würden; aber die Spekulation hätte sicher viel weniger Boden in einer solchen Gemeinschaft als in derjenigen, die dem Geld einen unbestimmt langen Wert gibt. In Wirklichkeit nützt sich das Geld ja doch ab. Sonst könnte jener pommersche Landmann recht haben, der sich sagt: Wie groß sind die preußischen Staatsschulden? Ich will ein kleines Kapital auf Zins und Zinseszinsen anlegen, und das würde nach so und so viel Jahren die preußischen Staatsschulden decken können. Dies könnte niemals zustande kommen, weil alle diejenigen, die nach und nach verpflichtet würden, für diese Summe aufzukommen, die doch die entsprechende Deckung brauchte, zugrunde gehen würden. Auf irgendeine Weise würden die Garanten verschwinden, und der preußische Staat kriegte nach Jahrhunderten nicht einen Heller davon.

Da sehen Sie, daß es sich doch abnützt, das reine Geld. Es handelt sich nur darum, daß man diese Dinge in die Vernunft heraufnimmt, die in Wirklichkeit stattfinden, und die dadurch die Schädigungen hervorrufen, daß sie nicht in der Vernunft sind. Deshalb kann ich sagen: Ich betrachte doch nur das Reale, nicht ein agitatorisch Sein-Sollendes. Weil die Dinge da sind! Es handelt sich darum, daß man zu fragen hat: Wie saniert man die Weltwirtschaft?

Frage: Wie ist das Verhältnis von Staat und Geld?

Rudolf Steiner: Durch das, was ich gestern beschrieben habe, würde eine Reichsbank, eine Staatsbank unmöglich sein. Es würde herauskommen ein Bankinstitut zwischen denjenigen, die Schenkungsgelder bekommen haben, und denjenigen, die durch Arbeit, namentlich Bodenarbeit wiederum neue Waren in ihrem Anfang schaffen. Es würde diese Verjüngung gerade vom Staat auf die Wirtschaft übergehen. Und das ist das, was die weitere Notwendigkeit darstellt. Dadurch, daß sie an die Wirtschaft übergeht, würde diese Maßregel, das Geld wieder jung zu machen, zusammenhängen mit anderen wirtschaftlichen Maßregeln, nicht mit Staatsmaßregeln. Und dadurch kämen auch ganz andere Wertverhältnisse heraus als jetzt unter dem fiskalischen Elemente. Wir würden etwas haben, was schon existiert. Die Dinge werden ja nur dadurch kaschiert, daß sie nicht am rechten Fleck vor sich gehen. Wir würden eine fiskalische Maßregel in eine wirtschaftliche übergeführt haben. Der Fiskus würde weniger die Möglichkeit haben, wirtschaftlich vorzugehen als eine wirtschaftliche Assoziation.»

Frage: Worin würde eine andere Währungsgrundlage bestehen?

Rudolf Steiner: «Sie würde dadurch geschaffen werden, daß alles das, was Papiergeld, Geldsurrogat ist, sich sehr ähnlich werden würde. Die großen Verschiedenheiten von heute sind ja nur durch willkürliche Maßregeln hervorgerufen. Also die Staatsbanknoten und alle anderen Arten von Geldsurrogaten würden einander viel ähnlicher werden.

Man würde ein einheitliches Geld haben, und für dieses wäre es ziemlich gleichgültig, aus was es bestehen würde; denn es bekommt dann am Ende seines Prozesses einen rein nominalistischen Charakter; und indem es wiederum zurückgeführt wird, bekommt es einen metallistischen Charakter, den es am Anfang haben müßte. Die Währung würde etwas sein, was im fortwährenden Fluß wäre, die aber ganz angepaßt wäre der Eigentümlichkeit des volkswirtschaftlichen Prozesses.

Frage: Haben Sie nicht früher auch einmal die brauchbaren Produktionsmittel als Währungsgrundlage gepriesen?

