- Startseite ›
- Forschung ›
- Rudolf Steiner ›
- Zitate ›
- ›
- Der Grundbesitzer kann die Waren-Preise fälschen
Der Grundbesitzer kann die Waren-Preise fälschen
Quelle: GA 340, S. 097-101, 5. Ausgabe 1979, 30.07.1922, Dornach
Wert in der Volkswirtschaft kann ja nur entstehen - das haben wir schon ersehen können - im Austausch der Erzeugnisse, im Austausch der Waren oder überhaupt volkswirtschaftlicher Erzeugnisse. Auf eine andere Weise kann Wert nicht entstehen. Aber Sie können leicht einsehen: Wenn nur auf diese Weise Wert entstehen kann, und wenn der Preis des Wertes so zustande kommen will, wie ich das gestern auseinandergesetzt habe, daß berücksichtigt werden soll, wie für jemand, der ein Erzeugnis hervorgebracht hat, ein solcher Gegenwert für das Erzeugnis erhältlich sein soll, daß er die Bedürfnisse befriedigen kann, die er hat, um ein gleiches Erzeugnis wieder herzustellen - wenn das möglich sein soll, so müssen ja die Erzeugnisse sich gegenseitig bewerten. Und schließlich ist es ja nicht schwer, einzusehen, daß im volkswirtschaftlichen Prozeß sich die Erzeugnisse gegenseitig bewerten. Es wird nur kaschiert dadurch, daß das Geld zwischen dasjenige tritt, was ausgetauscht wird. Aber das ist nicht das Bedeutsame an der Sache. An dem Geld hätten wir nicht das geringste Interesse, wenn es nicht das Austauschen der Erzeugnisse förderte, bequemer machte und auch verbilligte. Wir hätten Geld nicht nötig, wenn es nicht so wäre, daß derjenige, der ein Erzeugnis auf den Markt liefert - unter dem Einfluß der Arbeitsteilung -, zunächst sich nicht abmühen will, um dasjenige, was er braucht, da zu holen, wo es vorhanden ist, sondern eben Geld dafür nimmt, um dann sich wiederum in der entsprechenden Weise zu versorgen. Wir können also sagen: In Wirklichkeit ist es die gegenseitige Spannung, welche zwischen den Erzeugnissen eintritt
Der Grundbesitzer kann die Waren-Preise fâlschen
im volkswirtschaftlichen Prozeß, die mit der Preiserzeugung zu tun haben muß.
Betrachten wir von diesem Gesichtspunkt aus einmal das sogenannte Lohnverhältnis, das Arbeitsverhältnis. Wir können nämlich gar nicht Arbeit gegen irgend etwas austauschen, weil es zwischen Arbeit und irgend etwas eigentlich keine gegenseitige Bewertungsmöglichkeit gibt. Wir können uns einbilden - und die Einbildung realisieren, indem wir eben das Lohnverhältnis eintreten lassen -, daß wir die Arbeit bezahlen; in Wirklichkeit tun wir es nicht. Was in Wirklichkeit geschieht, ist etwas ganz anderes. Was in Wirklichkeit geschieht, ist dieses: daß auch im Arbeits- oder Lohnverhältnis Werte ausgetauscht werden. Der Arbeiter erzeugt unmittelbar etwas, der Arbeiter liefert ein Erzeugnis; und dieses Erzeugnis kauft ihm in Wirklichkeit der Unternehmer ab. Der Unternehmer bezahlt tatsächlich bis zum letzten Heller die Erzeugnisse, die ihm die Arbeiter liefern - wir müssen schon die Dinge in der richtigen Weise anschauen -, er kauft die Erzeugnisse dem Arbeiter ab. Und dann hat er die Aufgabe, daß er diesen Erzeugnissen durch die allgemeinen Verhältnisse im sozialen Organismus, nachdem er sie abgekauft hat, einen höheren Wert durch seinen Unternehmungsgeist verleiht. Das gibt ihm dann in Wahrheit den Gewinn. Das ist dasjenige, was er davon hat, dasjenige, was ihm möglich macht, daß er, nachdem er die Waren von seinen Arbeitern gekauft hat, sie durch - nennen wir das übelberüchtigte Wort - die Konjunktur an Wert erhöht.
Wir haben es also im Arbeitsverhältnisse mit einem richtigen Kauf zu tun. Und wir dürfen nicht sagen, daß da unmittelbar im Arbeitsverhältnis ein Mehrwert entstünde. Sondern wir dürfen nur sagen, daß der Preis, den der Unternehmer bezahlt, durch die Verhältnisse eben nicht derjenige ist, von dem ich gestern gesprochen habe. Aber das werden wir auch noch weiterhin im volkswirtschaftlichen Prozeß finden, daß zwar die Erzeugnisse sich gegenseitig ihre Werte bestimmen, ihre wirklichen Werte haben, daß diese Werte aber im Verkehr nicht bezahlt werden. Sie werden im Verkehr nicht bezahlt. Daß nicht alle Werte im Verkehr bezahlt werden, das können Sie ja unglaublich leicht einsehen. Denken Sie doch nur einmal: Wenn irgend jemand, sagen wir, Fabrikant ist, kleiner Fabrikant ist und plötzlich eine reiche Erbschaft macht, und ihm die ganze Geschichte mit der Fabrik zu dumm wird, so kann er beschließen, dasjenige, was er noch hat an Waren, unglaublich billig zu verkaufen. Die Waren werden deshalb nicht weniger wert, nur wird nicht der wirkliche Preis bezahlt. Es wird der Preis im volkswirtschaftlichen Verkehr gefälscht. Darauf müssen wir sehen, daß eben überall der Preis im volkswirtschaftlichen Verkehr gefälscht werden kann. Deshalb ist er aber doch da. Die Waren, die dieser Fabrikant verkauft, sind ja nicht weniger wert als die gleichen Waren, die ein anderer erzeugt.