Rudolf Steiner: Fragen wir uns: Was gibt denn nun innerhalb eines solchen Zeitraumes, in dem dieser Umschwung für ein bestimmtes Geld stattfindet, dafür den Geltungswert? Ihn gibt dasjenige, was an brauchbaren Produktionsmitteln da ist. Nehmen Sie an, es ist sehr wenig an brauchbaren Produktionsmitteln da, so wird die Sache sehr schnell umgesetzt werden müssen. Es wird sich überall Geld stauen, es wird überall Kaufgeld zurückgehen durch wenige Produktionsmittel und so weiter. Wenn aber viel brauchbare Produktionsmittel da sind, so wird der Umlauf ein anderer sein, und es wird dadurch diesem Geld ein erhöhter Wert anhaften. Auf diese Weise bekommen wir die Währung heraus durch die brauchbaren Produktionsmittel.

Frage: Müßte etwas Stabiles als Stoff genommen werden wie Gold?

Rudolf Steiner: Soviel ich sehen kann, wäre im Grunde genommen der wirkliche Stoff des Geldes gleichgültig, so daß Sie die Jahreszahl, die dann wertbildend würde, auch auf Papier setzen könnten. Ich kann nicht sehen, daß es dann notwendig wäre, eine solche Währung wie Gold einzuführen. Es würde nur in dem Umfang möglich sein, in dem sich wiederum Spezialvolkswirtschaften bilden würden. Aber in dem Maße, als tatsächlich die Weltwirtschaft da ist - sie realisiert sich in dem Maße mehr, als die Wirtschaft sich emanzipiert -, ist es möglich, durch jeden beliebigen Stoff das Geld zu machen. Was wird denn das Geld dadurch, daß sich das realisiert, was ich sage? Dadurch wird das Geld nichts anderes, als die durch das ganze Wirtschaftsgebiet durchlaufende Buchführung.

Sie könnten nämlich, wenn Sie eine Riesenbuchhaltung einführen wollten, die nicht notwendig ist, dieses ganze Hin- und Hergehen des Geldes ganz gut an einer entsprechenden Stelle verbuchen. Dann würden immer die Posten an den entsprechenden Stellen stehen. Was in Wirklichkeit geschieht, ist nämlich nichts anderes, als daß Sie den Posten aus der betreffenden Stelle herausreißen und dem Betreffenden den Schein geben, so daß die Buchhaltung wandert. Das Geld ist in fluktuierendem Sinn eine Buchhaltung. Da kann ich nicht einsehen, daß es einen anderen als einen dekorativen Wert haben soll, ob man es aus dem oder jenem macht.

Einwand: Das Gold gäbe einen gewissen Maßstab.

Rudolf Steiner: Das kann nicht der Fall sein, und wenn es der Fall ist, so übt es sich aus in dieser Buchhaltung selber. Das ist das Wesentliche, daß der ganze Geldverkehr übergeht in eine Führung der Buchhaltung. Statt daß Sie einen Posten von der Aktiv-Seite auf die Passiv-Seite hinübersetzen, geben Sie das Geld hinüber.

Einwand: Es dürfte nicht Gold sein, weil die Entwertung dadurch umgangen werden könnte, daß zuletzt das Gold zurückbehalten würde.

Rudolf Steiner: Wenn ein Käufer für das Gold da ist. Der müßte da sein, das heißt, es müßte der Kauf vorteilhaft sein. Man würde dann extra noch die unnötige Kalkulation machen müssen. Ja, die würde einem nichts helfen. Wenn man zum Beispiel einen Schmuckgegenstand daraus machen würde, würde man damit betrügen können.

Diese Dinge muß man nur zum Zweck der Volkswirtschaft selber bedenken. Sie werden, wenn Sie die Dinge zusammenhalten, werten können das, was heute wirklich nur auf Grundlage einer partiellen Beobachtung und einer unzureichenden Spekulation in der Behandlung der Volkswirtschaftslehre steht. Es sind immer unzureichende Methoden und mangelhafte Beobachtungen da.