Nun, nachdem wir versucht haben, uns klarzumachen, daß wir es im Lohnverhältnis eigentlich mit einem Kauf zu tun haben, wollen wir uns nun einmal fragen, mit was wir es zu tun haben bei der Bodenrente, bei dem Preis für Grund und Boden. Der Preis von Grund und Boden entspringt ja ursprünglich nicht dem Verhältnisse, das in der fertigen Volkswirtschaft da ist. Um, ich möchte sagen, ein sehr radikales Verhältnis anzuführen, braucht man ja nur hinzuweisen darauf, daß Grund und Boden zum Beispiel durch Eroberung, also durch Entfaltung von Macht, in die Verfügung von irgendwelchen Menschen übergegangen ist. Irgend etwas von einem Tausch wird auch da zugrunde liegen. Es wird zum Beispiel derjenige, der Helfer hat bei der Eroberung, einzelne Teile des Bodens an diese Helfer abtreten. Wir haben also da im Ausgangspunkt der Volkswirtschaft nichts eigentlich Wirtschaftliches. Der ganze Prozeß ist nicht eigentlich wirtschaftlich. Der ganze Prozeß, der sich da abspielt, ist so, daß wir nur anwenden können das Wort Macht oder Recht. Durch Macht werden Rechte erworben, Rechte auf Grund und Boden. So daß wir tatsächlich das Volkswirtschaftliche auf der einen Seite anstoßen haben an Rechts- und Machtverhältnisse.
Was geschieht aber unter dem Einfluß von solchen Rechts- und Machtverhältnissen? Nun, unter dem Einfluß von solchen Rechts- und Machtverhältnissen geschieht fortwährend das, daß der Betreffende, der das freie Verfügungsrecht über den Grund und Boden hat, sich selber besser abfindet, als er die anderen abfindet, welche er zur Arbeit heranzieht, welche ihm die Erzeugnisse durch Arbeit liefern. Ich rede jetzt also nicht von der Arbeit, sondern von dem Erzeugnis der Arbeit. Denn diese Erzeugnisse der Arbeit sind es, die in Betracht kommen. Es muß ihm mehr abgeliefert werden - das ist ja nur die Fortsetzung seines Eroberungs-, seines Rechtsverhältnisses -, es muß ihm mehr abgeliefert werden, als er den anderen gibt. Was ist denn dasjenige, was da mehr abgeliefert wird, als er den anderen gibt, was also das Preisverhältnis fälscht, was ist denn das? Ja, das ist ja nichts anderes als eine Zwangsschenkung. Sie haben also hier durchaus das Schenkungsverhältnis eintretend, nur eben, daß der Betreffende, der die Schenkung zu tun hat, sie nicht freiwillig tut, sondern dazu gezwungen wird. Es tritt eine Zwangsschenkung ein. Das ist dasjenige, was hier gegenüber dem Grund und Boden der Fall ist. Durch die Zwangsschenkung wird aber der Preis, den eigentlich die Produkte als Tauschpreis haben sollten, die auf dem Grund und Boden erzeugt werden, im wesentlichen erhöht.
Daher ist der Preis all desjenigen, was der Unterwerfung unter solche Rechtsverhältnisse fähig ist, mit der Tendenz behaftet, über seine Wahrheit hinaus zu steigen. Wenn Forstmenschen, Jäger, mit Landwirten zusammenleben, kommen die Forstmenschen besser weg als die Landwirte. Landwirte unter Forstmenschen müssen nämlich den Forstmenschen für das, was ihnen geliefert ist, höhere Preise bezahlen als die reinen Austauschpreise wären zwischen den Produkten der Forstwirtschaft und denen der Landwirtschaft, aus dem einfachen Grunde, weil die Forstwirtschaft am meisten nur durch das Rechtsverhältnis in die Verfügung desjenigen, der die Preise bedingt, hineingebracht werden kann. Bei der Landwirtschaft muß schon eine wirkliche Arbeit aufgebracht werden; bei der Forstwirtschaft stehen wir noch sehr nahe der arbeitslosen Bewertung, die eben ganz allein aus Rechts- und Machtverhältnissen hervorgeht. Und wenn un- ter Landwirten Handwerker leben, so haben die Preise wiederum die Tendenz, gegen die Landwirtschaft höher, als die Wahrheit ist, zu steigen, und gegen das Handwerk hin niedriger sich zu senken, als die Wahrheit ist. Handwerker unter Landwirten leben teurer; Landwirte unter Handwerkern, wenn also die Minorität in Betracht kommt, verhältnismäßig billiger. Handwerker unter Landwirten leben verhältnismäßig teurer. So daß also die Stufenfolge dieser Tendenz, daß die Preise über die Wahrheit hinaussteigen oder unter die Wahrheit hinuntersinken, daß die Reihenfolge diese ist: am meisten ist das bei der Forstwirtschaft der Fall, dann kommt die Landwirtschaft, dann kommt das Handwerk und dann die vollständig freie Betätigung. So müssen wir die Preisbildung innerhalb des volkswirtschaftlichen Prozesses aufsuchen.